: „Es ist nicht leicht“
Die Hamburger Performance-Künstlerin Evgenia Tsanana über die Herausforderung, angemessen für ihre Arbeit bezahlt zu werden
Evgenia Tsanana, 53, Performance-Künstlerin, geboren in Thessaloniki, lebt seit 1989 in Hamburg. Sie studierte an der HfbK bei der Performance-Künstlerin Marina Abramović.
Protokoll Friederike Gräff
Es ist nicht leicht, von der Performance-Kunst zu leben. Ich kann dabei nur für mich und aus meiner Erfahrung sprechen. Ich finanziere mich und meine Projekte überwiegend über einen Teilzeitjob als Museumsaufseherin und gelegentliche freiberufliche Aufträge. Weil die Performance eine flüchtige, eher immaterielle Sache ist, ist die Frage nach ihrer Vergütung nicht einfach. Performance ist kein Produkt, welches du an die Wand hängen kannst. Dennoch ist sie ein Produkt von viel Arbeit und Zeit.
Die Haltung mancher Veranstalter ist, nett ausgedrückt, speziell. Du kannst froh sein, dass du deine Sachen überhaupt zeigen kannst – als würden Künstler*innen sich von Luft ernähren. Dann musst du einiges erklären. Viele Veranstalter, für die ich etwas gemacht habe, hatten kein Geld und es war schon wunderbar, wenn sie die Fahrtkosten übernommen haben. Inzwischen bemühen sich die meisten, wenigstens die Fahrt- und Teile der Produktionskosten zu übernehmen.
Als ich meine mehrtägige Performance „Büro für öffentliche Entlastung“ anbot, habe ich mir gesagt: „Du kannst deine Miete nicht zahlen und machst eine Arbeit, die du selbst gut findest: versuch’, Geld dafür zu kriegen“. Also habe ich den Veranstaltern gesagt: „Ich hätte gern wenigstens ein symbolisches Honorar und zwar den Stundenlohn einer Reinigungskraft. Denn was ich mache, ist auf eine Art eine reinigende Tätigkeit.“ Das hat manchmal annähernd funktioniert, manchmal auch nicht. Aber sie haben verstanden und sie haben sich bemüht. Ich hatte mal zehn Euro pro Stunde veranschlagt, mal den Mindestlohn. Die Vorbereitungszeit berücksichtigte ich nicht.
Ich muss meine Grundkosten irgendwie decken, dabei geht es nicht um Luxus, sondern darum, dass ich wenigstens meinen Arbeitsausfall ausgleiche und keinen Verlust mache. Natürlich würde ich gern mehr verdienen, aber das bleibt vorerst illusorisch. Oft ist es so, dass mir Freunde, weil sie meine Projekte und mich mögen, Geld zustecken. Ich protestiere natürlich. „Du nimmst es jetzt“, sagen sie dann, „es kommen auch andere Zeiten.“ Ohne sie hätte ich einige Projekte nicht realisieren können.
In Athen, wo ich das „Büro für öffentliche Entlastung“ im Rahmen einer großen Ausstellung zuerst gemacht habe, haben die Veranstalter bezahlt. Da gab es keine Verhandlung, sie sagten: Alle Künstler*innen bekommen pro Tag 110 Euro. Sie übernahmen auch die Produktionskosten. Das war für griechische Verhältnisse viel Geld. Diese Arbeit habe ich auch in Thessaloniki angeboten, im Center for Contemporary Art. Sie konnten mir nur den Flug bezahlen, das war alles. Ich habe bei meiner Schwester gewohnt und verdient habe ich nichts. Aber ich konnte die Performance in meiner Heimatstadt machen, acht Tage lang, und das war es mir wert.
Demnächst werde ich mein Büro im Wenzel-Hablik-Museum Itzehoe präsentieren. Die Veranstalter können mir zwar kein Honorar bezahlen, aber eine der Organisator*innen hat einen Freund dazu gewonnen, meine Performance zu sponsern.
Meine Lehrerin, Marina Abramović, hat früher nach dem Stundenlohn eines Klempners gefragt. Später, als sie schon bekannt war, hat sie bezahlte Vorträge gehalten und limitierte Fotoeditionen ihrer Performances herausgegeben. Auch andere Performance-Künstler*innen finanzieren sich über Fotoeditionen oder Videos ihrer Performances oder sie bieten deren Relikte als käufliche Kunstobjekte an. Sonst gibt es auch den Weg über Stipendien und Projektförderung.
Ich bin allerdings nicht so gut darin, zu verhandeln und Anträge zu schreiben. Daher werde ich zwei, drei Jahre weiter versuchen, auf meine Art vorzugehen, und wenn es nicht klappt, mir etwas anderes überlegen. Dabei muss ich immer im Kopf behalten: Eine gute Arbeit zu machen ist schön und gut, aber du musst auch deine Miete verdienen. Und doch verhandeln.
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