Morddrohungen gegen Hamburger Linke: Karriereknick nach Filmtipp
Die Hamburger Linke Sarah Rambatz fragt im Netz nach „antideutschen“ Filmen. Das bringt ihr Morddrohungen ein – und kostet sie die Bundestagskandidatur
Gerade erst hatten sie „die heiße Phase des Wahlkampfs“ eröffnet: Vor genau einer Woche, am 1. September, trat die Doppelspitze der Partei Die Linke in Hamburg auf, und mehrere Hundert Menschen hörten zu, als Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch sowie der örtliche Bundestags-Spitzenkandidat Fabio de Masi nahe dem Hauptbahnhof für soziale Gerechtigkeit und Frieden warben – aber vor allem doch „für eine starke Linke“.
So willkommen in so einer heißen Phase mediale Aufmerksamkeit sein wird: Auf die, die sich seit Mittwoch auf sie richtet, hätte die Linkspartei sicher gern verzichtet, und nicht nur die in Hamburg. Am Mittwochabend hatte die Hamburger Bundestagskandidatin Sarah Rambatz den Rücktritt von ihrer Kandidatur erklärt. Oder genauer, den Verzicht auf ein Mandat, sollte sie bei der Bundestagswahl am 24. September erfolgreich sein – aus Wahlrechtsgründen, hieß es, stehe sie weiterhin auf Listenplatz fünf.
In der nicht öffentlichen Facebook-Gruppe „Deutsch mich nicht voll“ hatte die 24-Jährige um „antideutsche Filmempfehlungen“ gebeten sowie um grundsätzlich alles, „wo Deutsche sterben“ – gefolgt auch noch von einem Herz-Emoji. Ein Screenshot davon machte die Runde durch die sozialen Medien und gelangte nicht nur zum Hamburger Abendblatt, sondern auch an die Bundesspitze der Linkspartei. Die wiederum teilte unter Hinweis auf eine vorangegangene „Aussprache“ mit Rambatz deren Verzicht auf ein Mandat mit. Und: „Die Linke steht für eine menschenwürdige Politik.“
„So ein Gedankengut hat in der Linken nichts verloren“, erklärte auch der Hamburger Landesverband. Drastischer äußerte sich Spitzenkandidat de Masi. Dem NDR sagte der Europaabgeordnete, er bekomme „das kalte Kotzen“ angesichts des Facebook-Gesuchs. Rambatz äußere „keine linke Position“, sei allerdings auch ein „absoluter Einzelfall“. Auf taz-Nachfrage erklärte er: „Dabei möchte ich es auch belassen.“
In der Tat deutet wenig darauf hin, dass ausgerechnet in der Hamburger Linkspartei jener Teil des Spektrums besonderen Einfluss hätte, den innerparteiliche Gegner so gern in die Nähe von „Neocons“ und „Bellizisten“ rücken: die „Antideutschen“. Als deren organisatorische Plattform wird gern der Bundesarbeitskreis Shalom (BAK) betrachtet, der zur Nachwuchsorganisation der Partei, der Linksjugend-Solid, gehört. Zur Sache Rambatz wollte sich der BAK am Mittwoch ausdrücklich nicht äußern.
Rambatz ist selbst Funktionärin der Linksjugend: Seit April gehört sie dem sechsköpfigen Bundessprecher*innenrat an, also dem Leitungsgremium. Ob die Filmtipp-Affäre Auswirkungen auf diese Position haben könnte, dazu schwieg die Solid-Spitze gestern: Spätestens am heutigen Freitagmorgen sollte aber ein Statement veröffentlicht werden, kündigte man auf taz-Anfrage an.
Dafür ließen die Hamburger Linksjugendlichen keine Zeit verstreichen, eh sie sich von Rambatz’ „menschenverachtenden Äußerungen“ distanzierten: Am späten Mittwochabend noch teilte der Landessprecher*innenrat mit, die von der Genossin „offengelegte Gesinnung ist mit unserer Verantwortung für die Würde des Menschen, wie sie im von deutschen Kommunisten und Sozialisten mitverfassten Grundgesetz verankert ist, nicht vereinbar“. Rambatz selbst hat sich seit dem Bekanntwerden der eigentlich ja nicht öffentlichen Äußerungen weitgehend aus der Schusslinie zurückgezogen, und das unter Hinweis auf Mord- und Vergewaltigungsdrohungen. „Sicherlich war es eine dumme, unbedachte Aktion, die mir in dieser Form kein zweites Mal passieren wird“, postete sie noch, wies aber auch darauf hin, dass ihre Wortwahl doch „die Überspitzung“ verdeutlicht habe – die aber „nicht jeder“ verstanden habe.
Sarah Rambatz
Die Facebook-Gruppe, in der die Sache ihren Anfang genommen hatte, hat am Mittwoch eine Zugangshürde eingerichtet. Wer mitlesen will, was dort passiert – und sei’s, um dann zu petzen –, muss nun drei Fragen beantworten. Ein Gruppenmitglied berichtet der taz, seit Mittwoch diskutiere man dort darüber, was sich tun lasse gegen solches gezieltes Durchstechen – die Rede ist auch von „AfD-U-Booten“, gegen die man sich schützen müsse.
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