: Leben und leben lassen
Nach sieben Jahren schließt der Klub Golem am Hamburger Fischmarkt
Von René Martens
Wer sich am Wochenende ins Getümmel des Golem stürzt, auf der Suche nach Techno und House und ein bisschen Exzess, hat mit nachfolgend erwähnten Herren für gewöhnlich wenig am Hut. Dabei zählen der Historiker Hannes Heer, der Konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza und der Theaterregisseur Thomas Ebermann zu den meistgebuchten Gäste des Klubs am Hamburger Fischmarkt.
Die drei linken Veteranen saßen jeweils sechs- beziehungsweise siebenmal auf dem Podium. Aber es war ja gerade diese Mischung aus im besten Sinne disparaten Programmelementen, die den Reiz des Klubs ausmachten, der von Freitag bis Sonntag unter dem Motto „Die Schönheit des Niedergangs“ seinen Abschied feiert.
Mal hieß das Motto „Inşallahta Mista“ – dahinter verbarg sich „nonstop gesunde Musik von staubigem Vinyl aus sieben muslimischen und neun nichtmuslimischen Ländern sowie weitere interkommunale Banger“, aufgelegt vom Outernational-DJs Booty Carrell, mal wurden „staatsfromme Keynesianer“ attackiert oder über „Klassenkampf im Dunkeln“ diskutiert. Nicht zu vergessen, dass das Golem ein Ort war für tendenziell radikalen Jazz (präsentiert in der Reihe „Fat Jazz“), für spezielle Filme, wie etwa kürzlich „Pictures coming to eat you – Denk ich an Deutschland in der Nacht“, Romuald Karmakars aktueller Dokumentarfilm über fünf Protagonisten der elektronischen Tanzmusik. Und, ach ja, natürlich auch für ambitionierte Cocktail- und Longdrink-Kreationen beziehungsweise „serious drinking“, wie die Macher es selbst formulierten.
Thorsten Seif, Geschäftsführer des dem Golem herzlich verbundenen Labels Buback Tonträger und als DJ hin und wieder selbst im Klub im Einsatz, sagt: „Mich spricht so eine Mischung total an. Aber in der Gastronomie scheint es ähnlich zu sein wie bei Labels. Aus ökonomischer Sicht ist es sinnvoller, dass man sich spezialisiert.“
Es scheint nicht möglich zu sein, dass mit dem Goldenen Salon im Hafenklang, dem wiedereröffneten Golden Pudel Club drei verwandte Locations auf engem Raum existieren können. Das sei „ein Armutszeugnis für Hamburg“, sagt Oke Göttlich, Mitgründer des Digitalmusikvertriebs Finetunes und Präsident des FC St. Pauli.
Die Gründung des Golem sei vor sieben Jahren neben vielem anderen eine Reaktion auf einen „blinden Fleck der politischen Linken“ gewesen, nämlich „ihr funktionales Verhältnis zur Ästhetik“, sagt Mitgründer Alvaro Pina Otey. „Abgesehen davon, dass die Linke Ästhetik als Vehikel für Propaganda gesehen hat, hat sie sich in der Regel nicht damit inhaltlich auseinandergesetzt“, erläutert der Gastronom, der heute Betreiber der Restaurants Carmagnole und Cantina Popular im Schanzenviertel ist.
Golem-Fan Eva Brenner
Teil eines im weiteren Sinne politischen Anspruchs des Golem war es auch, Mitarbeiter und Mitwirkende korrekt zu bezahlen. Hört man sich unter jenen um, die im Golem debattierten oder aus ihren Texten lasen, bekommt man oft zu hören, dass die Honorare in der Großen Elbstraße höher waren als bei herkömmlichen politischen Veranstaltungen.
Mit der Schließung des Golem gehe eine besondere Farbe im Hamburger Nachtleben verloren, sagt Eva Brenner, die als Projektmanagerin in der Kreativbranche tätig ist und den Klub regelmäßig besucht. Im PAL in der Karolinenstraße sei hin und wieder ein „leichter Proletentouch“ zu spüren, und ins Uebel & Gefährlich kämen zu viele Touristen, sagt sie. Am Golem schätzt Brenner die „feine kleine Bar, die wie dein eigenes Wohnzimmer ist“ und die „,muckelige“ Atmosphäre im Untergeschoss. „Das Golem ist eine Mischung aus alt und modern, von der ich gar nicht weiß, ob sie beabsichtigt ist.“
Mit der „besonderen Stimmung“ (Brenner), die all diese Faktoren ermöglichen, ist es nun also vorbei. Eine gute Nachricht gibt es wenigstens: Die „Fat Jazz“-Reihe, die am kommenden Mittwoch zum letzten Mal an bewährter Wirkungsstätte stattfindet – mit dem Schlippenbach Trio und Mount Meander -, hat eine neue Homebase gefunden. Sie läuft ab dem 13. Dezember im Turmzimmer des Uebel & Gefährlich.
24. bis 26. 11.: „Die Schönheit des Niedergangs“, Golem
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