Hamburg ist so männlich: Schwarzer Block ist frauenfrei
Die CDU schickt nur Männer nach Berlin, die SPD, die die fehlende CDU-Frauenquote geißelt, bringt es mit Aydan Özoğuz auf gerade eine Abgeordnete
Erst auf Platz fünf der Liste durfte, nach langen parteiinternen Streitigkeiten, mit der nun scheidenden Bundestagsabgeordneten Herlind Gundelach eine Frau kandidieren. Doch Platz fünf reichte erwartungsgemäß nicht für ein Ticket nach Berlin und auch der Wahlkreis Bergedorf-Harburg war für Gundelach gegen Metin Hakverdi (SPD) nicht zu gewinnen. In Berlin bleibt der schwarze Block aus Hamburg damit frauenfrei.
Die Landesliste wurde vergangenen Dezember auf Vorschlag des männlich dominierten 17er-Ausschusses der Partei von der CDU beschlossen. Von einem „Schlag gegen die Frauen“ in der Hamburger CDU sprach damals die scheidende Landes-Vorsitzende der Frauen-Union, Marita Meyer-Kainer und die Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Stöver ergänzte: „Es kann nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert Frauen ausschließen.“ Parteichef Roland Heintze aber saß die Kritik aus und versprach mehr Frauenpower – nach der nächsten Wahl.
Rückwärtsgewandte CDU
Im nächsten Bundestag wird Hamburg von 16 Abgeordneten – zwölf Männern und vier Frauen – vertreten werden. Bisher waren es 13, darunter drei Frauen. Die Erhöhung liegt an den zahlreichen Ausgleichsmandaten.
Die SPD erhält 5 Mandate: Johannes Kahrs (Direktmandat Mitte), Matthias Bartke (Altona), Niels Annen (Eimsbüttel), Aydan Özoğuz (Wandsbek), Metin Hakverdi (Bergedorf-Harburg)
Die CDU erhält 4 Mandate: Christoph Ploß (Direktmandat Nord), Marcus Weinberg, Rüdiger Kruse und Christoph de Vries (alle Landesliste)
Grüne erhalten 2 Mandate: Anja Hajduk, Manuel Sarrazin (beide Landesliste)
Die FDP erhält 2 Mandate: Katja Suding, Wieland Schinnenburg (beide Landesliste)
Die Linke erhält 2 Mandate: Fabio de Masi, Zaklin Nastic (beide Landesliste)
Die AfD erhält 1: Mandat: Bernd Baumann (Landesliste)
Doch alles Klagen half nichts – Gundelach wurde auf dem Nominierungsparteitag von Platz drei auf Platz fünf durchgereicht. Ein zentraler Vorwurf lautete, die 68-Jährige habe kaum Wahlkreisarbeit gemacht – eine Behauptung, die Gundelach vehement bestreitet. Doch klar war: Die CDU-Männer wollten Gundelach aussortieren, hatten aber keine weibliche Alternative für die in Ungnade Gefallene parat. So muss es – der parteiinternen Quotenregelung zum Trotz – halt ohne weibliche Abgeordnete im Bundestag gehen.
Die SPD saugte aus der frauenfreien Zone beim politischen Hauptkontrahenten mit Genuss Honig. Sein „demokratisches Entsetzen“ tat Scholz nach dem CDU-Nominierungsparteitag kund und geißelte süffisant die „rückwärtsgewandte 50er-Jahre-Politik der CDU“. Dann gab er auf dem SPD-Landesparteitag im vergangenen Dezember die Richtung vor: „Wir wählen heute unsere Liste für den Bundestag – mit genau so vielen Frauen wie Männern.“
Und auch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Aydan Özoğuz, die kurz darauf erneut zur Hamburger Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gewählt wurde, erklärte den 50-prozentigen Frauenanteil auf der SPD-Liste „zu einem klaren Signal für eine moderne Gesellschaftspolitik“.
Auch SPD mit nur einer Frau
Doch das ist längst verglüht. Denn die Quotenliste ist kaum mehr als ein Täuschungsmanöver. Wie auch bei den vergangenen Bundestagswahlen kam sie gar nicht zum Zug, weil die SPD erwartungsgemäß die überwiegende Zahl der Hamburger Wahlkreise gewann – mit überwiegend männlichen Kandidaten. Johannes Kahrs, Matthas Bartke, Niels Annen und Metin Hakverdi heißt das männliche Abgeordneten-Quartett, dass für die Hamburger SPD nach Berlin geht. Zu ihm gesellt sich mit Özoğuz, die den Wahlkreis Wandsbek gewann, nur eine einzige Frau.
Bestenfalls hätte noch Dorothee Martin den Wahlkreis Nord holen können, doch der ist traditionell am heftigsten umkämpft und wurde auch diesmal von der CDU gewonnen – als einziger der sechs Hamburger Wahlkreise. Über die SPD-Landesliste geht niemand nach Berlin, selbst eine reine Frauenliste hätte keine Hamburger Sozialdemokratin mehr in den Bundestag gespült.
Keine Frau bei CDU und AFD
Beträgt die Frauenquote der nach Berlin entsendeten Abgeordneten bei der CDU also – übrigens genau wie bei der Hamburger AFD – exakt null und bei der SPD spärliche 20 Prozent, so machten es zumindest die kleinen Parteien besser. Grüne, Linke und FDP ziehen jeweils mit zwei Hamburger Abgeordneten in den Bundestag ein – mit einer Frau und einem Mann.
Katja Suding (FDP) und Anja Hajduk (Grüne) waren dabei sogar auf dem sicheren Listenplatz eins ihrer Partei nominiert, lediglich Zaklin Nastic (Linke) musste lange um ihr Berlin-Ticket zittern. Doch da es der Hamburger Linken erstmals in ihrer Geschichte gelang, zwei Mandate zu ergattern, darf die in Polen geborene Einwanderin nun neben dem Hamburger Spitzenkandidaten der Linken, Fabio de Masi, die Reise nach Berlin antreten.
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