piwik no script img

Brandschlag auf FlüchtlingsheimEin Zimmer voller Rauch

2015 brannte das Flüchtlingsheim, in dem Danyel Azari wohnte. Er wurde beschuldigt, es angezündet zu haben. Vom Ende der Ermittlungen erfuhr er nicht.

Im Flüchtlingsheim in Neustadt an der Waldnaab brannte es 2015 Foto: dpa

Nürnberg taz | Danyel Azari chattet mit seiner Frau im Iran, als er ein Geräusch hört, das sein Leben verändern wird: Es klingt, als würden im Erdgeschoss der Flüchtlingsunterkunft Stühle umfallen. Er weckt die anderen Bewohner. Es riecht jetzt nach verbranntem Plastik. Mit zwei anderen Männern geht er nach unten und stößt die Tür zum Gemeinschaftsraum auf. Das Zimmer ist voller Rauch. Danyel Azari sieht zwei Menschen, die aus dem Fenster springen. Draußen steht jemand und hilft ihnen.

Um 3.20 Uhr geht bei der Polizei ein Notruf ein. Es ist der 21. August 2015 in Neustadt an der Waldnaab, östliches Bayern. Überall in Deutschland brennen Flüchtlingsheime. Die Täter werden selten gefunden.

Danyel Azari wird von der Polizei verhört. Er sagt aus, dass in der Nacht vor dem Brand betrunkene Männer vor der Unterkunft standen. Um 2 Uhr klingelten sie minutenlang, ein Bewohner machte schließlich auf. Sie wollten etwas zu trinken. Etwas später klingelten sie noch mal, Danyel Azari öffnete. „Alle Ausländer müssen Deutschland verlassen“, sagten sie zu ihm. „Okay, okay, ich habe verstanden!“, sagte Azari und schloss schnell die Tür.

Die Polizei ermittelt. Weil keiner der anderen Bewohner Menschen gesehen hat, die aus dem Fenster gesprungen sind, entwickeln sie eine neue Theorie: Danyel Azari soll sein eigenes Flüchtlingsheim angezündet haben. Um sich bei den anderen Bewohnern beliebt zu machen, wenn er das Feuer mit ihnen löscht.

Einige Wochen nach dem Brand sitzt Danyel Azari in einem Eiscafé in Neustadt an der Waldnaab. Auf seiner Stirn steht der Schweiß, obwohl es kühl ist. Als die Bedienung nicht hinsieht, hebt er sein T-Shirt und zeigt seine Folternarben aus dem Iran. Er ist Christ, im Ramadan hatte er etwas gegessen und wurde ausgepeitscht. „Ich habe hier ein Einzelzimmer“, sagt er. „Ich kenne die Bilder von den Flüchtlingen, die in Zelten schlafen. Mein privates Zimmer soll ich kaputt machen? Ich bin nicht verrückt.“

Mein privates Zimmer soll ich kaputt machen? Ich bin nicht verrückt

Danyel Azari

Sein Asylverfahren wird gestoppt. Solange die Ermittlungen laufen, sagt die Staatsanwaltschaft. Ende Oktober erscheint in der taz.am wochenende eine Recherche zum Brand in der Flüchtlingsunterkunft. Es gibt Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund: Die Beschreibung der Männer, die in der Nacht geklingelt haben, deutet darauf hin. Gegenüber dem Heim wurde zwei Wochen zuvor ein riesiges Hakenkreuz auf ein weißes Auto gemalt. Ein Nachbar gibt an, zum Zeitpunkt des Brandes ein Auto mit hellen Scheinwerfern vor der Unterkunft gesehen zu haben.

Die Autorin gibt nach Veröffentlichung des Textes Informationen an die Polizei weiter, auch anonyme Hinweise aus der Bevölkerung. Der Täter wird nicht gefasst. Eine taz-Leserin spendet 120 Euro, um Dan­yel Azari bei seinen Anwaltskosten zu entlasten. „Das war eine große Gnade“, sagt er.

Wenn du nicht gestehst, machen wir dir Ärger bei deinem Asylverfahren, sagen die Polizisten zu Danyel Azari – so erzählt er es. Die Staatsanwaltschaft, die Presseauskünfte gibt, weiß davon nichts. Azaris Frau reicht einige Monate nach dem Brand die Scheidung ein. Danyel Azari glaubt, dass die Polizei bei ihr angerufen hat. Und dann wird auch noch sein Asylantrag abgelehnt.

Er wohnt inzwischen in Nürnberg, in einem Wohnblock am Rande der Stadt. Seine Haare sind grauer geworden, er wirkt ruhiger. Gegen die Ablehnung seines Asylantrags hat er geklagt und schließlich vom Amtsgericht Regensburg recht bekommen. Er darf drei Jahre in Deutschland bleiben, dann wird sein Status wieder geprüft. Nächstes Jahr will er die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen, er ist dann nämlich seit fünf Jahren in Deutschland.

Eine Zeit lang hat Azari für BMW gearbeitet, aber sein Chef, ein Deutschtürke, mochte ihn nicht, sagt er. Jetzt ist er wieder arbeitslos.

Er hat auch eine neue Frau kennengelernt, eine Ungarin. „Sie war sehr gut zu mir.“ Aber, erzählt er in einem Café in Nürnberg, sie habe einen gewalttätigen Exmann, der noch immer bei ihr vorbeikomme. Obwohl sie und Azari heiraten wollten, hat es schließlich nicht geklappt. Er probiert es nun mit Onlinedating.

Und was ist aus dem Verfahren wegen Brandstiftung geworden?

Danyel Azari zuckt mit den Schultern. Er weiß es nicht. Die Polizei hatte ihm zuletzt gesagt, dass weiterhin gegen ihn ermittelt werde.

Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Weiden ergibt, dass das Verfahren im Februar 2017 eingestellt wurde. „Der Tatvorwurf konnte nicht erhärtet werden“, schreibt Polizeioberkommissar Albert Brück. Und weiter: „Die Frage nach nach einem Verantwortlichen für den Brand in der Asylbewerberunterkunft bleibt vorläufig ungeklärt.“

„Danke für die Information“, sagt Danyel Azari, als er es erfährt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!