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Kommentar Überwachung von ReporternAutoritäre Logik

Kommentar von Christian Mihr

Das Redaktionsgeheimnis wird durch das neue BND-Gesetz ausgehöhlt. Warum Reporter ohne Grenzen nun dagegen klagt.

Der BND überwacht gerne, auch Journalisten: Die neu errichtete Geheimdienstzentrale in Berlin Foto: dpa

S tellen Sie sich vor, Sie arbeiten bei einer Behörde, erfahren dort von einem Korruptionsskandal und möchten, dass er aufgeklärt wird. In einer Demokratie müssten eine naheliegende Anlaufstelle für Sie als Whistleblower Journalisten sein, die ihre Quellen schützen können. Dazu gibt es Sonderrechte für Medien, etwa hohe Hürden bei der Überwachung ihrer Kommunikation.

Dass autoritäre Staaten solche Freiheitsrechte missachten und Journalisten ausspionieren, ist traurige Realität. Leider hat sich auch Deutschland in diese Reihe gestellt. Das neue Gesetz für den Bundesnachrichtendienst folgt einer autoritären Logik: Es dreiteilt das Menschenrecht auf Pressefreiheit abhängig von der Nationalität. Deutsche sollen angeblich nicht überwacht werden, EU-Bürger nur mit Einschränkungen, und der Rest der Welt ist vogelfrei. Sonderrechte für Journalisten? Gibt es gar nicht.

Diese Logik lehnen wir ab, denn Pressefreiheit darf kein exklusives Recht für Deutsche sein. Reporter ohne Grenzen hat deshalb mit fünf weiteren Organisationen eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue BND-Gesetz eingereicht, mit der Journalisten aus der ganzen Welt ihre Grund- und Menschenrechte einklagen wollen.

Einer der Beschwerdeführer ist der mexikanische ­Investigativjournalist Raúl Olmos. Er hat einen Überwachungsskandal aufgedeckt, von dem auch viele Journalisten betroffen sind. Die mexikanischen KollegInnen spüren täglich, wie drängend das Problem der Überwachung sein kann. Aber es sind nicht nur die anderen, es ist leider auch Deutschland: Wenn der BND Daten mit „befreundeten“ Geheimdiensten tauscht, weiß kein Journalist mehr, ob er noch sicher kommunizieren kann. Das schreckt Quellen ab.

Christian Mihr

ist seit 2012 Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. Zuvor arbeitete er als Journalist bei verschiedenen Print- und Onlinemedien.

Das betrifft auch deutsche Journalisten, die bei Recherche-Kooperationen wie den Paradise Papers in Netzwerken arbeiten und Informationen teilen. Hier höhlt der BND das Redaktionsgeheimnis in Deutschland durch die Hintertür aus – und die so fern ­scheinende BND-Überwachung ist plötzlich ganz nah.

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2 Kommentare

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  • Das war klar und es wird wohl immer so bleiben: Wer wirklich eine starke Abneigung gegen den BND hat, sollte nicht als Journalist arbeiten und vor allem nicht öffentlich machen, dass er/sie sich mit dem BND beschäftigt. In digitalen Internet-Zeiten hat der BND wahrscheinlich so viele Infos auf einen Schlag, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Allerdings ist es auch nicht so, dass sich die Bürger und Journalisten so aufregen, dass sie eine Demo gegen die Bundesregierung und ihren BND machen. Am Ende läuft es doch darauf hinaus: Die Bundesregierung will diesen Geheimdienst so haben. Sie sind zufrieden mit dieser Art und Weise, wie Informationen selbst von Journalisten gewonnen werden. Dazu kommt ja noch, dass der BND immer auch Journalisten ihrgendwie in seinem Netzwerk hat.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Zum Bspitzeln von deutschen Geheimnisträgern gibt es den Verfassungsschutz.

    Es reicht ein Blick nach Leipzig: Auf der Suche nach vermeinten Linksextremisten, in diesem Fall einigen Chemie-Hooligans, die gewaltsame Racheaktionen gegen Nazis ausgeübt haben sollen, wurden und werden Journalisten, Ärzte und Rechtsanwälte abgehört.

     

    Auch nach jahrelangem Abhören hat sich der Verdacht auf die Bildung einer so genannten linksextremistischen Vereinigung in Connewitz nicht bestätigt, trotzdem wurden die zahlreichen Menschen, die jahrelang (!) von der Stasi 2.0 abgehört wurden, nicht einmal von dieser Überwachung, die auch rechtswidrig war, informiert.

     

    Der öffentliche Raum wird vom VS ohne richterliche Genehmigungen überwacht, es wurden schon mehrere Kameras geoutet, die z.B. einen Kneipeneingang abgefilmt hatten und alle Menschen dokumentierten, die auf den betroffenen Straßen umherliefen.

     

    Wenn die Geheimdienste über fünf Ecken überwachen, an sind Leute betroffen, die jemanden kennen, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der verdächtig ist. Das ist nahezu die gesamte Bevölkerung. In einem Viertel wie Connewitz kennt jeder jeden schon über 3 Ecken.

     

    Rechtsstaatlichkeit habe ich seit der Wende in dieser Beziehung in Sachsen so wenig erlebt wie in der DDR. Von Regen in die Traufe.

     

    Heute geht der "antikapitalistische" Schutzwall quer durchs Mittelmeer, geschossen werden muss da nicht mehr, die Menschen ertrinken auch so.

    327 Menschen sollen in 40 Jahren an der Mauer erschossen worden sein.

    Im Mittelmeer sind allein 2014 ca. 3500 Menschen auf der Flucht ertrunken, 2015 waren es 3771 (nach UNHCR), 2016 dann 5000, und 2017 waren es 3000.

     

    Dafür werden die Waffen benutzt, um Migranten in Konzentrationslager zu zwingen, die EU hat ein Gulag-.System für entrechtete Menschen in ihrer gesamten Peripherie aus Diktaturen und Bürgerkriegsstaaten errichtet und es soll noch ausgebaut werden. Bitte keine Nazivergleiche, denn die Nazis haben Vernichtungslager gebaut.