Kommentar zu Volksbühne & Ensemble: Ein unlauterer Skandal
Und wieder wird auf den neuen Volksbühnen-Chef Dercon eingedroschen, diesmal vom „Spiegel“. Doch dessen Rechnung geht nicht auf.
Rechenaufgabe: Wenn „ein Schauspielensemble von 27 auf 12 Stellen reduziert wird“, wie es der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe von der Berliner Volksbühne meldete, wie viele Leute werden dann entlassen? 15 Schauspieler? Falsch, denn die Rechnung übersieht, dass fest engagierte Schauspieler und ein Stellenplan nicht dasselbe sind.
Die Meldung wurde von anderen Medien wiederholt wie ein frisch aufgedeckter Skandal über die Machenschaften des neuen Intendanten Chris Dercon. Dabei hatte Dercon schon bei einer Pressekonferenz im Mai betont, dass sich die Zahl der fest engagierten Schauspieler schon unter Frank Castorf auf 11 reduziert hatte; die Regisseure Christoph Marthaler und Herbert Fritsch arbeiteten mit Gästen. Zurzeit gibt es nur drei besetzte Schauspielstellen.
Chris Dercon wies in einer Stellungnahme den Bericht von den Stellenstreichungen zurück. Das betrifft auch das künstlerische Team: „Auch die Größe des neuen künstlerischen Teams der Volksbühne wurde und wird nicht wesentlich verändert. Sechs Dramaturgen und Kuratoren arbeiten in der Programmabteilung, die zum Programmstart am Rosa-Luxemburg-Platz im November noch aufgestockt wird. Regieassistenten heißen im Stellenplan jetzt Produktionsleiter, ihre Aufgabenbereiche wurden erweitert.“
Dass sich die Strukturen unter Dercon verändern werden, mehr internationale Regisseure an dem Haus arbeiten werden, ist inzwischen ebenso deutlich wie die Probleme der Intendanz, ihre erste Spielzeit mit einem vollen Programm zu starten. Da ist es nicht hilfreich, bekannte Sachstände wie einen Skandal zu verbreiten, um Stimmung gegen das Haus zu machen.
Trotzdem bleibt die Frage nach dem Ensemble berechtigt. Die Auskunft, dass es einmal 11 Stellen haben soll, bleibt dürre, solange man keine konkreten Gesichter hat. Auch ist unklar, auf wen sich Regisseure so unterschiedlicher Herkunft überhaupt einigen können. So gesehen ist die Angst, dass es mit einem Ensemble vielleicht gar nichts wird, auch nachvollziehbar.
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