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Bundeswehr-YouTube-Serie „Mali“Skorpione und Klappklos

So nah dran an den Soldaten wie in den YouTube-Filmen von „Bundeswehr exclusive“ ist man selten. Verklärt haben sie den Mali-Einsatz nicht.

Beim Absturz eines Bundeswehr-Helikopters starben in Mali zwei deutsche Piloten. In der Webserie wird das nicht verschwiegen Foto: dpa

Aufrechte Linke wussten natürlich schon vorher, dass nur Mist rauskommt, wenn die Bundeswehr für sich wirbt. Unrealistisch, verklärend, unkritisch: Das war das Urteil der taz, als die Armee im Oktober zu Zwecken der Nachwuchsgewinnung ihre neue YouTube-Serie startete. In zehnminütigen Folgen mit Titeln wie „Alarm im Camp“ oder „Ausfahrt zu den Milizen“ zeigte die Bundeswehr seitdem den Einsatzalltag ihrer Soldaten in Mali.

Jetzt endete die Werbekampagne mit Episode 29 („Die Rückreise“) – und wer sämtliche Folgen gesehen hat, muss sein Urteil vielleicht revidieren. So schlimm wie erwartet war die Serie nämlich gar nicht. Um ehrlich zu sein, war sie sogar richtig sehenswert.

So nah dran an den Soldaten wie in diesen YouTube-Filmen ist der Zuschauer sonst selten. Journalistische Reportagen über Auslands­einsätze beschränken sich oft auf das Leben im Feldlager. Den eigenen Kameraleuten gewährte die Bundeswehr dagegen auch den Zugang zu Patrouillenfahrten; in brenzligen Situationen filmten sich die eingesetzten Soldaten mit Handkameras auch einfach mal selbst.

Mit der professionellen Distanz von Journalisten gingen die Macher natürlich nicht an die Sache heran. Eine Werbekampagne bleibt eine Werbekampagne. Verklärt haben sie den Einsatz deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Die Zuschauer bekamen auch Inhalte zu sehen, die potenzielle Rekruten eher abschrecken als anlocken könnten. Los geht das mit der Trennung von der Familie während des Einsatzes (Hauptfeldwebel Marko vor dem Abflug: „Es wird sehr, sehr schwer“).

Weiter geht es mit den hygienischen Bedingungen während einer Operation in der Wüste (vier Tage ohne Dusche bei über 40 Grad, Nachtlager mit Skorpionen und Kamelspinnen, Kacken durchs Klappklo auf den Sand). Und es endet mit dem Absturz eines Bundeswehr-Helikopters, bei dem während der Dreharbeiten zwei deutsche Piloten starben. Der Zuschauer ist dabei, als die ersten Soldaten im Panzerwagen zur Absturzstelle fahren. „Das ist keine schöne Erfahrung, die wir jetzt machen werden“, sagt einer von ihnen.

Unrealistisch? Verklärung? Nicht wirklich. Für die Armee ergäbe das in der Kosten-Nutzen-Rechnung auch überhaupt keinen Sinn: Wer nach einem halben Jahr im Dienst schon wieder abspringt, verursacht der Bundeswehr nur Kosten. Wer sich bei ihr bewirbt, soll also von vornherein wissen, was ihn erwartet. Die Serie auf YouTube zeigt es.

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6 Kommentare

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  • Keine Angst liebe Taz, die unrealistischen und emotionalen Videos gibt es auch weiterhin, nur eben nicht zur Personalgewinnung. Hier z.B. das aktuelle Werbevideo des BDSV (deutsche Rüstungsindustrie) für das die BW gerne Gerät und Soldaten gestellt hat. https://youtu.be/RdUsUNoGhvY

    Und selbst der dämliche Werbespruch ist aus den 1970 kopiert.

    • @Sven Günther:

      Inwiefern war denn die Maliserie unrealistisch?

       

      Ansonsten ist der BDSV-Spot doch ein etwas anderes Genre.

      • @Marius:

        Die Serie ist nicht unrealistisch, sie ist, wie geschrieben, eine Serie zur Personalgewinnung. Es ist ein sowohl als auch, es gibt seit einigen Jahren die realistischen und auch weiterhin die unrealistischen Formate. Sie kennen doch bestimmt die neuen Werbeplakate der BW, eins davon zeigt eine Marinesoldatin vor einem U-Boot und es werden Offiziere m/w gesucht. Das keins der 6 deutschen U-Boote einsatzfähig ist geschenkt. Aber es gibt, m.W. nach keine Kommandantin eines U-Bootes und genau 1 Offizirin, nämlich einen weiblichen I. oder II. Wachoffizier, man zeigt also eine absolute Ausnahme.

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @Sven Günther:

          Naja das Ziel ist es irgendwann 50% Frauen zu haben, dementsprechend spricht man Frauen an, daran ist nichts verwerflich.

          • @83379 (Profil gelöscht):

            Ja sicher, vielleicht 2200. Die Bundeswehr hat aktuell, Zahlen von Oktober 2017 170.089 Berufs- und Zeitsoldaten und 8.758 Freiwillig Wehrdienstleistende, davon sind 21.100 Frauen, also 11,79%. Zum Vergleich, die BW hatte im Januar 2013 18.599 Soldatinnen. Also sind es in 5 Jahren 2.501 Soldatinnen mehr geworden, bei einem sehr hohen Werbeaufwand. Die von Ihnen benannten 50 % wären aktuell 89.424, bei 2500 Soldatinnen mehr pro 5 Jahre, wird das etwas mehr als 130 Jahre Dauern.

            • 8G
              83379 (Profil gelöscht)
              @Sven Günther:

              Ich wollte nur deskriptiv darlegen warum das gemacht wird. Ich bin sowieso der Ansicht das wir als Republik eine Wehrpflichtigen Armee haben sollten in der jeder Bürger 1 Jahr lang dienen muss (mit der Möglichkeit des Sozialdienstes für jene die Gewal ablehnen oder körerplich ungeignet sind) und erst nach diesem Jahr bekommt man die Bürgerrechte und das Wahlrecht.