Klimaprotest „Ende Gelände“: Rote Linie gegen Kohle
Vor den Baggern des Braunkohleverstromers RWE protestieren 3.000 Menschen. Der Konzern bedrohe nicht nur das Klima, sondern ganze Landstriche.
Die DemonstrantInnen protestierten damit nicht nur gegen die massiv klimaschädliche Braunkohleverstromung: Die Aktion richtete sich auch gegen die Zerstörung der Reste des ökologisch wertvollen Hambacher Waldes – und von Orten wie Manheim. Im Rheinland westlich von Köln haben die bis zu 95 Meter hohen Bagger des Tagebaubetreibers RWE bereits mehr als 40 Dörfer gefressen.
„Die DemonstrantInnen stehen für die breite gesellschaftliche Mehrheit, die einen schnellen Kohleausstieg fordert“, sagte Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Aktion auf der alten Trasse der für den Tagebau verlegten Autobahn 4 im Bündnis mit Greenpeace und der Klima-Allianz Deutschland organisiert hat. Allein hinter der Klima-Allianz stehen mehr als 100 Organisationen, von Umweltschützern über Entwicklungshelfer bis zu Gewerkschaftern. „Wald statt Kohle“, „Rheinland wird Reinland“ oder „Kohle unten lassen“ stand auf den Transparenten der Protestler.
„Wir sind hier, weil wir uns wegen des Klimas echt Sorgen machen“, sagte etwa Melanie Jansen, die mit Mann und zwei Kindern Teil der roten Linie war. „Wenn uns unsere Kinder mal fragen, was wir gemacht haben, können wir sagen: Wir waren hier.“
Protest mit Flüchtlingen
Bei der anschließenden Kundgebung war der Marktplatz von Manheim noch einmal gut gefüllt – von den einst rund 1.700 Einwohner leben nur noch wenige Dutzend in dem Ort, der von RWE durch das Retortendorf Manheim (neu) jenseits der Abbaugrenzen des Tagebaus Hambach ersetzt wird. Hinzu kommen rund 150 Geflüchtete, die in den leerstehenden Häusern einquartiert sind. Die Braunkohleverstromung habe auch eine globale Komponente, mahnte deshalb Kathrin Schroeder für die Klimaallianz Deutschland: „Wir haben eine Mitverantwortung für den Klimawandel, der zurzeit vor allem in den Ländern des Südens spürbar ist.“
Denn im rheinischen Braunkohlerevier haben die vier RWE-Großkraftwerke Neurath, Niederaußem, Weisweiler und Frimmersdorf allein 2016 knapp 80 Millionen Tonnen klimaschädlichen Kohlendioxids in die Atmosphäre geblasen – knapp neun Prozent sämtlicher CO2-Emissionen Deutschlands stammen aus diesen vier Anlagen. Dazu verheizt RWE an jedem einzelnen Tag 250.000 Tonnen Braunkohle, die aus den umliegenden konzerneigenen Tagebauen Garzweiler, Hambach und Inden stammen.
„Der Kohleabbau zerstört nicht nur wertvollste Lebensräume wie den Hambacher Wald und die Heimat vieler Menschen“, betonte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger, der am Samstag in Manheim war. „Die Klimaschutzziele, zu denen sich die Bundesrepublik im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet hat, sind so mit Sicherheit nicht einzuhalten.“ Um die Bagger zu stoppen, hat der BUND ein Grundstück gekauft, dass mittlerweile unmittelbar an die Abbruchkante des bis zu 370 Meter tiefen Tagebaus Hambach grenzt – RWE klagt auf Enteignung.
Starke Präsenz der Grünen und Linken
Gerade im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, die im November im nur etwa 50 Kilometer vom rheinischen Revier entfernten Bonn stattfindet, müsse die Bundesregierung einen Aktionsplan zur „Abschaltung von klimaschädlichen Braunkohlekraftwerken“ beschließen, forderte auch Susanne Neubronner von Greenpeace. Ähnlich argumentierten SpitzenpolitikerInnen von Grünen und Linken.
Gerade die Ökopartei zeigte massive Präsenz: Vor Ort waren nicht nur die SpitzenkandidatInnen zur Bundestagswahl im September, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir. Nach Manheim kamen Parteichefin Simone Peter, Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter, dazu der aus dem benachbarten Düren stammende energiepolitische Fraktionssprecher Oliver Krischer und nordrhein-westfälische Grüne wie Landesparteichefin Mona Neubaur und Landtagsfraktionschef Arndt Klocke.
Für die Linkspartei protestierte auch die Bundesvorsitzende Katja Kipping gegen die Braunkohleverstromung – und versicherte wie schon zuvor im taz-Interview, ein Vorstoß der Fraktionsspitze der Linken in Brandenburg für eine längere Braunkohlenutzung sei vom Tisch: „Dieser Diskussionsvorstoß wurde zurückgewiesen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus