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Nach den G20-KrawallenErmittlungen gegen Demo-Anmelder

Gegen die OrganisatorInnen zweier Demonstrationen gegen den G20-Gipfel ermittelt jetzt die Hamburger Staatsanwaltschaft.

Landfriedensbruch: Rechtsanwalt Andreas Beuth auf einer Pressekonferenz Foto: dpa

Hamburg taz | Fast drei Monate nach dem G20-Gipfel geht der Stress für einige ProtagonistInnen des Protests erst richtig los: Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen die Anwälte und Aktivisten der Roten Flora Andreas Beuth und Andreas Blechschmidt, sowie gegen die Sprecherin der Interventionistischen Linken (IL) Emily Laquer und eine vierte Person, deren Namen sie nicht nennt.

Die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft Nana Frombach bestätigte, dass mehrere Anzeigen wegen „schweren Landfriedensbruchs“ gegen die vier eingegangen seien. Allerdings kamen die Anzeigen aus anderen Städten: In Bielefeld und Braunschweig gingen mehrere Menschen zur Polizei, um diejenigen anzuzeigen, die sie in der Verantwortung für die Krawalle beim G20-Gipfels sehen.

Des Landfriedensbruchs macht sich laut Strafgesetz schuldig, wer sich an „Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen beteiligt“ oder Menschen mit Gewalttätigkeit bedroht, vorausgesetzt es passiert mit vereinten Kräften aus einer Menschenmenge heraus und gefährdet die öffentliche Sicherheit. Auch wer „auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern“, macht sich strafbar. Bei schwerem Landfriedensbruch drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Den vier AktivistInnen eine Beteiligung an den Ausschreitungen nachzuweisen, dürfte allerdings schwierig werden. Blechschmidt, Beuth und Laquer hatten sich nach dem Gipfel öffentlich von Gewalttaten distanziert und auch sonst sind keine Hinweise auf eine direkte Beteiligung an gewaltsamen Konfrontationen mit der Polizei bekannt.

Straftatbestand kann sich noch ergeben

Frombach sagte aber auch, dass es bei Ermittlungen nie von vornherein um ein bestimmtes Delikt gehe, sondern sich erst während der Ermittlungen zeige, welche Straftat die TäterInnen gegebenenfalls begangen hätten. In diesem Fall könnte es also eher um die Billigung von Straftaten oder um das öffentliche Aufrufen zu Straftaten gehen.

16 Durchsuchungen

Die polizeiliche Sonderkommission (Soko) Schwarzer Block hat am Mittwoch 16 Wohnungen und Geschäfte in Hamburg und Schleswig-Holstein durchsucht. Es ging dabei um die Plünderungen am Abend des 7. Juli im Schanzenviertel.

Unbekannte hatten aus einem Laden für IT-Produkte Geräte im Wert von über 100.000 Euro entwendet.

Die Ausbeute war mager: Die ErmittlerInnen fanden sieben iPhones und nahmen niemanden fest.

Beuth und Blechschmidt waren im Bündnis „Welcome to Hell“ aktiv, das die gleichnamige Demo am Vorabend des G20-Gipfels geplant und angemeldet hatte. Als es am Tag nach der Demo zu Krawallen und Plünderungen im Schanzenviertel kam, distanzierten sich beide umgehend öffentlich. Beuth äußerte allerdings auch „gewisse Sympathien mit solchen Aktionen“, wenn sie in anderen Vierteln stattfänden. Im Nachhinein entschuldigte er sich dafür.

„Eine solche Äußerung kann für die Staatsanwaltschaft durchaus genügen, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, sagte der emeritierte Professor für Rechtswissenschaften der Universität Hamburg, Ulrich Karpen. Ob es für eine Anklage reiche, könne man jetzt noch nicht sagen. Die Gefahr sei allerdings, dass es zu einer Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit komme. Das heißt, dass obgleich die Ermittlungen am Ende vielleicht nichts ergeben, die Beschuldigten als TäterInnen in der Öffentlichkeit dastehen.

Emily Laquer ist, was die Ermittlungen gegen sie angeht, entspannt. „Das sind irgendwelche Wutbürger, die mich im Fernsehen gesehen haben. Die werfen mit Dreck und hoffen, dass irgendwas hängenbleibt“, sagt sie.

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2 Kommentare

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  • [...]Frombach sagte aber auch, dass es bei Ermittlungen nie von vornherein um ein bestimmtes Delikt gehe, sondern sich erst während der Ermittlungen zeige, welche Straftat die TäterInnen gegebenenfalls begangen hätten[...]

     

    Sowas kann man auch "im Nebel stochern" nennen.

    • @Christian Wohlgemuth:

      Aufschlussreich ist doch der Sprachgebrauch.

       

      Während bei Straftaten ohne politische Motivation bis zum Urteilsspruch durch ein Gericht lediglich von "Verdächtigen" gesprochen wird, bezeichnet Frombach die Aktivisten schonmal als "TäterInnen", ohne konkreten Tatvorwurf nach dem Strafrecht und ohne Urteil durch ein unabhängiges Gericht.

       

      "Politische Justiz entscheidet in Abhängigkeit von politischen Einflüssen. Sie bestraft Menschen nicht wegen konkreter Straftaten, sondern wegen ihrer Gesinnung. Politische Opposition wird mit Strafrecht bekämpft, Straftaten der eigenen Gesinnungsleute werden kaschiert." (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, bpb.de)

       

      "Eine politische Justiz findet nicht statt."

       

      Selten galt dieser Satz weniger in der Republik, als dieser Tage in Hamburg.