heute in hamburg: „Willkürliche Festnahme“
G20 Stansilaw B. wurde mit Böller und Pfefferspray erwischt. Anwalt hält Verfahren für rechtswidrig
taz: Herr Burmeister, ihr Mandant hatte Feuerwerkskörper und Pfefferspray im Rucksack. Ist das noch normales Reisegepäck?
Jonathan Burmeister: Diese Frage stellt sich nicht. Man ist als Bürger dem Staat nicht rechenschaftspflichtig, solange man nichts Illegales tut. Mein Mandant hat weder an einer Demonstration teilgenommen, noch war er auf dem Weg zu einer. Er ist in eine Personenkontrolle am Bahnhof geraten. Er war auf dem Weg nach Spanien und wollte dort Urlaub machen.
Die Böller und das Pfefferspray sind trotzdem nicht erlaubt.
Ihm war nicht bewusst, dass er ein in Polen gekauftes Pfefferspray nicht nach Deutschland mitnehmen darf. Es gibt die Rechtslage, dass Pefferspray und Böller deutsche Prüfzeichen haben müssen. Wenn er sie in Deutschland gekauft hätte, wären sie nicht illegal. Er hatte es zur Verteidigung dabei, weil er per Anhalter nach Spanien fahren wollte.
Ihr Mandant wurde eine Stunde vor einer Demonstration in Untersuchungshaft genommen. Ist das Willkür?
Ich habe für den Anwaltsnotdienst während des G20 gearbeitet, meine Erfahrung ist, dass es viele willkürliche Festnahmen gab. Ich habe Italiener betreut, die glaubhaft angegeben haben, wegen ihrer Nationalität verhaftet worden zu sein. Die wurden auf dem Weg von einem Konzert zu einer Dönerbude verhaftet. Ich glaube, die Polizei hat sich hilflos gefühlt und über die Stränge geschlagen. Das ist massenhaft passiert, aber von beiden Seiten.
Was kritisieren Sie am Vorgehen der Justiz?
Es fängt damit an, dass mein Mandant überhaupt im Gefängnis sitzt. Das ist eine offensichtlich rechtswidrige Haft. Untersuchungshaft dient der Verfahrenssicherung. Um das Verfahren zu sichern, muss man meinen Mandanten nicht ins Gefängnis stecken. Ihm wird eine Lappalie vorgeworfen, er ist noch nie mit der Polizei aneinandergeraten. Warum man ihn mit solchen Vorwürfen ins Gefängnis steckt, kann man nicht erklären.
Olaf Scholz hofft auf „sehr hohe Strafen“ für Gewalttäter. Ein Einfluss der Politik auf die Justiz?
In diesem Fall haben fünf Richter über die Haft entschieden. Ich kann mir das nicht anders erklären, als dass politisch Druck ausgeübt wurde. Es ist vorauseilender Gehorsam seitens der Hamburger Justiz.
InterviewPhilipp Steffens
11 Uhr, Amtsgericht Hamburg, Sievekingplatz 1
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen