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„Wir wollen den Mittleren Abschluss für alle“

NACHGEHAKT Sabine Boeddinghaus von der Hamburger Linksfraktion fordert, dass freiwilliges Wiederholen möglich sein muss. Abgeklärt werden müsse das zwischen Lehrern und Schülern, die Schulbehörde solle sich bei der Entscheidung raushalten

Sabine Boeddinghaus

60, ist schulpolitische Sprecherin und Vorsitzende der Links-Fraktion in Hamburg.

taz: Frau Boeddinghaus, was sagt die Linke? Ist es richtig, wenn Schüler die 10. Klasse wiederholen?

Sabine Boeddinghaus: Es ist schon ein existenzielles Thema, wo es um Lebenschancen geht und wir ins Grundsätzliche kommen. Aus unserer Sicht lehnen wir Sitzenbleiben ab. Wenn aber junge Menschen selber entscheiden, ich mache die 10. Klasse noch mal, weil ich einen besseren Abschluss möchte, und intrinsisch motiviert sind, dann muss man das ermöglichen.

Der Senat legt hierfür Notenhürden fest. Es ist schwerer denn je. Wo würden Sie eine Grenze ziehen?

Mit Noten ist es so eine Sache, man kann trefflich streiten, wie die zustande kommen. Es muss individuell zwischen Schüler und Lehrern abgeklärt werden, wie die Motivation ist. Die Behörde sollte sich raushalten.

Die Hürde wurde vor einem Jahr im Schulgesetz verankert. Wieso wurde im Schulausschuss kaum darüber diskutiert? Ist das kein Politikum?

Es stimmt, dieser Aspekt wurde nicht ausführlich besprochen, ich habe mich enthalten. Es gab damals eine Bündelung von Gesetzesänderungen, unter anderem zur Flüchtlingsbeschulung. Es ist für einzelne Abgeordnete schwierig, auf alles vorbereitet zu sein, zumal wenn einem als einziger Diskussionspartner die Senatsbank gegenübersitzt.

Wird Ihre Fraktion das Thema aufgreifen?

Wir haben bereits eine Anfrage gestellt, um die Praxis zu hinterfragen. Der Schulsenator hat das geschickt verkauft und gesagt, es ist gut für die Schüler, wenn sie eine Ausbildung machen, darüber bekämen sie auch den Mittleren Schulabschluss. Unsere Anfrage hat ergeben, dass bisher nur wenige Auszubildende – etwa 18 Prozent – das auf diesem Weg schaffen. Außerdem werden Wiederholungsanträge von Schülern der Gymnasien viel seltener abgelegt als von Schülern der Stadtteilschulen. Von daher muss ich im Nachhinein sagen, das muss noch mal überprüft werden.

Es gibt auch kaum kritische Stimmen aus Lehrerkreisen. Sie waren lange Elternvertreterin an Gesamtschulen. Wie wird darüber gesprochen? Sind die Wiederholer ein Ärgernis?

Es war nicht das bestimmende Thema. Es ist vom Alltag her nicht zu vergleichen. Damals hat es überwiegend funktioniert, die Schüler im Unterricht zu fördern. Es war mehr Inklusion als heute. Es gibt zwar das Programm „Fördern statt Wiederholen“, doch ich höre oft, das funktioniert nicht optimal, weil nicht transparent ist, wer fördert, mit welcher Qualität und wer Förderung bekommt.

Was ist Ihre politische Forderung?

Auch Schulforscher sagen, es gibt etliche Schüler, denen ein weiteres Jahr den entscheidenden Kick geben würde. Das System muss offener und durchlässiger werden und gerade die besondere Lage in der Pubertät berücksichtigen. Und in unserem Wahlprogramm fordern wir sowieso, dass der Erste Schulabschluss wegkommt.

Wirklich?

Ja. Wir wollen den Mittleren Schulabschluss für alle. Das steht in unserem Wahlprogramm. Es gibt dabei die Debatte, ob es nicht für Schüler schlecht ist, wenn mehr Schüler den Mittleren Schulabschluss machen, weil dann der erste Abschluss noch weniger zählt. Aber wir halten dies für den richtigen Weg.Interview Kaija Kutter

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