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„Ampel? Nicht schon wieder!“

Rot-Gelb-Grün geht nicht zusammen, sagt Bremens Ex-Rathauschef Klaus Wedemeier

taz: Herr Wedemeier, Sie haben vier Jahre lang eine Ampelkoalition angeführt. Würden Sie Gerhard Schröder am Sonntagabend zu einem Anruf bei der FDP raten, wenn es in keiner anderen Konstellation zum Regieren reicht?

Klaus Wedemeier: Gerhard Schröder hat die Ampel bei uns in Bremen aus nächster Nähe beobachten können. Er weiß, wie schlecht das ausgegangen ist. Wenn er mich anrufen würde, würde ich ihm bestimmt nicht zuraten.

Warum?

Rot, Grün und Gelb gehen inhaltlich nicht zusammen. Das fängt bei der Steuerpolitik an, geht bei der Wirtschaftspolitik weiter und hört bei der Umweltpolitik auf. Schauen Sie sich den Wahlkampf an: Guido Westerwelle kennt das Wort Umweltpolitik überhaupt nicht, und umgekehrt betreibt Jürgen Trittin teilweise eine ideologische Umweltpolitik, ohne die negativen Auswirkungen für den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Wie soll man die beiden zu einem Konsens zusammenbekommen? Die SPD liefe ständig Gefahr, in diesen Streitereien zerrieben zu werden.

Welche SPD-Positionen würden denn zerrieben?

Vor allem der Einsatz für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. FDP und Grüne sind beide im Kern bürgerliche Parteien. Jedenfalls können sich beide meiner Meinung nach nicht auf die Fahnen schreiben, sich besonders für die Sicherung von Arbeitsplätzen einzusetzen. Besonders gilt das natürlich für Guido Westerwelle: Dessen wirtschaftspolitische Position kann man verkürzt als „weg mit den Gewerkschaften“ zusammenfassen. So etwas könnte die SPD in der Regierung nie vertreten – da würden ihr viele Mitglieder und Wähler davonlaufen.

Am Ende könnte aber Gerhard Schröder entscheiden – und der kann voraussichtlich nur in einer Ampelkoalition Kanzler bleiben.

Gerhard Schröder ist niemand, der darauf schaut, wie er nach einer verlorenen Wahl seinen Posten retten kann. Er hat auch die übergeordneten Dinge im Blick und wird sich dann hinten anstellen.

Glauben Sie wirklich, dass sich Schröder ohne Murren nach Hannover zurückzieht?

Er wird ja Kanzler bleiben. Aber wenn es sein müsste, ja. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Schröder eine Ampelkoalition eingeht. Noch ist die Wahl nicht verloren, aber wenn es so kommt, dass wir die jetzige Koalition nicht fortführen können, würde ich zu einer großen Koalition raten.

Die haben Angela Merkel und Edmund Stoiber ausgeschlossen …

Nach der Wahl gilt für CDU und CSU das Wort von Adenauer: Was schert mich mein Geschwätz von gestern.

INTERVIEW: KLAUS JANSEN

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