Jaroslaw Kaczyńskis Polen: Radikaler Regierungsumbau
Bis auf den Justizminister mussten alle umstrittenen Minister in Polen gehen. Die EU signalisiert noch am selben Tag Dialogbereitschaft.
Das Neue
Der Umbau fiel radikal aus: Gehen mussten der widersprüchliche Außenminister Witold Waszczykowski, der verschwörungstheoretische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der Urwald abholzende Umweltminister Jan Szyszko und der für rigide Sexualmoral bekannte Gesundheitsminister Konstanty Radziwiłł. Auf dem Posten blieb hingegen Justizminister Zbigniew Ziobro, der Staatsanwälte und Richter abberufen und ernennen darf.
Daneben gibt es auch strukturelle Änderungen: Demnächst wird es kein Digitalisierungsministerium mehr geben und das sogenannte Superministerium, das bislang von Mateusz Morawiecki allein geführt wurde, wird demnächst wieder in drei Ministerien aufgeteilt – Finanzen, Unternehmertum und Technologie sowie Investitionen und Wirtschaftsentwicklung. Die Regierungsumbildung trägt ganz klar die Handschrift des ehemaligen „Superministers“. Er hatte bereits am 11. Dezember 2017 das Amt des Regierungschefs von Beata Szydło übernommen.
Der Kontext
Polens Regierung hatte noch nie ein schlechteres Image im Ausland. Szydło, seit dem Sieg der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Winter 2015 Premier, hatte keinerlei Einfluss auf die Zusammensetzung ihres Kabinetts. PiS-Chef Jaroslaw Kaczyński schickte sie nach dem Wahlkampf erst mal in Urlaub – und stellte die Regierung zusammen.
Auch in den folgenden zwei Jahren blieb das Machtzentrum Polens in der PiS-Zentrale. Alle Fäden liefen bei Kaczyński zusammen, Szydło, die unfähig war, Streit zwischen den Ministern zu schlichten, Kompetenzstreitigkeiten zu klären oder auch nur eine für ihr Kabinett verbindliche Agenda zu setzen, kündigte schließlich eine „Rekonstruktion der Regierung“ an. Doch die zog sich über Monate hin. Das Namenskarussell drehte sich immer schneller. Am Ende blieb nur eine auf der Strecke: Szydło. Am 8. Dezember reichte sie ihren Rücktritt ein. Zwar blieb sie im Kabinett, aber lediglich als Ministerin ohne Geschäftsbereich.
Die Reaktionen
Der große Sieger der Regierungsumbildung ist Präsident Andrzej Duda. Der hatte sich bis zuletzt für die Entlassung von Verteidigungsminister Macierewicz eingesetzt. Der Kaczyński-Mann hatte im Juni 2017 eine Sicherheitsüberprüfung von Dudas Militärberater General Jarosław Kraszewski angeordnet und ihm dem Zugang zu Geheimakten gesperrt. Da die Begründung Duda nicht überzeugte, ernannte er seitdem keine von Macierewicz vorgeschlagenen Generäle mehr.
Entsprechend drückte Duda insbesondere dem neuen Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak mit großer Erleichterung die Hand. Auch Bohdan Pękacki, Programmdirektor von Greenpeace Polska, hofft, dass nach der Abberufung des „schlechtesten Umweltministers Polens“ der Białowieża-Urwald vor weiterem massiven Holzeinschlag geschützt werden könne und auch die Klimapolitik Auftrieb erhalte.
Die Konsequenz
Ob es Morawiecki mit dem neuen Kabinett gelingt, die Politik Polens wieder in ruhigere Bahnen zu lenken, ist offen. Ein Signal an die EU, den Dialog mit weniger umstrittenen Ministern fortzuführen, ist es in jedem Fall. Die Europäische Kommission betonte noch am gleichen Tag, dass ihr am Dialog gelegen sei und sie die aufgelaufenen Probleme konstruktiv gemeinsam mit Warschau lösen wolle.
Die Regierungsumbildung hat auch im Land Signalwirkung: In zwei Jahren stehen Neuwahlen an, die die PiS gewinnen will. Nur einer könnte dem Neuanfang entgegenstehen: Parteichef Kaczyński. Bisher deutet nichts deutet darauf hin, dass er auch nur ein Quäntchen von seiner Macht abgeben will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Plan für Negativ-Emissionen
CO2-Entnahme ganz bald, fest versprochen!