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Kolumne MithulogiePut that in your Pippi Langstrumpf!

Ja, auch tolle Menschen können ab und zu diskriminierende Wörter verwenden. Auch der tolle Mensch, der man selber ist.

Ich mach' mir die Welt widdi widdi wie sie mir gefällt – und die Sprache auch Foto: imago/Westend61

E in Büchereibesucher hat in Schweden Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet, weil bei Pippi Langstrumpf das N-Wort vorkam. Klar, das ist ein Bulldozer, um eine Nuss zu knacken. Aber: Das N-Wort ist nun einmal die Macadamia unter den harten Nüssen.

Dennoch ist mir nicht klar, warum Leute als Erstes zu Papa Staat rennen, anstatt zum Beispiel eine nette Bibliothekarin zu fragen, ob sie eine neuere Version von „Pippi in Taka-Tuka-Land“ besorgen könnte? Denn darin wird Pippis Vater „Südseekönig“ und nicht … na ist ja klar, was er nicht mehr genannt wird. Trotzdem ist es richtig und wichtig, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Wörter gar nicht gehen. Was die Bibliotheksleiterin übrigens genauso sah und das Hörspiel ohne Einwände ersetzte. Und sie ist auch nicht verurteilt worden.

Also könnte ich mich abregen, wenn daraufhin nicht – Bingo! – unser alter Freund, die Debatte, ob man die Sprache toter Autoren verändern darf, auftauchen würde.

Natürlich ist Astrid Lindgren keine Rassistin in dem Sinne, dass sie dachte: Hihi, heute mal Schwarze Menschen diskriminieren. Ganz im Gegenteil ist eine progressivere Kinderbuchautorin kaum vorstellbar. Was nur zeigt, dass auch tolle Menschen verletzende und zutiefst diskriminierende Ausdrücke verwenden – und es dann unsere Aufgabe ist, diese durch bessere zu ersetzen.

Der Gedanke, dass ein Text ein Kunstwerk ist, das nicht verändert werden darf, ist absurd.

Das ist weder Zensur noch übertrieben, sondern lediglich gutes Lektorat. Der Gedanke, dass ein Text ein Kunstwerk ist, das nicht verändert werden darf, ist absurd. Dann dürften wir niemals Literatur übersetzen. Oder der neuen Rechtschreibung anpassen. Natürlich steht es dem Verlag frei, eine historisch-kritische Ausgabe zu machen, die dann auch gern in die Unibibliothek gestellt werden darf.

Dieser Text hier ist auch nicht Mithu pur, sondern hoffentlich von einem*r Redakteur*in redigiert. Und das können Menschen auch gern nach meinem Tod tun, so sie dann noch Interesse haben, meine Texte zu lesen. Ein Beispiel: In meiner Kulturgeschichte der Vulva spreche ich vom weiblichen Genital. Könnte das bitte jemand ändern? Allein schon, damit niemand in Zukunft denkt: Die wusste ja nicht mal, dass nicht nur Frauen eine Vulva haben. Stimmt, aber ich darf zum Glück dazulernen.

Da die größten Kritiker der Elche früher selber welche waren, stößt mir in den ganzen tollen Artikeln über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass es ab jetzt einen dritten Geschlechtseintrag im Geburtenregister geben muss, auf, wie häufig darin das Wort „Geschlechtsumwandlung“ vorkommt. Dabei kann man sein Geschlecht nicht umwandeln. Genauso wenig, wie man einem Menschen durch eine OP ein anderes Geschlecht anoperieren kann. Ein Geschlecht haben wir von Anfang an, nur stimmen in manchen Fällen die Genitalien nicht damit überein. Deshalb ist der richtige Begriff „genitalangleichende Operation“, so es denn eine OP gibt. Oder am besten „Geschlechtsangleichung“.

Put that in your Pippi Langstrumpf!

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Mithu Sanyal
Autorin
Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)
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14 Kommentare

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  • Alohahe - die Südsee lockt - als völlig "negerfreie" Welt - also nix wie hin!

     

    "Denn darin wird Pippis Vater „Südseekönig“ und nicht … na ist ja klar, was er nicht mehr genannt wird. Trotzdem ist es richtig und wichtig, darauf hinzuweisen, dass bestimmte Wörter gar nicht gehen. Was die Bibliotheksleiterin übrigens genauso sah und das Hörspiel ohne Einwände ersetzte. Und sie ist auch nicht verurteilt worden."

     

    Super! Da hat die Bibliotheksleiterin ja nochmal richtig Glück gehabt, dass sie nicht gleich verurteilt worden ist!

     

    "Was nur zeigt, dass auch tolle Menschen verletzende und zutiefst diskriminierende Ausdrücke verwenden – und es dann unsere Aufgabe ist, diese durch bessere zu ersetzen. Das ist weder Zensur noch übertrieben, sondern lediglich gutes Lektorat. Der Gedanke, dass ein Text ein Kunstwerk ist, das nicht verändert werden darf, ist absurd. "

     

    Tatsächlich? Dann mal ran an die Weltliteratur, Ihr wachen Wächter der politischen Korrektheit! Wär doch gelacht, wenn man Henry Miller und Anaïs Nin nicht auch maximal 25% des Original-Volumens reduzieren könnte! Und der lieben, alten Astrid verzeihen wir das hässliche Wort gern. Sie hats halt nicht besser gewusst. Damals, in den finsteren 60er Jahren.

  • Coito ergo sum.

  • Zum Thema "Geschlechtsangleichung" etc. kann man eigentlich nur noch Ernst Jandl zitieren.

     

    geschlechtsumwandlung

     

    seien gekommen einen hund in den küchen und gestohlen haben den kochen einen ei (sollen heißen: ein hoden)

    und haben genommen denen kochen ein messern

    und haben geschnitten sich ab den ei numero zwei (sollen heißen: den hoden numero zwei)

    und hingschmissen haben auf den hunden und gebrüllen:

    DA HABEN DU SAU!

    und sich dann den messern gestoßen haben in brusten (sollen heißen: in herzen)

    und sich also umgewandelt haben in geschlechten, sollen heißen:

    herausgewandelt aus menschengeschlechten überhaupt.

    das sein dann geganden in ein trompeten, und sein so herausgekommen ein lieden, den wird allen bekannt sein.

  • Mal im Ernst - & ohne Willi sein Mantel.

     

    "Was nur zeigt, dass auch tolle Menschen verletzende und zutiefst diskriminierende Ausdrücke verwenden – und es dann unsere Aufgabe ist, diese durch bessere zu ersetzen."

     

    Na da schau her.

    Dazu hat mal Christine Nöstlinger fein Kluges angemerkt -

    "...Damals gab es über Kinderbücher viel mehr Streit. Da ging es hin und her, es gab Veranstaltungen oder Tagungen. Dort gab es einen, Melchior Schedler, der hatte ein Buch geschrieben, „Schlachtet die blauen Elefanten“, in dem er auf alle Traditionellen losgegangen ist, zum Beispiel auf Otfried Preußler.

    Und da saß Preußler dann in einer Diskussion samt Ehefrau und drei Töchtern, alle so 180-Zentimeter-Walküren mit solchen Posituren (macht eine ausladende Bewegung vor der Brust). Preußler hat sich so aufgeregt, dass er ohnmächtig wurde, sodass ihn die vier Weiber hinaustragen mussten. Solche Diskussionen gibt es heute überhaupt nicht mehr...." https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5344842&s=christine+n%C3%B6stlinger/

    (daß die Erben dann aus ganz handfesten finanziellen Interessen später den bekannten Änderungen zugestimmt haben - steht auf einem anderen Blatt!)

    &

    Absurd wird´s - vom Respekt mal ab - dann damit -

    "Das ist weder Zensur noch übertrieben, sondern lediglich gutes Lektorat. Der Gedanke, dass ein Text ein Kunstwerk ist, das nicht verändert werden darf, ist absurd. Dann dürften wir niemals Literatur übersetzen...ff"

    &

    Gipfel - Historische Ausgabe. Ah ja?!

     

    Na Mahlzeit!

    &

    ©right-Recht - das unbekannte Wesen - kerr!

     

    kurz - "Es reicht nicht - keine Gedanken zu haben -

    Man muß auch unfähig sein - sie auszusprechen." by

    Wolfgang `ick setz mir mal bei Richie`Neuss.

    Danke - alte Kiffnase.

    • @Lowandorder:

      Wieso "keine Gedanken"? Mithu Sanjal hat doch Gedanken. Sie lauten bloß alle: "Ich! Will! Das!"

       

      Tsss! Wenn das Astrid Lindgren noch erlebt hätte! :-(

      • @mowgli:

        Sorry - aber wer in der Diktion etc des

        Mannes mit der Pauke bewandert ist - .....

        Ja ooch klar - dett Sie dett klar is - wa!

        Na klaro.

    • @Lowandorder:

      Wieso "keine Gedanken"? Mithu Sanjal hat doch Gedanken. Sie lauten bloß alle: "Ich! Will! Das!"

       

      Tsss! Wenn das Astrid Lindgren noch erlebt hätte! :-(

  • Also, irgendwie spinnen die Deutshen.

    Auf der einen Seite wird Literatur "korrigiert", auf der anderen Seite feiern wir mit einem Bundesweiten Feiertag einen Antisemiten...

    Vielleicht verändern wir dann demnächst "mein Kampf", da es nicht mehr Zeitgemäß ist. Bücher sind in ihrem ursprünglichen Kontext zu sehen und sollten auch so bleiben. Wo kämen wir dahin, wenn wir in Zukunft auch Twain und andere Autoren "anpassen".

    Wird sicher lustig,wenn in Zukunft in Büchern steht "man sollte Farbige in Zukunft Farbige nennen und nicht mehr Farbige"

    Man kann es halt auch übertreiben.

  • Yes & Dank im Voraus.

     

    "Put that in your Pippi Langstrumpf!"

    &

    Don´t forget your Huckleberry Finn.

    &

    Immer ne Handbreit Wasser im Bidet!

    Mark Twain.

    kurz - You made my day.

    &

    "Voll auf die Nüsse" by Robert Crump

    (Übs. Harry Rowohlt!;))

    &

    Fin. In Öscher Platt - "Ach herm!"

  • Sehr geehrte Frau Sanyal,

     

    ich muss Ihnen widersprechen. Die Vorstellung, eine politisch bewusste, sensible, und sprachmächtige Autorin wie A. Lindgren hätte, quasi versehentlich, "verletzende und zutiefst diskriminierende Ausdrücke" verwendet, ist abwegig. Nein, zu ihrer Zeit hatte sie kein anderes Wort als das 'N.-Wort' zur Verfügung. Auch Martin Luther King sprach von der 'liberation of the negro'. Es war das normale Wort. Die heutigen Umschreibungen existierten zu der Zeit als Lindgren schrieb und King predigte, schlicht noch nicht. Der Sprachwandel zieht sich manchmal über Jahrhunderte, aber manchmal ist er auch sehr schnell. Wie wir Heutige damit umgehen, das ist unser Problem. Und da mag der 'Südsee-König' ein akzeptabler Kompromiss sein. Aber ich bestehe darauf: Der Vorwurf an A. Lindgren ist unberechtigt.

    Mit freundlichen Grüßen,

    StWe

  • Die kontextfreie Fixierung auf Wörter, welche die geistig verarmte Generation zeitgenössischer Tugendwächter mit politischem Aktivismus verwechselt, wird zweifellos in Kürze dazu führen, dass sämtliche Texte und Reden von Dr. Martin Luther King Jr. entweder aus Bibliotheken entfernt oder politisch korrekt redigiert werden denn der arme Mann hat ja dauernd nur von "negroes" gesprochen.

    • @hessebub:

      kurz - Herr wirf Hirn vom Himmel.

       

      Dieses ewige Ungeheuer von pc&Blockwart -

      Rein tonn katoslch warrn.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Ein Geschlecht haben wir von Anfang an, nur stimmen in manchen Fällen die Genitalien nicht damit überein."

     

    -Nein, dem stimme ich nicht zu. Zumindest nicht in diesem Sinne, das ein soziales Geschlecht(und darum geht es ja) in der Kindheit eindeutig männlich oder weiblich ist.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Lieber Roi, das ist der neue Transgender-Cartesianismus: Ich denke ich bin X, also bin ich X. Vor dieser neuen Wahrheit müssen sich witzigerweise alle beugen: biologische Fakten, sozialer Konstruktivismus und radikale Feministinnen, die es nicht amüsant finden, wenn Menschen mit Schwänzen (pardon, lady sticks) ihnen erklären, wer jetzt die Definitionsmacht über ihr Geschlecht hat. Wird alles no-platformed. Ja, das Autoritäre hat viele Gesichter...