: Der Garten muss weg
Am Lucie-Flechtmann-Platz buddeln die AnwohnerInnen die Stauden aus, mit denen sie die Betonbrache begrünt haben: Die temporäre Intervention wird zum dauerhaften Park
Von Benno Schirrmeister
Herbstzeit ist Pflanzzeit, und günstig schönes Grün für den eigenen Garten oder Balkon kann man kommenden Sonntag auf dem Lucie-Flechtmann-Platz abstauben: Die Anwohner*innen-Initiative gräbt die Stauden aus, mit denen sie seit vier Jahren in Hochbeeten aus Bäckerkisten und Europaletten die Betonwüste im Zentrum der Neustadt in deren grünes Herz verwandelt hatte. Der selbstorganisierte, temporäre Gemeinschaftsgarten muss weg.
Nicht, weil das Projekt „Ab geht die Lucie“ am Ende wäre, sondern ganz im Gegenteil: Nach langem Ringen mit den Behörden gibt es für die Initiative nun eine klare Zukunftsperspektive: „Wir haben den Nutzungsvertrag mit der Stadt unterzeichnet“, so Initiatorin Eva Kirschenmann. Nötig sind Kontrakt und Verpflanzungen, weil man eben kein Provisorium bleiben will: Aus der temporären Intervention in den öffentlichen Raum soll dauerhaft ein echter kleiner Park werden, mit über 700 Quadratmeter Rasenfläche und gut 400 Quadratmetern Beeten zum Gärtnern, mit Aufenthaltsqualität und mit einer Bühne im Zentrum.
Obwohl von allen Seiten, vom Beirat übers Ortsamt bis zum Senat, begeistert begrüßt, haben die Macher*innen von „Ab geht die Lucie“ und dem daraus entstandenen Verein Kultur-Pflanzen um die Verrechtlichung ihres Projekts kämpfen müssen. Zuletzt hatte es geheißen, im April liege der Vertrag vor. Ende September hat es endlich geklappt.
Wie sich die Nachbarschaft in Absprache mit der Kita und dem Altenheim am Platz, den ganz für Autos zurechtgemachten öffentlichen Raum zurückerobert haben, das hatte auch jenseits von Bremen Aufmerksamkeit erregt. Gerade erst ist die „Lucie“ zum Bremischen Landessieger des Deutschen Nachbarschaftswettbewerbs gekürt worden.
Für eine Million Euro zubetoniert und nach Fischhändlerin Lucie Flechtmann benannt worden war die Fläche zwischen Wester-, Bierbaum- und Grünenstraße im Jahr 2003.
Bausenator Jens Eckhoff (CDU) feierte die Parkraumerweiterung damals als „städtebauliche Verbesserung“.
Den verwüsteten Freiraum erobern sich die Anlieger seit 2013 durch Pflanz- und Kulturaktionen zurück.
Zudem fand das Bundesumweltministerium die Idee, am Rande des urbanen Gartens eine Klimawerkstatt anzusiedeln, für förderungswürdig: Aus dem Programm „Kurze Wege für den Klimaschutz“ wird die Einrichtung bezuschusst. In Workshops, Diskussionen und in Werkstätten sollen nun nachbarschaftliche Klimaschutzprojekte starten.
Das Herzstück aber ist die Platzgestaltung, die als das erste basisdemokratische Stadtraum-Entwicklungsprojekt Bremens gilt: Die Vorstellungen der Anwohner*innen hatte das Büro Protze und Theiling in Abstimmung mit Stadtplaner Christian Schilling vom Bauressort schon 2015 in professionelle Pläne gegossen. Verwirklichen kann man die aber erst, wenn die Fläche entsiegelt ist. Das Pflaster muss weg.
Nachdem die Pflanzen an diesem Sonntag ausgebuddelt und zur Adoption freigegeben werden, steht fürs Wochenende eine erste Abrissparty an: Samstag und Sonntag soll ab zehn Uhr die Platzmöblierung komplett beseitigt werden. „Am Ende sollen nur zwei große Haufen auf dem Platz übrig bleiben“, so der Plan, „einer für Grünabfall und einer für Holz.“ Die wird man dann am Montag abholen lassen.
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