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Steuergeschenk an Privatbank?Finanzbehörde in Erklärungsnot

Die Hamburger Finanzbehörde soll die Privatbank Warburg jahrelang vor Steuernachzahlungen bewahrt haben. Es geht um eine Summe von bis zu 190 Millionen Euro.

Der Behrenpalais in Berlins Mitte: Hier residiert die Warburg-Bank Foto: dpa

HAMBURG taz | Norbert Hackbusch ist auf der Zinne. „Es wäre ungeheuerlich, wenn die ‚Steuerräuber mit weißem Kragen‘ nicht strafrechtlich verfolgt würden“, sagt der Haushaltsexperte der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Um bis zu 190 Millionen Euro soll es gehen, die das altehrwürdige Bankhaus Warburg nicht an Hamburg gezahlt hat. Und die Finanzbehörde der Hansestadt steht im Verdacht, dass sie diese Steuerschuld auch niemals eintreiben wollte. Erst auf Druck des Bundesfinanzministeriums sei sie Ende 2017 tätig geworden – knapp vor der Verjährung der Forderungen.

„Das muss auf einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft sofort und lückenlos aufgeklärt werden“, fordert Hackbusch. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) werde nachdrücklich befragt, kündigt Hackbusch an: „Wir verlangen Klarheit.“

Anlass ist ein Bericht des Rechercheverbunds aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung (SZ), wonach ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen dem Hamburger Finanzamt schon im Oktober 2016 mitgeteilt hatte, dass die Privatbank Warburg hohe Nachzahlungen für die Jahre 2009 bis 2011 leisten müsse. In Rede steht eine Summe von 146 Millionen Mark, inklusive Zinsen und Bußgelder könnten es 190 Millionen Euro werden. Diese Beträge ergäben sich, so der Wirtschaftsprüfer, aus jahrelangen Erstattungen der Finanzbehörde an das Bankhaus, die unberechtigt gewesen sein sollen.

Dabei handelt es sich um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Das sind verwinkelte Deals, bei denen sich Banken Steuern auf Aktienerträge erstatten lassen, die sie gar nicht gezahlt haben – und das mitunter sogar mehrfach. „Cum-Ex ist der größte Steuerskandal der Bundesrepublik“, sagt Hackbusch. Um etwa fünf Milliarden Euro sollen nach seinen Worten Banken und Börsenhändler den deutschen Staat betrogen haben, bei Warburg soll es um einen Gesamtschaden von 280 Millionen Euro gehen.

Weder Finanzbehörde noch die Warburg Bank wollen sich mit Hinweis auf das Steuergeheimnis zu den Vorwürfen äußern.

Die Warburg Bank

Das Bankhaus Warburg wurde 1798 von den Brüdern Moses Marcus Warburg und Gerson Warburg gegründet. Das Hauptgeschäft in der Anfangszeit war der Devisenhandel. Seit 1867 befindet sich der Hauptsitz in der Ferdinandstraße 75 in Hamburg.

Die M.M.Warburg & CO (AG & Co.) Kommanditgesellschaft auf Aktien ist heute mit einer Bilanzsumme von 5,1 Milliarden Euro einer der großen Privatbankiers Deutschlands. Die Unternehmen der Warburg Gruppe mit einer Bilanzsumme von 8,4 Milliarden Euro sind mit 22 Standorten in 13 deutschen Städten sowie in der Schweiz und in Luxemburg vertreten.

Die Kerngeschäftsfelder des Hauses sind heute Private Banking, Asset-Management und Investment Banking. Zielkunden sind vermögende Privatkunden, institutionelle Kapitalanleger und Firmenkunden. Das verwaltete Vermögen der Bankengruppe belief sich im Geschäftsjahr 2016 auf 54,1 Milliarden Euro.

Vor dem Sonderausschuss der Bürgerschaft indes wird zumindest der Finanzsenator erklären müssen, warum der Vorgang ein Jahr lang, von Oktober 2016 bis Dezember 2017, in seiner Behörde unbearbeitet blieb. Erst nach einer Krisensitzung im Bundesfinanzministerium Ende 2017 und einer entsprechenden Weisung aus Berlin habe die Hamburger Finanzverwaltung reagiert, berichten NDR, WDR und SZ, und kurz vor der Verjährungsfrist entsprechende Steuerbescheide an das Bankhaus versandt.

Warburg zählt zu den renommiertesten Privatbanken der Welt. Jedoch soll es dem Geldhaus zurzeit so prächtig nicht gehen. Nach einem Bericht der Zeit aus dem vorigen September habe Warburg Reserven in Höhe von 20,5 Millionen Euro aufgelöst und sogar sein Stammhaus in der Nähe der Binnenalster für 44,4 Millionen Euro veräußert – nur dadurch sei für 2016 ein Gewinn vor Steuern von 29,7 Millionen Euro erzielt worden.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio de Masi, sagt mit feiner Ironie in der Stimme, Warburg sei „eine der feinsten Adressen in Hamburg, die gut vernetzt ist“. Er habe den Eindruck, dass die Hamburger Finanzbehörde mit ihrem wenig ausgeprägten Eifer bei der Steuereintreibung „vielleicht so etwas wie Standortpflege macht“.

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