Geht’s noch?: Hamburger Polizei hat keine Zeit für Betrüger und Kleinkriminelle
Wer immer schon mal vorhatte, Geld zu waschen oder Gras zu verticken, für den schlägt jetzt die Gunst der Stunde. Die Hamburger Kriminalpolizei hat für solche Lappalien gerade keine Zeit: 8.000 Straftaten von einfachen Delikten bis zu schwerwiegenden Taten werden vorerst nicht bearbeitet. Und wann und ob überhaupt, ist auch nicht klar.
Derzeit scheinen die G20-Protest-Randalen das einzige zu sein, was die Polizei interessiert. Jeder zehnte Beamte der Kripo sei in die Sonderkommission „Schwarzer Block“ abkommandiert, sagt Jan Reinecke, Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Nichts geht mehr für die Kripo. Sie sei „am Ende“, beklagt die Gewerkschaft.
Manchen Straftätern und Betrügern kommt das ganz gelegen. 5.000 Fälle im Betrugsbereich seien hintangestellt, weil Personal fehle. Im Bereich Betrug sei das besonders problematisch, weil ein Fall nicht einfach ewig warten kann. Reinecke sagte zum Hamburger Abendblatt: „Bis ein Beamter dazu kommt, die Fährte wieder aufzunehmen, hatten die Täter etwa beim Online-Betrug schon genügend Zeit, ihre Spuren zu verwischen.“ Das tangiert aber anscheinend die Hamburger Polizei wenig, auch wenn solche Fälle stetig zunehmen.
Neben den Betrugsfällen wurden auch 1.100 Fälle von Geldwäsche auf die lange Bank geschoben. Die Gauner können sich also freuen, dass die Hamburger Polizei von den G20-Protesten und deren Auswirkungen geradezu besessen ist. Fälle von Massen- und Kleinkriminalität verschwinden vorerst in der Schublade der Kripo. Bis jetzt sind es 1.400 unbearbeitete Fälle wie Taschendiebstahl oder Körperverletzung. Wobei man sagen muss, dass vermeintliche Körperverletzung gegen PolizistInnen besonders sorgfältig bearbeitet werden.
Auch Drogendelikte werden momentan kaum verfolgt. Da das Personal dafür fehlt, gibt es keine Strafverfolgung und auch keine entsprechenden Taten in der Statistik. Diese spiegelt also nicht die Wirklichkeit wider, sondern zeigt, womit sich die Polizei gerade so beschäftigt. Zurzeit also mit den Nachwehen von G20. Langsam könnte man vielleicht einen Schlussstrich darunter ziehen. Adèle Cailleteau
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