piwik no script img

Maßnahmen gegen SchulschwänzerMit einer gewissen Härte

Die Bildungsverwaltung will konsequenter gegen Schulverweigerer vorgehen: Bezirke sollen früher Bußgelder verhängen können.

Warum ist er wohl nicht in der Schule? Foto: Jens Kalaene/dpa

An Berliner Schulen steigt die Zahl der geschwänzten Unterrichtsstunden leicht an, gleichzeitig gibt es aber einen leichten Rückgang bei den „schweren Fällen“ zu vermelden – also bei den SchülerInnen, die mehr als 20 Tage unentschuldigt fehlen. „Natürlich geben wir uns mit dieser Entwicklung aber nicht zufrieden“, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag. Unter anderem will man nun künftig den Bezirken die Möglichkeit geben, frühzeitiger härter mit Schulversäumnisanzeigen und Bußgeldern durchgreifen können.

Dafür will Scheeres zum kommenden Schuljahr 2018/19 die sogenannte Ausführungsvorschrift Schuldistanz ändern, mit der die Bildungsverwaltung regelt, wie Schulen juristisch gegen schwänzende SchülerInnen vorgehen können. Derzeit kann die Schule nach fünf unentschuldigten Fehltagen im Halbjahr eine Schulversäumnisanzeige beim bezirklichen Schulamt stellen. Doch künftig sollen auch einzelne Fehlstunden zu Fehltagen addiert werden. „Wir wissen, dass Schwänzen oft mit einzelnen Fehlstunden anfängt“, sagte Scheeres.

Bei einer Schulversäumnisanzeige müssen die Eltern zu einer Anhörung auf dem Schulamt erscheinen – kommen sie nicht und geht das Kind auch nicht wieder zur Schule, begehen die Eltern eine Ordnungswidrigkeit. Bis zu 2.500 Euro Bußgeld kann das Schulamt einfordern. Meist bleiben die Schulämter allerdings im dreistelligen Bereich.

Zudem machen die Bezirke von dieser Möglichkeit sehr unterschiedlich gebraucht: Während Neukölln im vergangenen Schuljahr 441 Bußgeldbescheide verschickte, waren es in Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick überhaupt keine. Dort gehe man bewusst „einen pädagogischen Weg“ hätten die Bezirke rückgemeldet, hieß es am Montag seitens des Fachreferats Schuldistanz in Scheeres' Verwaltung.

Tatsächlich scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Bezirke eine harte Linie fahren – oder es lieber noch mal mit einem netten Gespräch versuchen. In Neukölln lag die Quote der unentschuldigten Fehltage bei den Siebt- bis Zehntklässlern im letzten Schuljahr bei 2,7 Prozent, im „soft“ agierenden Friedrichshain-Kreuzberg ebenfalls bei 2,1 Prozent. Insgesamt fehlten die 100.000 Berliner Siebt- bis ZehntklässlerInnen rund 182.400 Tage unentschuldigt, eine Quote von 1,8 Prozent. Rund 2.000 SchülerInnen schwänzten mehr als 20 Tage – fünf Prozent weniger als vor zwei Jahren

Schuldistanz hat unterschiedliche Gründe

Ungewöhnlich scharf reagierte Scheeres am Montag auf die Entscheidung einzelner Bezirke, grundsätzlich auf Bußgelder zu verzichten. Das sei „unverantwortlich“, so Scheeres. „Da lässt man die Eltern bei dem Thema völlig außer Acht.“ Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Hildegard Bentele, begrüßte die deutlichen Worte: „Wir fordern schon lange eine konsequentere Anwendung des Bußgelds und dabei ein einheitlicheres Vorgehen der Bezirke.“

Schwänzen ist nur ein Symptom für ein anderes Problem Schulleiter Harald Leppler

Gleichzeitig gab Scheeres zu, dass die Gründe für die Schuldistanz sehr unterschiedlich seien. Nicht immer seien desinteressierte Eltern das Problem. Auch Mobbing könne eine Rolle spielen, psychische Probleme des Schülers oder ein schwieriges soziales Umfeld in der Schule selbst.

Deshalb soll es neben der Verschärfung im Schulgesetz noch andere Maßnahmen geben. So soll ein seit Jahren erfolgreich laufendes Projekt in Steglitz-Zehlendorf stadtweit ausgedehnt werden. Bei der „Diagnose Schulambulanz“ werden durch Schwänzen auffällig gewordene SchülerInnen aus ihrer normalen Schule herausgenommen und für einige Wochen in Kleingruppen von sechs bis acht Jugendlichen unterrichtet, die der Schulpsychologische Dienst im Bezirk betreut. der Steglitzer Schulleiter Harald Leppler, dessen Schule an dem Projekt beteiligt ist, am Montag betonte: „Schwänzen ist ja nur ein Symptom für ein anderes Problem.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Bemerkenswert! Es gibt nur zwei Möglichkeiten in Deutschland für Menschen die mit Schule nichts anfangen können. Entweder sie werden

    pathologisiert oder kriminalisiert (wie Schwule bis 1994, §175). Es darf in Anbetracht des Schulzwangs (seit 1938) natürlich nie die Schule selbst sein, die das Problem ist, sonst müsste man ja den Schulzwang abschaffen. Und das Gefasel, "Kinder können sich nur in der Schule sozialisieren", entpuppt sich bei näherer Betrachtung als idiotisch: das Vorbild für Schule ist eine Kaserne, Menschen (falsch, "Kinder", keine Menschen) meist gleichen Alters werden sortiert, kontrolliert und überwacht;

    während des Unterrichts dürfen "Kinder" nicht essen, trinken, aufs Klo gehen oder sich unterhalten.

  • Frau Scheeres ist muss zuerst ein Bußgeld gegen sich selbst verhängen. Mehrtausenfache Verstößen gegen der Schulpflicht geflüchteter Kinder durch systematisch verweigerte Schulplätze.

     

    Es gab in 2014/15/16 aus "Kapazitätsgründen" standardmäßg monatelange Wartefristen auf eine Schulplatz, manchmal ein halbes Jahr. Es gab und gibt unter vorsätzlichem Verstoß gegen die Schulpflicht vom Senat geförderte "Sprungbrettangebote" statt Schule.

     

    Reguläre Beschulung wurde und wird geflüchtete Kindern in Berlin vielfach verweigert. Sie werden bis heute teils über mehrere Jahre hinweg in "Willkommensklassen" geparkt und teils in Förderschulen separiert.

     

    Inklusion und Zugang zum Regelunterricht werden so verweigert.

  • Welche Sanktionen für die Eltern auch immer erfolgen, oder welche Unterstützung für die Kinder und Jugendlichen auch geboten wird - es herrscht Schulpflicht, und das ist gut so!!!

    Falls Eltern wenig Geld haben, wäre es vielleicht sinnvoller, sie in Aufgaben innerhalb der Schulen verpflichtend einzubinden, im Sinn von gemeinnütziger Tätigkeit zum Beispiel!