Rechte Anschläge in Bremen: Hass und schwarze Farbe
Nach Anschlägen auf die jüdische Gemeinde Bremerhaven gab es jetzt zwei weitere Attacken auf Bremer Gedenkorte, zuletzt auf den Bunker Valentin
BREMEN | Unbekannte haben eine Betonmauer am Bunker Valentin besprüht: „Stoppt den Schuldkult“ prangt in schwarzen Lettern über die gesamte Mauerbreite. Am Dienstag, einen Tag vor Entdeckung der Schmiererei, hatte die SPD-Bürgerschaftsfraktion einen neuen Bericht über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Bremen angefordert mit dem Verweis auf „neu entstandene Phänome und Gruppierungen wie die Reichsbürger sowie die Identitäre Bewegung und die Junge Alternative“.
Deren Mutterpartei hat den Begriff „Schuldkult“ spätestens im Rahmen des Bundestagswahlkampfs aus seinem Szene-Dasein befreit: Mehrere AfD-PolitikerInnen hatten in diesem Rahmen die Erinnerung an den Nationalsozialismus öffentlich so bezeichnet.
Und, welch ein Zufall: Am 24. November hat ihn die Junge Alternative (JA) Bremen auf ihrer Facebook-Seite verwendet – ausgerechnet zum Thema Bunker Valentin. Bezug nehmend auf einen Artikel im Weser-Kurier, der sich mit Projekten für Bremen-Nord beschäftigt, zu denen auch die Idee einer Weiterentwicklung des Denkorts Valentin gehört, äußert sich die JA folgendermaßen: „(…) Hier wird gar nicht erst versucht aus Bremen-Nord eine Zukunftsperspektive abzuleiten, sondern rigoros der Schuldkult zum täglichen Zelebrieren ausgebaut. (…) Wir sind es, die treudeutsche Jugend, die zukunftsgerichtet und mit nötiger Distanz auf unsere Geschichte blickt und wir stellen uns entschieden gegen jeglichen ‚Mahnurlaub‘ und ‚Schuldkulttourismus‘.“
Er wisse nicht, wer für die Schmierereien verantwortlich sei, sagt Marcus Meyer vom Denkort Bunker Valentin, „aber die inhaltliche Richtung passt natürlich zur AfD und der Identitären Bewegung – das ist deren Narrativ.“ Farge und Rekum seien in Bremen Schwerpunktgebiete der Identitären Bewegung und sogenannter „Reichsbürger“ und immer wieder fänden sich im Bunker-Umkreis Aufkleber der rechtsextremen „Farge Ultras“.
Erst am vergangenen Wochenende gab es, ebenfalls in Bremen-Nord, einen Farbanschlag auf einen Gedenkort: Am Jenny-Ries-Platz in Blumenthal, der an die in Treblinka ermordete Kauffrau erinnern soll, wurde der Namenszug mit schwarzer Farbe übermalt. „Ich habe keine Ahnung, wer das war“, sagt dazu Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD). Er habe sich schon vor langer Zeit dazu entschieden, „irgendwelchen Nazis nur noch mit Mitleid zu begegnen – besser, man schenkt ihnen Mitleid als Wut. Sonst wertet man die nur auf.“
Das Bündnis „Gesicht zeigen für ein weltoffenes Bremerhaven“ nimmt die Sache ernster. Denn zwei Anschläge innerhalb von drei Monaten trafen die jüdische Gemeinde Bremerhaven: Im August wurde der Gedenkstein der alten Synagoge mit einem Hammer zertrümmert und vorletzte Woche wurde mit schwarzer Farbe ein Hakenkreuz an die Synagoge geschmiert.
Für Bündnis-Mitglied Patrice Hannig von der sozialistischen Jugend „Falken“ sind die Anschläge „Zeichen für den wachsenden Antisemitismus und „Auswuchs eines bundesweiten Trends durch erinnerungspolitische Relativierungen solcher Leute wie Höcke und Gauland“. Das mache sich auch bemerkbar im sogenannten „sekundären Antisemitismus“: „Da heißt es, die Juden seien Schuld daran, dass Deutsche nicht stolz auf ihr Land sein dürften.“
Auffällig sei, dass in Bremerhaven die Anzahl der Plakate und Aufkleber der NPD, von Rechtsrock-Bands und -Labels, „aber auch von AfD, Reichsbürgern oder der Identitären Bewegung sichtbar zugenommen hat“.
Das Bündnis, ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Gruppen, Kirchen, Gewerkschaften und Initiativen, veranstaltet am Montagnachmittag eine Mahnwache mit Redebeiträgen von Mircea Ionescu, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, und vom evangelischen Pastor Werner Keil. „Bereits seit dem ersten Anschlag fühlt sich die jüdische Gemeinde nicht mehr sicher – wir wollen ihr den Rücken stärken und unsere Solidarität zeigen“, sagt Hannig.
Wegen der Hakenkreuz-Schmiererei ermittelt jetzt der Staatsschutz, die Synagoge soll durch Videoüberwachung und verstärkter Polizeipräsenz geschützt werden, „aber dem Anschlag im August ist meiner Meinung nach nicht sonderlich genau nachgegangen worden“, sagt Hannig. Schnell habe damals die Polizei von einem „psychisch verwirrten Täter“ gesprochen. „Aber das war ja nicht irgendetwas, sondern ein Gedenkstein, auf den da massiv eingeschlagen wurde.“
Mahnwache „Gesicht zeigen gegen Antisemitismus in Bremerhaven“: Montag, 11.12., 17 Uhr, Alte Synagoge, Schulstraße 5, Bremerhaven
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Humanitäre Lage im Gazastreifen
Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter