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Bewährungstrafe für türkischen SpionEin nicht ganz so genialer Dilettant

Mehmet Fatih S. hat einen kurdischen Politiker in Bremen ausspioniert. Sein stümperhaftes Vorgehen wertet das Hamburger Oberlandesgericht strafmildernd.

Das Bild des Angeklagten blieb so diffus wie seine Berichte an den türkischen Geheimdienst Foto: dpa

Hamburg taz | Dem Angeklagten wird zugute gehalten, dass sein Vorgehen „nicht sehr professionell“ war. Die Informationen, die er sammelte, seien wenig hilfreich und teilweise schlicht erfunden gewesen, sagte die Richterin in ihrem Urteil. Die Verteidigung bezeichnete sein Vorgehen als „dilettantisch“.

Im Staatsschutzprozess gegen den türkischen Spion Mehmet Fatih S. hat das Oberlandesgericht Hamburg am Dienstag das Urteil gesprochen. Der Angeklagte erhielt Strafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung. Er muss außerdem knapp 21.000 Euro Strafe zahlen. So viel hatte er mindestens vom türkischen Geheimdienst MIT für seine Arbeit erhalten. Dem 32-Jährigen war „Geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland“ vorgeworfen worden.

Das Gericht hält die Spionagetätigkeit für erwiesen

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Mehmet S. im Auftrag des MIT den kurdischen Politiker Yüksel Koç aus Bremen ausspioniert hatte. Grundlage für die Verurteilung waren die eigenen Aussagen des Angeklagten. Er legte zwar kein Geständnis ab, identifizierte aber zahlreiche belastende Notizen als die seinen. Er gab auch zu, intensiven Kontakt zur Familie Koç gesucht und unter falschem Namen Drohnachrichten an sie geschickt zu haben.

Die Generalbundesanwaltschaft hatte zwei Jahre und sechs Monate Haft gefordert. Das Gericht begründete die Bewährungsstrafe damit, dass die Belange der Bundesrepublik Deutschland nur „im unteren Bereich tangiert“ wurden. Es handele sich um einen innertürkischen Konflikt, der in Deutschland ausgetragen wurde. Das Opfer Yüksel Koç habe seine Aussage für ein politisches Statement genutzt.

Widersprüche bei der Kronzeugin

Auch die Kronzeugin und frühere Freundin des Angeklagten war für die Verurteilung nicht hilfreich. Ihre Aussagen seien zu widersprüchlich gewesen, begründet die Richterin. Es sei nicht auszuschließen, dass sie selbst in das Tatgeschehen involviert gewesen sei.

Cihan E. hatte ausgesagt, dass der Angeklagte ihr angeboten hatte, auch für den MIT zu arbeiten, sie habe aber abgelehnt. Weil sie um Menschenleben gefürchtet habe, erzählte sie kurdischen Journalisten und Politikern von der Spionage und ließ ihren Freund auffliegen.

Cihan E. sagte unter enormen Sicherheitsvorkehrungen aus. In der Urteilsverkündung sagte die Richterin, dass der deutsche Staat an seine Grenzen gerate, wenn es um den Schutz von Zeugen vor Repressionen in der Türkei gehe.

Die türkische Regierung hat sich bisher nicht zu dem Fall geäußert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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