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Migrationsberatungszentrum in MarokkoTausendundkeine Beratung

Deutschland fördert die Rückkehr von Asylsuchenden mit „Migrationsberatungszentren“ im Ausland. In Casablanca steht nur eine Büroeinrichtung.

Casablanca im Westen Marokkos ist eigentlich für die giganteske Moschee Hassan II bekannt Foto: dpa

Casablanca taz | Es ist der aufgeräumteste Schreibtisch von Casablanca: Ein großer Arbeitsplatz mit makellos leerer Schreibtischplatte vor magentafarbener Wand. Ein paar Zettel, ein Telefon. Davor ein kleinerer Tisch mit zwei Stühlen, ein paar Broschüren. Kein Computer, keine Stifte, keine Schmierzettel. Eine ganz normale, wenn auch recht unbenutzt wirkende Büroecke – wäre da nicht dieses Banner, das darauf hinweist, dass hier ein deutsch-marokkanisches Projekt im Gange ist. Und geht es nach dem Bundesentwicklungsministerium in Deutschland, trägt dieser einfache Arbeitsplatz in der marokkanischen Arbeitsagentur Anapec sogar den stattlichen Namen „Migrationsberatungszentrum“.

Das deutsche Ministerium fördert mehrere solcher Zentren, sie sind Teil eines Rückkehrerprogrammes der Behörde: Menschen, die aus Deutschland in ihr Herkunftsland zurückreisen, sollen dort über Möglichkeiten informiert werden, zu Hause wieder Fuß zu fassen. Schon seit 2015 gibt es einen solchen Ort in Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo. Weitere Migrationsberatungszentren fördert das Entwicklungsministerium in Albanien, Serbien, in Tunesien und Ghana. Geplant sind auch Einrichtungen für Nigeria und den Senegal.

Mitte September, zehn Tage vor der Bundestagswahl, preist das CSU-geführte Ministerium den deutschen Wählern sein Projekt in Marokko an: „Ab heute können sich Rückkehrer in Marokko bei der Jobsuche beraten lassen. Mit deutscher Unterstützung wird in Casablanca ein Migrationsberatungszentrum eröffnet.“ Etwa 50 Menschen hätten sich schon bis Ende November beraten lassen, heißt es im Folgemonat aus dem Ministerium.

Nur: In Marokko sieht man das alles etwas anders. „Wer hat Ihnen diese Information gegeben?“, fragt Fatima Zahra Kannoue ungläubig. Die Leiterin der Arbeitsagentur Anapec in Casablanca sitzt in ihrem Büro im ersten Stock des Gebäudes im Stadtteil La Résistance und wirkt genervt. Wenn es nach der Anapec geht, ist die Büroecke im Erdgeschoss nämlich noch gar nicht eröffnet.

Doch nur der Projektbeginn

Das Zentrum sei „noch nicht betriebsbereit“, erklärt der Kommunikationsleiter der Anapec, Anouar Alaoui Ismaili. Die bisherigen marokkanischen Interessenten habe man mit ein paar ersten Informationen ausgestattet und kontaktiere sie noch einmal, wenn es richtig losgehe. „Wir waren sehr klar hinsichtlich der Kommunikation“, erklärt er. Man habe deutlich gemacht, dass es sich bisher nur um den Projektbeginn gehandelt habe.

Wer geht, wer muss gehen?

Freiwillig Mit dem wichtigsten Bund-Länder-Rückkehrerprogramm Reag/Garp sind von Januar bis Ende September des vergangenen Jahres insgesamt 24.569 Personen ausgereist. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag hervor. 18.406 dieser vom Programm geförderten Rückkehrer waren demnach abgelehnte Asylbewerber.

Unfreiwillig Abgeschoben wurden per Flugzeug im selben Zeitraum in Deutschland laut Antwort auf die Linken-Anfage insgesamt 16.700 Menschen, die zuvorderst nach Albanien, Kosovo und Serbien zurückkehren mussten. Marokko befindet sich auf Platz sieben der Zielländer. Hinzu kamen 1.453 Abschiebungen über den Land- oder Seeweg. Diese gingen überwiegend nach Polen, in die Tschechische Republik und nach Belgien. (taz)

Ein wichtiges Anliegen des Zentrums ist es, die Besucher zu legalen Migrationswegen nach Deutschland zu beraten – was in Marokko sehr viel deutlicher betont wird, als es das deutsche Entwicklungsministerium handhabt. In der französischsprachigen Pressemitteilung erwähnen die Marokkaner die Komponente der Rückkehr nicht einmal.

Genau diese Heimkehrer aber stehen verstärkt im Fokus der Deutschen. Bund und Länder versuchen zudem, Asylsuchende schon in Deutschland mit finanziellen Anreizen zur freiwilligen Rückreise zu bewegen. Geld lockt, um die Zukunft in Deutschland wieder aufzugeben. Die Höhe dieser Hilfen bemisst sich meist nach der Staatsangehörigkeit: Wer zum Beispiel visumfrei aus einem Drittstaat nach Deutschland eingereist ist, etwa aus einem der Westbalkanstaaten, kann durch das Reag/Garp-Programm die Kosten für die Rückreise erhalten. Ein erwachsener Gambier dagegen, eine Äthiopierin oder etwa ein Pakistaner kann unter anderem mit einer Starthilfe von 500 Euro für sich und 250 Euro für jedes Kind unter 12 Jahren rechnen.

Je nach Aufenthaltsstatus und Pass entscheidet sich, ob die Rückkehrer mit dem Programm StarthilfePlus weitere Prämien erhalten. Freiwillig ausreisenden Erwachsenen winken da noch einmal 800 bis 1.200 Euro, für Kinder unter 12 Jahren gibt es immerhin die Hälfte.

Es lockt Geld für die Ausreise

Außerdem lockt die zeitlich begrenzte Rückkehraktion „Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt!“. Rückkehrwillige können daraus noch bis Ende Februar zusätzliche Hilfen beantragen: 3.000 Euro soll es für Familien zum Beispiel für die Miete, für Bau- oder Renovierungsarbeiten geben oder für eine Grundausstattung aus Küche oder Bad.

Die Kosten für das Migrationsberatungszentrum im marokkanischen Casablanca werden allein vom Entwicklungsministerium getragen. Sie liegen nach dessen Angaben im Jahr 2017 bei insgesamt 80.000 Euro. In den folgenden drei Jahren werden Gesamtkosten in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro erwartet, bezahlt werden sollen damit auch Jobmessen, Bewerbungstrainings und die Schulungen der AgenturmitarbeiterInnen.

Ich hoffe, dass das Beratungs-zentrum im Mai/Juni betriebsbereit ist

Anouar Alaoui Ismaili

Auch weitere regionale Beratungsstellen sind in Marokko geplant, etwa in der Region Fès-Meknès im Norden des Landes. Bis dahin dauere es aber noch eine gewisse Zeit, betont Anapec-Sprecher Ismaili: „Ich hoffe, dass wir im Mai/Juni betriebsbereit sind.“ Spätestens dann werde das Zentrum in Casablanca natürlich auch mit Infotafeln und einem Webangebot beworben – bisher nämlich ist der Agentur ihr Angebot gar nicht anzusehen.

Ein rotes Band folgt in Casablanca dem nächsten

Ein menschenleerer Arbeitsplatz, Projektpartner, die sagen, das Zentrum sei noch nicht in Betrieb – man könnte fast darauf kommen, das deutsche Entwicklungsministerium habe ein wenig geflunkert. Nach den sichtbaren Ungereimtheiten gefragt, beharrt man dort aber auf seiner Sichtweise: Das Zentrum sei am 14. September mit einer feierlichen Zeremonie eröffnet worden, schreibt ein Sprecher der taz. Tatsächlich existieren Fotos von einer entsprechenden Zeremonie, etwa auf der Facebook-Seite der Deutschen Botschaft in Rabat. Der dortige Botschafter Götz Schmidt-Bremme hat also offenbar dabei geholfen, symbolisch ein rotes Band zu durchschneiden. Aber: Was die Deutschen als festliche Eröffnung verkaufen, nennt die marokkanische Seite längst nicht so. Für sie war das nach Aussage Ismailis lediglich ein lancement – also so etwas wie die Einführung des Projekts.

Das Entwicklungsministerium schreibt zu den unterschiedlichen Darstellungen: „Seitdem haben rund 50 Beratungsgespräche stattgefunden. Wie es zu möglicherweise anderslautender Darstellung vor Ort kommen konnte, klären wir derzeit mit unseren marokkanischen Partnern.“

Ein Montag im „Migrationsberatungszentrum“: Ein Tisch, ein paar Stühle – keine Berater, keine Kunden Foto: Eva Oer

Dabei kennen auch die deutschen Ansprechpartner vor Ort den Stand. Das Entwicklungsministerium hat die bundeseigene Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit mit dem Projekt beauftragt. Deren Mitarbeiterin Anna Wittenborg und die für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Mitarbeiterin aus der Deutschen Botschaft in Rabat, Antje Göllner-Scholz, haben den Besuch in Casablanca begleitet.

Wittenborg erklärt zwar, es seien schon die ersten Personen zur Beratung in die Agentur gekommen. Sie sagt aber auch, dass dies Versuchsmaßnahmen seien. Erst mit der Markteinführung gebe es Sprechzeiten und auch mehr Personal. Dem Partner in Marokko sei es wichtig, dass es langsam gehe und es nicht sofort zu einem riesigen Ansturm komme, betont Wittenborg.

Von solchen Widersprüchen lässt man sich in Berlin bei der Öffentlichkeitsarbeit nicht stören: Mittlerweile sollen nach Angaben des Entwicklungsministeriums die Gespräche mit den marokkanischen Partnern tatsächlich stattgefunden haben. Ein Sprecher weist darauf hin, dass es „eine weitere Eröffnungszeremonie“ geben soll, wenn das landesweite Beratungsnetz stehe. „Die Beratungsleistungen am bereits bestehenden Standort werden zwischenzeitlich uneingeschränkt weitergeführt“, schreibt er.

Aber immerhin, eines ist nicht abzustreiten: Das Migrationsberatungszentrum verfügt zumindest schon über einen sehr geordneten Schreibtisch.

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