piwik no script img

Kommentar Regierungskrise in IrlandErinnert doch an was

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Die Vize-Premierministerin Frances Fitzgerald muss gehen, um den Sturz der Regierung zu verhindern. Eine Neuwahl könnte es dennoch geben.

„Put your hands on the wheel, let the golden age begin“: Frances Fitzgerald nach dem Rücktritt Foto: dpa

D as ist das Gute an einer Minderheitsregierung: Sie kann nicht alles aussitzen. Irlands konservative Fine-Gael-Regierung, die bisher von der ebenso konservativen Fianna Fáil gestützt wird, musste am Dienstag die stellvertretende Premierministerin Frances Fitzgerald opfern, um einem Misstrauensvotum und ihrem Sturz zu entgehen.

Leo Varadkar, der „Taoiseach“, wie der Premierminister auf Irisch heißt, ist angeschlagen. Bei der ersten Krise seit seinem Amtsantritt im Juni hat er kläglich versagt. Dass er versucht hat, eine vollkommen diskreditierte Parteifreundin bis zum Schluss zu stützen, nehmen ihm sogar in seiner gewiss nicht zimperlichen eigenen Partei viele übel.

Es geht um einen Whistleblower bei der irischen Polizei, der Skandale und Korruption bei der Truppe offengelegt hat. Die Polizeiführung begann daraufhin eine breit angelegte Rufmordkampagne, von der Fitzgerald angeblich nichts wusste. Am Montag tauchten E-Mails auf, die belegten, dass die 67-Jährige sehr wohl von Anfang an unterrichtet war. Sie habe sich nichts zuschulden kommen lassen, behauptete sie dennoch unverfroren, trete aber zurück, um destabilisierende Neuwahlen zu verhindern.

Die Tage der Regierung sind trotzdem gezählt. Noch wartet Fianna Fáil „im Interesse der Nation“ ab, damit die Regierung in Ruhe die Brexit-Verhandlungen führen kann, bei denen es Mitte Dezember vor allem um die innerirische Grenze geht. Im Interesse der Nation?

Darum haben sich die beiden großen Parteien noch nie geschert, sondern stets um ihre eigenen Vorteile. Beide Parteien gehören zum Korruptesten, das die europäische Politik zu bieten hat. Das ist in der Vergangenheit immer wieder ans Licht gekommen.

Es wird Zeit, dass sich die Nation um ihr eigenes Wohl kümmert. Aber es ist zu befürchten, dass sie bei den wohl unvermeidlichen Neuwahlen, die noch vor dem Sommer stattfinden werden, abermals aus historischer Loyalität denselben Misthaufen wählt – höchstens mit anderen Fliegen drauf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Herr Sotscheck, Ihre Fliegen-Scheißhaufen-Metaphorik mag ja zu den gruseligen Zeiten von Charlie Haughey und Bertie Ahern passen, Leo Varadkar tun Sie damit aber doch etwas unrecht. Er steht immerhin für ein Ausmaß an gesellschaftlichem Fortschritt in der früheren "Banana Republic" - Stichwort Ehe für Alle, das vor ein paar Jahren noch nicht denkbar gewesen wäre.

    • @Kunz:

      Naja, vielleicht muss man ja einfach eine besonders dicke Fliege sein, um auf einem Misthaufen etwas zu werden?