piwik no script img

Wirtschaftspolitische Empfehlung der EUBrüssel will mehr Soziales und sparen

Frankreich und Italien sollen ihre Ausgaben senken. Gute Noten vergibt die EU-Kommission an Deutschland und Griechenland.

Die Wirtschaft brummt, jetzt sollen die Schuldenberge abgebaut werden Foto: dpa

Brüssel taz | Nach Jahren der Krise und Budgetkürzungen strebt die EU nun „nachhaltiges und inklusives Wachstum“ an. Die Kommission wolle nicht nur solide Finanzen, sondern auch „bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen“ fördern, betonte EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen bei Vorlage der wirtschaftspolitischen Empfehlungen für 2018.

Mehrere Euroländer sollen aber weiter den Gürtel enger schnallen. Besonders streng geht die EU-Kommission mit Frankreich und Italien ins Gericht. Im Falle Italiens geht es vor allem um die anhaltend hohe Staatsverschuldung. Um den Druck auf Rom zu erhöhen, will die EU-Behörde im Frühjahr 2018 ein neues Gutachten vorlegen.

Bei Frankreich bestehen aus Sicht von Brüssel weiter Zweifel, ob das Land wie geplant 2018 das laufende Defizitverfahren verlassen kann. Außerdem gehe der Abbau des strukturellen Defizits, das bereits um Konjunktureffekte bereinigt ist, nicht schnell genug. Die Regierung in Paris soll daher weitere milliardenschwere Kürzungen vornehmen. Rügen spricht die EU-Kommission auch für Spanien, Belgien, Portugal, Slowenien und Österreich aus. Auch diese Länder sollen mehr sparen, um den „Anpassungspfad“ für solide Finanzen zu erreichen. Demgegenüber bekomme Griechenland, das jahrelang am Rand der Staatspleite stand, seine Finanzen wieder besser in Griff.

Insgesamt zeichnete die Brüsseler Behörde ein rosiges Bild der Lage. „Die Wirtschaft des Eurogebiets wächst so rasch wie seit zehn Jahren nicht mehr“, freute sich Währungskommissar Pierre Moscovici. Das Budgetdefizit werde im Durchschnitt auf weniger als 1 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückgehen. 2010, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, waren es noch mehr als 6 Prozent.

Die Wirtschaft des Eurogebiets wächst so rasch wie seit zehn Jahren nicht mehr

Pierre Moscovici

Doch statt sich damit zufriedenzugeben, drängt Brüssel nun auf einen Abbau der strukturellen Defizite und der riesigen Schuldenberge. Sie fordert auch weitere Strukturreformen, „um so die Voraussetzungen für eine weitere Ankurbelung der Investitionen zu schaffen“. In der Vergangenheit gingen diese Reformen allerdings oft zulasten von Wachstum und Investitionen.

Rundum zufrieden zeigt sich die Kommission mit Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden. Deutschland und die Niederlande verzeichnen zwar weiter hohe Leistungsbilanzüberschüsse, was zu „Ungleichgewichten“ in der Eurozone beiträgt. Damit will sich die Brüsseler Behörde aber erst im Februar intensiver befassen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Statt D scharf für seinen extremen Exportüberschuss zu kritisieren wird es auch noch gelobt. Warum wurden Stabilitätsbedingungen von max 6% Exportüberschuss überhaupt aufgestellt, wenn die Verletzung dieser Bedingungen nicht geahndet wird? Warum werden die Opfer dieser verfehlten Politik kritisiert?

  • Unverständlich bleibt, warum die EU-Kommission Portugal eine Rüge erteilt, obwohl das Land gerade erst angekündigt hat, Schulden beim IWF vorzeitig zurückzuzahlen. Wie es aussieht, bekommt Portugal seine Finanzen in den Griff, weil es eben gerade nicht den Sparforderungen der EU-Kommission folgt. Quelle Nachdenkseiten

  • Und was ist mit Investitionen und Wachstum für die menschliche Zukunft erreicht? Gar nichts!

  • Ich hab das mal für Sie korrigiert:

     

    "Doch statt sich damit zufriedenzugeben, drängt Brüssel nun auf einen weiteren Abbau der öffentlichen Ausgaben und der öffentlichen Defizite. Sie fordert auch weitere Strukturreformen, „um so die Voraussetzungen für eine weitere Ankurbelung der Investitionen zu schaffen“. Wie in der Vergangenheit werden diese Reformen allerdings wieder zulasten von Wachstum und Investitionen gehen."

  • Genau das ist das Problem von 1929: "In der Vergangenheit gingen diese Reformen allerdings oft zulasten von Wachstum und Investitionen."

    Mich erstaunt, dass dies die deutschen Politiker erst nach der Wahl September 2017 erfahren haben?

    Asfa-Wossen Asserate beschreibt 2016 die neue Völkerwanderung: Wer Europa retten will, muß Afrika retten. Und Gunnar Heinsohn veröffentlicht am 20.01.17 den „Demographic War Index 2017 mit dem Ranking by country. Das Buch von Bernd Ulrich beschreibt, daß „der Westen am Beginn einer neuen Epoche sei“ unter dem Titel „Guten Morgen, Abendland!

    Dabei haben wir unsere nahe Zukunft bereits 1929 erlebt! Was uns blühen wird hat sich 2008 angekündigt. Wir haben diesen Weckruf ebenfalls ignoriert. Mir erscheint das Folgende Sinn-Voll zu sein:

    1) Hinschauen wo liegt die Ursache? Ich empfehle dazu die Schrift: „Failure by Design - The Story behind America’s broken Economy“ von Josh Bivens 2011 by Cornell University ISBN 978-0-8014-5015-0 e.g. „To light the disconnect between pay and productivity as a cause of growing inequality.

    2) Wie lässt sich Europa retten? | Mit Yanis Varoufakis https://www.youtube.com/watch?v=tO9r6DdfulE

    Deflation 1933 Früchte des Zorn => Deflation

    Einsparungen aber keine Investitionen: New Deal - DiEM25

    TINA There is no alternative? Doch, es gibt Lösungen (s. Video):

    - Einahmen aus der Automatisierung sind privat

    - Bedingungungslose universelle Grunddividende (Kapitalrenditen)

    - Kohlenstoff-Steuer für Sozial nützliche Tätigkeiten

    - Industrie und Klimawandel eine Steuer auf CO2 Emissionen

    - Innovation setzt Leute voraus, die gewöhnliche Arbeit verrichten

    Bewahrer unserer Gesellschaft, die alles am Laufen halten.

    - Überfluss und trotzdem wird nicht investiert Deflation wird exportiert. Besser wäre „Praktische Vernunft“