Nach Untreue-Verdacht gegen Bosse: Weniger Geld für VW-Betriebsräte
Die Arbeitnehmervertreter müssen happige Einbußen hinnehmen: So will der Konzern den Vorwurf, sie sollten gefügig gemacht werden, entkräften.
Immerhin erschütterte erst vor gut einem Jahrzehnt die unschöne Affäre um geheime Boni und Lustreisen auf Firmenkosten für die Arbeitnehmervertreter den Konzern. Als ob das nicht genug wäre: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt seit Mai 2017 erneut wegen des Anfangsverdachts der Untreue bei Zahlungen an die Betriebsräte – gegen hohe VW-Manager, die damit möglicherweise die Arbeitnehmervertreter unzulässig beeinflussen. Mitte November durchsuchten Staatsanwälte und Steuerfahnder deshalb sogar die Büros der VW-Führungsspitze. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich nicht gegen Osterloh und seine Kollegen.
Allerdings haben die VW-Bosse nun offenbar genug von den Unterstellungen – und kürzen 14 übertariflich vergüteten Betriebsräten im Haus die Bezüge. „Wir bedauern, dass Mitglieder unseres Betriebsrats und Vertreter des Unternehmens dieser Situation ausgesetzt sind“, sagte VW-Vorstandschef Matthias Müller am Freitag in Wolfsburg. Volkswagen zahle einem kleinen Kreis von Betriebsräten vorläufig nur noch eine Vergütung bis zur obersten tariflichen Stufe. Das bedeutet zum Teil happige Kürzungen. Die betroffenen Betriebsräte werden bisher weit über Tarif bezahlt. Auch die teilweise üppigen Jahres-Bonuszahlungen liegen nun auf Eis. Die Regelung gilt rückwirkend zum 1. Dezember.
Die besondere Stellung des Betriebsrats bei Volkswagen hat auch mit der starken Stellung des Landes Niedersachsen im Konzern zu tun. Die Landesregierung in Hannover hält etwa 20 Prozent an VW – deshalb hatten vor allem SPD-Ministerpräsidenten die Arbeitnehmer bei VW lange unterstützt. Zur Erinnerung: Über die Betriebsratsaffäre stürzte auch der vom einstigen Ministerpräsidenten und späteren Kanzler Gerhard Schröder protegierte VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz.
Heftige Einbußen für den Betriebsratschef
Für Osterloh sind die Einbußen heftig: Sein Jahres-Grundgehalt betrug nach eigenen Aussagen bisher rund 200.000 Euro – nach der Deckelung liegt das Grundgehalt nur noch bei rund 96.000 Euro. In der Spitze hatte er, auch wegen saftiger Bonus-Zahlungen, einmal 750.000 Euro verdient.
Der 61-Jährige steht – als indirekte Folge des Betriebsratsskandals – seit 2005 an der Spitze des Gremiums und ist als Mitglied im Präsidium des Aufsichtsrats und als stellvertretender Aufsichtsratschef einer der einflussreichsten Personen im Konzern. Er wurde bisher vergleichbar zu einem Bereichsleiter bei VW bezahlt, also einem Mitglied der mittleren Führungsebene unterhalb der Marken- und Konzernvorstände.
VW erklärte mit Blick auf die Ermittlungen, das Unternehmen habe sich dazu entschlossen, diese „für alle Beteiligten belastende Situation“ schnellstmöglich zu klären. „Wir danken den Betriebsräten ausdrücklich, dass sie diesen Schritt mittragen“, sagte Müller. Insgesamt gibt es 262 Betriebsräte im Konzern. Mehr als 90 Prozent von ihnen wurden bislang nach Tarif bezahlt – und sind somit nicht von Kürzungen betroffen.
Das Betriebsverfassungsgesetz lasse in Bezug auf die Entgeltfestsetzung von Betriebsräten wichtige Fragen unbeantwortet, sagte Müller. Er kündigte an, mit Nachdruck eine „proaktive“ rechtliche Klärung anzustreben. Ein Sprecher sagte, dies könne etwa ein Schiedsverfahren mit einem externen und unabhängigen „Schiedsrichter“ sein.
Osterloh kritisiert die Kürzungen
Im Gesetz heißt es sinngemäß, dass Betriebsratsmitglieder nicht weniger verdienen dürfen als vergleichbare Mitarbeiter mit einer für den Betrieb üblichen Entwicklung. Das Problem aber ist, dass ein Unternehmen bei freigestellten Betriebsräten, zumal wenn sie diese Tätigkeit lange ausüben, „hypothetische Karriereverläufe“ feststellen muss. Dies geschieht bei anderen Konzernen beispielsweise dadurch, dass die Betriebsräte sich einen „normalen“ Arbeitnehmer auswählen, an dessen Gehaltsentwicklung sich die ihre orientiert.
Der VW-Konzernbetriebsrat erklärte, der Schritt des Vorstands sei nötig, um eine rasche arbeitsrechtliche Klärung vorantreiben zu können. „Die Entscheidung minimiert strafrechtliche Risiken für die verantwortlichen Manager.“ Aus Sicht des Betriebsrats steht das vom Unternehmen festgelegte Gehalt etwa Osterlohs im Einklang mit rechtlichen Vorgaben, dies werde durch externe Gutachten bestätigt.
Osterloh selbst äußerte in einem Interview auf der Homepage der IG Metall bei Volkswagen Kritik am Schritt des Vorstands. „Ich denke, dass hier jetzt nach der jüngsten Aktion der Braunschweiger Staatsanwaltschaft einige im Unternehmen auf 110 Prozent sicher gehen wollen. Deshalb gibt man strafrechtlichen Befürchtungen eine höhere Priorität als arbeitsrechtlichen Würdigungen, die von anerkannten Experten stammen“, wird er dort zitiert.
Die strafrechtlichen Berater des Vorstands hätten empfohlen, jedes Risiko auszuschließen. „Und in diesem Fall heißt das für einige Betriebsräte, die bislang eine Management-Vergütung bekommen haben, dass ihr Entgelt erst mal reduziert wird.“ Die 14 vom Schritt des Vorstands betroffenen Betriebsräte fielen nun in die oberste Tarifstufe zurück. „Das sind etwa 8.000 Euro pro Monat“, sagte Osterloh.
Er betonte, alle renommierten Arbeitsrechtler seien sich einig, dass der Gesetzgeber klare gesetzlichen Vorgaben machen sollten. Er fügte hinzu, ihm würden „von vielen Seiten Managementqualitäten zugeschrieben. Ich stecke oft privat zurück und arbeite regelmäßig mindestens 70 Stunden die Woche“. Er denke, seine Eingruppierung im Management vergleichbar zu einem Bereichsleiter sollte „in Ordnung“ sein. Der Betriebsratschef hatte im Jahr 2015 das Angebot abgelehnt, Personalchef bei VW mit einem Millionengehalt zu werden. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution
Die Wahrheit
Lindners Plan