piwik no script img

Rechtswidriger Polizeieinsatz beim G20Falken fordern Schmerzensgeld

Der Einsatz gegen Mitglieder der Jugendorganisation „Die Falken“ beim G20-Gipfel war rechtswidrig. Ihr Anwalt fordert Entschädigung.

Hier wurden die jugendlichen Falken festgehalten, obwohl sie nichts getan hatten: G20-Gesa Foto: dpa

Hamburg taz | Die Falken geben nicht auf: In allen drei Fällen, in denen die sozialistische Jugendorganisation der Hamburger Polizei rechtswidriges Handeln vorwirft, hat die Polizeiführung den Vorwurf mittlerweile eingeräumt. Trotzdem klagen die Falken weiter und fordern jetzt Schmerzensgeld.

Am 8. Juli, dem Tag der Großdemonstration gegen den G20-Gipfel, waren Mitglieder der Falken, der alevitischen Jugend, der Gewerkschaftsjugend und der Grünen Jugend aus Nordrhein-Westfalen mit dem Bus nach Hamburg gefahren. Gegen 7 Uhr morgens fingen Polizeifahrzeuge den Bus auf der Autobahn ab und lenkten ihn auf eine Raststätte um. Dort umstellten behelmte Beamt*innen der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) den Bus und untersagte den 44 jungen Menschen, unter ihnen auch Minderjährige, jede hektische Bewegung.

Anschließend leiteten sie den gesamten Bus direkt zur eigens eingerichteten G20-Gefangenensammelstelle (Gesa) nach Harburg. Dort hielten die Beamt*innen die Jugendlichen bis zu viereinhalb Stunden fest, fotografierten sie und untersuchten einige von ihnen bis auf die Unterwäsche.

Zwei Mitglieder des Landesvorstands der Falken klagten und bekamen Recht vom Hamburger Verwaltungsgericht. Auch eine dritte Falkin, die sich bis auf die Unterwäsche ausziehen musste, im Intimbereich abgetastet wurde und nur unter den Augen einer Polizistin die Toilette benutzen durfte, bekam nun Recht. Auch in diesem Fall erkannte die Polizei die Rechtswidrigkeit an. Der Anwalt der Falken, Jasper Prigge, will nun noch in einem zivilrechtlichen Verfahren Schmerzensgeld für acht Betroffene einklagen.

„Es ist ein Skandal, dass es derartige Zustände in einer Gesa überhaupt geben kann“, sagte Prigge. Das Vorgehen der Polizei habe gleich mehrfach die Grundrechte verletzt. Auch sei seinen Mandant*innen versagt worden, ihre Familien oder Anwält*innen anzurufen – bei Minderjährigen besonders heikel und klar rechtswidrig. Das müsste auch allen Polizist*innen bewusst sein, sagte Prigge.

Innensenator Andy Grote (SPD) und Polizeipräsident Ralf Meyer hatten sich öffentlich für den Einsatz gegen die Jugendgruppe entschuldigt – es habe sich um eine Verwechselung gehandelt. Eigentlich hätte die Polizei einen Bus mit vermummten Autonomen abfangen wollen.

„Die Entschuldigung haben wir zur Kenntnis genommen, aber sie reicht nicht aus“, sagte der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende der Falken, Paul Erzkamp. „Es erklärt nicht, warum uns Grundrechte vorenthalten wurden.“

Außerdem fordern die Falken die Aufklärung darüber, welche Anweisung die Polizei genau hatte. Das Dezernat Interne Ermittlungen sei jetzt ebenfalls mit dem Fall befasst, sagte Erzkamp. Einige Falken seien schon als Zeug*innen vorgeladen worden. Den Ergebnissen der polizeiinternen Ermittlungen sehen die Falken „gespannt bis skeptisch“ entgegen. Das Schmerzensgeld wollen sie dem Republikanischen Anwaltsverein spenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Hahjaa!!! "Eigentlich hätte die Polizei einen Bus mit vermummten Autonomen abfangen wollen." Achsooo, ja bei denen wäre das Vorgehen natürlich rechtens gewesen - bei vermummten autonomen (idr an dem vermummungsschal zu erkennen, welcher lediglich kurz zum Duschen abgenommen wird) kann selbstverständlich jede Vorgehensweise gerechtfertigt werden! Wäre der Bus also voll mit vermummten autonomen gewesen, wäre alles in bester Ordnung. So weit ist die Argumentation der Polizei schon: Rechtsstaatliche Grundordnung ausschließlich für unvermummte!!! Komisch dass ich drei Tage lang in Hamburg nur vermummte Polizisten gesehen habe..

  • Nein es sollte nicht um große Schmerzensgelder gehen. Nicht das unwürdige Vorgehen gegen die Insassen der Busse ist der eigentliche Schaden. Der Schaden ist die Selbstverständlichkeit des Rechtsbruches durch die Polizei. Wer dies angeordnet hat, muss angeklagt und aus dem Polizeidienst entfernt werden.

    Schadensersatz sollte es trotzdem geben - aber das ist mehr ein Symbol - 100 € oder 1000 € pro Person tun da keinem Polizistenführer weh. Die Entlassung aus dem Dienst jedoch schon.

    Dumm nur, dass wir keine unabhängige Staatsanwaltschaft haben. So wird die regierungsgebundene Staatsanwaltschaft die Vorwürfe "wegermitteln". Ohne Verurteilung kann dann auch das interne Verfahren im Sande verlaufen. So funktioniert leider viel zu häufig der mafiöse Polizeistaat in Deutschland.

  • Solche Einsätze schaden dem Ansehen der gesamten deutschen Polizei enorm und nachhaltig – zulasten all derjenigen Beamten, die jeden Tag einer anspruchsvollen (und immer anspruchsvolleren) Tätigkeit gewissenhaft nachgehen. Das persönliche Erlebnis brennt sich bei den Jugendlichen ein und sie werden es wohl nicht mehr los. Herzlichen Glückwunsch, Einsatzleitung. Effizienter kann man Radikalisierung kaum forcieren. Die »Entschuldigung«, man habe die Gruppe mit »Autonomen« verwechselt spricht für ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung.

  • Wenn wir noch einen Rechtsstaat haben, dann wird ihnen ein Schmerzensgeld zuerkannt. Was für Leute waren denn das bei der Leitung dieses Einsatzes, die haben doch bei der Polizei nichts mehr verloren! Die sind doch das Gegenteil von 'Dein Freund und Helfer'.

    • @fvaderno:

      Glauben Sie, dass es für die Verantwortlichen irgendwelche Konsequenzen haben wird? Mit der Befehlskette bis nach ganz oben, im Endeffekt bis zu Scholz (so wiedersprüchlich dass bei einem SPD-Ministerpräsidenten scheint?).

      Aus meiner Sicht ist das Schmerzensgeld für solche Aktionen im fünfstelligen Bereich je Person anzusetzen, aber Schmerzensgelder sind in D in jedem Fall zu niedrig (auch bei einfachen fahrlässigen Körperverletzungen usw.), und Vorsatz wird da nicht gewertet.