piwik no script img

PortraitDer Untote

Die Guillotine lächelt irgendwie kaum mehr: Roger Kusch Foto: dpa

Roger Kusch lebt noch, und er treibt weiter sein Unwesen, und hilft Menschen dabei, ins Jenseits zu gelangen. Vorsitzender des von ihm gegründeten Vereins Sterbehilfe Deutschland ist der frühere Hamburger CDU-Justizsenator noch immer, und dem wurde gestern der Prozess gemacht. Mit dem Ergebnis, dass der 62-Jährige, der als Politiker den Beinamen „die lächelnde Guillotine“ trug, bis er 2006 von CDU-Bürgermeister Ole von Beust unehrenhaft entlassen wurde, ungeschoren davonkommt, ein 75-jähriger Arzt indes wohl nicht.

In einem jahrelangen juristischen Tauziehen hatte das Oberlandesgericht eine Anklage gegen Kusch abgelehnt. Es verneinte auch den Totschlagsverdacht gegen den Arzt. Er stehe lediglich im Verdacht der versuchten Tötung auf Verlangen durch Unterlassen. Die Staatsanwaltschaft beharrte dagegen auf dem Vorwurf des Totschlags. Der Mediziner habe zwei Frauen von 85 und 81 Jahren tödliche Medikamente gegeben. Beide Frauen nahmen sie am 10. November 2012 ein und starben wenige Minuten später. Anschließend soll er noch mindestens eine halbe Stunde bis zur Alarmierung des Notarztes gewartet haben, um eine Reanimation auszuschließen.

Laut Anklage seien die beiden Seniorinnen nicht sicher gewesen, dass sie sterben wollten, als ihnen der Arzt die Medikamente brachte. Sie hätten mit ihrer Entscheidung gehadert, die 81-Jährige habe geweint. Er habe den beiden Frauen jedoch suggeriert, dass ihre Entscheidung ohne Alternative sei.

Der Angeklagte wollte sich zu Prozessbeginn nicht zu den Vorwürfen äußern. Und Kuschs Verein Sterbehilfe verwies darauf, dass es in dem Verfahren nur um Vorwürfe gegen den Arzt gehe. Als ob Kusch, der nach eigenen Angaben mindestens 60 Menschen beim Sterben „geholfen“ hatte, damit überhaupt nichts zu tun hätte. SMV

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen