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Kommentar Sexualstraftäter in PolenPopulismus statt Opferschutz

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Auch ehemalige Sexualstraftäter haben ein Recht auf Privatsphäre. Prävention wäre sinnvoller, als sie an den Pranger zu stellen.

Wie schützt man Kinder am Besten vor pädophilen Erzieher*innen? Foto: dpa

E s gibt Vergewaltiger, die auf scheußliche Art und Weise ihre Opfer quälen. Und es gibt Sexualstraftäter, die gezielt die Nähe zu Kindern suchen, etwa als Pädagogen oder Sporttrainer, um ihnen schließlich Gewalt anzutun. Einige dieser Verbrecher wurden überführt, verurteilt, saßen im Gefängnis – und tun es dennoch wieder und wieder.

Ja, es ist frustrierend, dass es nicht gelingt, die Gesellschaft sicher und dauerhaft vor solchen Tätern zu schützen. Und ja, es macht wütend zu hören, dass da mal wieder ein pädophiler Erzieher in einem Jugendprojekt untergeschlüpft – oder ein frisch aus der Sicherungsverwahrung Entlassener rückfällig geworden ist.

Die Idee hinter der Sexualstraftäterdatenbank, die zum Jahresanfang in Polen online ging und in der Angaben zu 2.600 Sexualtätern für bestimmte Institutionen und Behörden zugänglich sind, scheint grundsätzlich nachvollziehbar: Wenn Verantwortliche in Jugendämtern oder Schulen einsehen können, dass jemand wegen Herstellung von Kinderpornografie oder schwerer Vergewaltigung gesessen hat, können sie Kinder (und Erwachsene) vor diesen Leuten schützen. Ein effektiver Opferschutz?

Leider nicht. Einen hundertprozentigen Schutz vor Straftaten gibt es auch dann nicht, wenn man verurteilte Täter an den Onlinepranger stellt. Wohl aber haben auch diese Menschen ein Recht auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte und Schutz ihrer Privatsphäre. Diese Grundrechte wirft Polen aber gerade über Bord. Denn wie sicher sind solche sensiblen Daten, sobald sie einmal online sind?

Außerdem hat die Datenbank noch einen zweiten, öffentlichen Bereich, in dem 800 Täter mit Name, Adresse und Foto kenntlich gemacht werden. Auf sie ist die Jagd jetzt eröffnet. Das ist nicht human. Und bringen wird es auch nichts, denn neue Straftäter wird es auch in Zukunft geben. Gewalt stirbt nicht aus, indem man ein paar Täter vernichtet. Prävention und Aufklärung sind wichtiger. Aber der polnischen PiS-Regierung scheint es allein um den populistischen Effekt zu gehen.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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4 Kommentare

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  • Das typische, ‚ja aber’ das ihr immer den ‘besorgten’ vorwerft. Wer diese Täter schützt kann nur in seiner Ideologie gefangen sein und braucht vielleicht selbst Hilfe.

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Prävention klappt aber oft nicht. Siehe Deutschland, wo bereits des Öfteren passiert ist, dass Täter rückfällig werden. Vielleicht haben die Polen hier eine gute Idee, die klappt und weitere Opfer verhindert. Darüber hinaus denke ich, dass der Schutz der Allgemeinheit über der Recht auf Privatsphäre eines Vergewaltigers liegt. Das ist auch legitim, wir haben auch in D Rechtsgüterabwägung.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @97796 (Profil gelöscht):

      Das hat doch nichts mit Schutz vor weiteren Opfern zu tun sondern allein mit Populismus. Es ist ein indirekter Aufruf zur Lynchjutiz.

       

      Aber machen wir uns nichts vor. Es gibt auch in Deutschland genug Befürworter dafür....

    • @97796 (Profil gelöscht):

      Wenn ein Sexualstraftäter rückfällig geworden ist hat hier nicht die (in Deutschland kaum vorhandene) Prävention versagt sondern die Resozialisierung. Die meisten Pädophilen merken lange vor der ersten Tat, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Und außer in ein paar Städten wie Berlin die man an einer Hand abzählen kann fehlt ihnen jegliche Anlaufstelle um präventiv selbst die Initiative zu ergreifen. So viel zum Thema Prävention. Die Resozialisierung in Deutschland ist nicht viel besser. Wer glaubt eine schwerwiegende sexuelle Störung wie Pädophilie mit dem Finanz- und Personalschlüssel für Leute mit "Burn-out" behandeln zu können sollte sich vielleicht mal in eine Psychologievorlesung als Gasthörer setzen denn offensichtlich mangelt es schon am Hauch von Wissen über die menschliche Psyche. Darüber hinaus muss man unterscheiden zwischen pädophilen Triebtätern und sadistischen Tätern. Bei kaum einem Verbrechen wird so wenig differenziert in der öffentlichen Debatte. Würde man in der #metoo Debatte so argumentieren jeder Mann der eine Frau dumm und mutmaßlich sexistisch abgebaggert hätte stände auf einer Stufe mit Herrn Weinstein.

      Und nun zum letzten Punkt. Ja wir haben Rechtsgüterabwägung. Dazu gehört das Recht auf Chance zur Resozialisierung, das Recht auf Privatsphäre das Recht auf einen fairen Prozess etc etc etc. Was rechtfertigt es ihrer Meinung nach eine Person die ihre Strafe erhalten hat danach am öffentlichen Pranger zu belassen? Die reine Möglichkeit er könnte eine Straftat begehen? Dann bitte permanente Kontoüberwachung für Steuerhinterzieher, live-tracking für Temposünder und Verkehrsgefährder.

      Aber den Sarkasmus mal beiseite, sie sollten wirklich mal ein bisschen Staatsphilosophische und juristische Bildung nachholen bevor sie hier hochtrabend der Barbarei das Wort reden und dabei Begriffe wie Rechtsgüterabwägung ins Feld führen. Ist nicht böse gemeint aber ihr "Statement" würde uns umgesetzt gesellschaftlich um etwa 150-200 Jahre zurück werfen.