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Studie der KlimafolgenforschungKlimawandel verstärkt Hochwasser

Infolge der Erderwärmung steigt das Risiko von Überschwemmungen bis 2040 stark an – auch in Deutschland.

Ganz schön gefährlich: Hochwasser des Neckar bei Heidelberg Foto: dpa

Berlin taz | In Deutschland lief die erste Hochwasserwelle des Jahres glimpflich ab: Am Mittwoch sanken die Pegelstände an Rhein, Neckar und Mosel wieder, auf dem Rhein wurde die Schifffahrt nach mehrtägiger Unterbrechung wiederaufgenommen. Weitaus dramatischer war die Situation in Kalifornien: Dort entstand durch Hochwasser nach ­einem heftigen Regensturm eine Schlammlawine, in der 13 Menschen ums Leben kamen.

Die Frage, inwieweit solche Hochwasser durch den Klimawandel verstärkt werden, wird schon lange diskutiert. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat dazu nun eine neue, umfangreiche Untersuchung vorgelegt – mit einem eindeutigen Ergebnis: „Veränderte Regenfälle als Folge der globalen Erwärmung werden das Risiko von Überschwemmungen an Flüssen vielerorts stark erhöhen“, meldete das PIK unter Berufung auf eine aktuelle Veröffentlichung.

Diese Studie basiert auf umfassenden Computersimulationen, bei denen Daten zu Flüssen aus einer Vielzahl von Quellen verwendet wurden. Daten über die Veränderungen von Niederschlägen stammen aus einem vom PIK koordinierten Projekt zum Vergleich von Klimamodellen. Auf diese Weise haben die Wissenschaftler bis hinunter zu einzelnen Regionen und Städten ermittelt, in welchem Maß der Hochwasserschutz bis in die 2040er Jahre verstärkt werden muss. Die räumliche Auflösung der neuen Studie ist etwa zehnmal so hoch wie bei gängigen Klimasimulationen.

Am größten ist der Anpassungsbedarf in den USA, in Teilen Indiens und Afrikas, in ­Indonesien – und in Mittel­europa einschließlich Deutschland. Ohne Gegenmaßnahmen wären den Berechnungen zufolge viele Millionen Menschen von schweren Überschwemmungen bedroht.

Die Verlagerung von Siedlungen

„Mehr als die Hälfte der USA müssen ihr Schutzniveau innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte mindestens verdoppeln, wenn sie einen dramatischen Anstieg der Hochwasserrisiken vermeiden wollen“, erklärt Sven Willner, der Leitautor der Untersuchung. Zu den notwendigen Anpassungsmaßnahmen gehören der Ausbau der Deiche, veränderte Baustandards oder auch die Verlagerung von Siedlungen.

Ohne solche Maßnahmen wird die Zahl der Menschen, die von den stärksten 10 Prozent der Hochwasserereignisse betroffen sind, stark steigen: in Deutschland von etwa 100.000 auf 700.000, in Asien von 70 Millionen auf 156 Millionen. „Die Ergebnisse sollten eine Warnung für die Entscheidungsträger sein“, meint Mitautor Anders Levermann. „Wenn wir das Thema ignorieren, sind die Folgen verheerend.“ Wenn die Temperatur global um mehr als 2 Grad steige, werde eine Anpassung an Hochwasserrisiken vielerorts schwierig.

Dass Überflutungen schon heute zu den häufigsten und verheerendsten Naturkatastrophen gehören, meinen nicht nur Wissenschaftler. Zu dem Ergebnis kommt auch das weltgrößte Rückversicherungsunternehmen Munich Re: Durch Wetterkatastrophen verursachte Schäden erreichten nach Angaben des Unternehmens letztes Jahr einen neuen Rekord. Allein Hurrikan „Harvey“, der Ende August zu sintflutartigen Regenfällen in der Region um Houston geführt hatte, verursachte Schäden in Höhe von 85 Milliarden Dollar. Die Gesamtschäden infolge von Naturkatastrophen aller Kategorien waren mit 330 Mrd. Dollar fast doppelt so hoch wie der inflationsbereingte Durchschnitt über 10 Jahre, meldete die Munich Re kürzlich.

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8 Kommentare

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  • Da wird die "rechtzeitig" vorgestellte Studie aber recht einseitig ausgelegt. Zunächst: Das aktuelle Hochwasser gab am Rhein die bis sechsthöchsten Stände die jemals aufgezeichnet wurden. Ohne beträchtliche Schäden.

    Nicht jedes Wetterphänomen (ob Niedrigwasser, Hochwasser, Trockenheit) sollte unmittelbar dem "Klimawandel" zugeordnet werden.

    Die Modelle ergeben ganz unterschiedliche Vorhersagen: Nicht "Mitteleuropa", sondern v.a. der Nordosten Deutschland wäre betroffen.

    Das Risiko von Hochwasser betrifft derzeit bereits nicht 100 Tsd, sondern vom Ober- über den Mittelrhein bis die Niederlande mehrere Millionen. Polder und Staubetrieb am Oberrhein, Schutzmauern am Mittel- und Niederrhein, riesige Rückhalte- und Schutzmaßnahmen in den Niederlanden sind doch gute Vorkehrungen.

    Die Potsdamer Forscher blenden aus: Das Hochwasser wird in der Fläche gemacht - Raps- und Maisfelder für die "Energiewende".

  • Na ja. Dafür fällt andernorts wesentlich weniger Regen und Überschwemmungen nehmen ab. Man muss schon auf das ganze schauen und nicht nur darauf, was einem gerade in den Kram passt.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @TurboPorter:

      Genau. Wenn einem hierzulande das Häuschen absäuft, sollte man unbedingt an Kalifornien, an Afrika, an den Jemen usw denken, denn dann wird einem gleich ganz wohl ums Herz und man weiß, daß man an das Ganze gedacht hat und nicht nur 'was einem gerade in den Kram passt'.

      Guter Tipp. Danke.

      • @4932 (Profil gelöscht):

        Na ja, Sie können Neokolonialismus auch als Sarkasmus tarnen - was interessiert uns schon deren Glück, solange wir nicht den Schadenfreiheitsrabatt in meiner Hausratversicherung verlieren.

  • Der Klimawandel verstärkt Regenfälle.

    Was die Hochwasser verstärkt, ist doch eigentlich der Raubbau an Natur und Landschaft.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @EDL:

      Und ich füge der KollegIn EDL noch hinzu:

      Was den Klimawandel und die Hochwasser verstärkt, ist die vollkommen uneingeschränkte 'Freiheit' des Menschen.

      Er siedelt, wo es gerade günstig ist, er schaut, was der SUV bei 210 km/h macht, er nutzt das Flugzeug auf Teufel komm raus, er liebt den Tourismus heiß und innig, liebt geteerte Wald- und Feldwege. Uvm.

    • @EDL:

      Beides dürfte wohl richtig sein. Das eine schließt doch das andere nicht aus.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @LittleRedRooster:

        Nein, aber es ergänzt sich wunderbar.