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G20-Sonderausschuss beginntVon wegen „wie die Feuerwehr“

Der Sonderausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wird ab kommender Woche die Ereignisse rund um den G20-Gipfel aufarbeiten. Er hat dann ein Jahr Zeit

Als es vor Rewe brannte, kam die Feuerwehr nicht. Warum, muss der Ausschuss klären, denn die Polizei kann es bislang nicht plausibel machen Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Widersprüche über Widersprüche: Die am Mittwoch veröffentlichte Senatsantwort zu dem Polizei- und Feuerwehreinsatz in der Nacht, in der es während des G20-Gipfels zu schweren Ausschreitungen, Plünderungen und Brandstiftungen kam, passen nach Aufsicht der Hamburger Linkspartei weder zu Zeugenaussagen von Anwohnern noch zu internen Polizeiprotokollen. Auf den Sonderausschuss der Bürgerschaft zu den Gipfelereignissen, der kommende Woche seine Arbeit aufnimmt, kommt viel Arbeit zu.

Im vorliegenden Fall geht es darum, was konkret in der Nacht vom 7. auf den 8. Juli im Bereich Weidenallee/Altonaer Straße am Rande des Hamburger Schanzenviertels geschah. Dort hat ein Anwohner nach eigener Aussage um 23.30 Uhr die Polizei über Plünderungen und eine mögliche Brandlegung in einem Rewe-Markt informiert. Die traf aber erst eine Stunde später am Ort des Geschehens ein.

Die für die Beantwortung der Anfrage zuständige Innenbehörde schreibt, sie sei erst nach Mitternacht über den Notruf, aber auch von eingesetzten Polizeikräften mehrfach über einem Brand vor dem Supermarkt informiert worden. Vor dem Geschäft schlugen nach Mitternacht Flammen aus mindestens einem Einkaufswagen. Das Geschäft selbst sei jedoch „zu keinem Zeitpunkt in Brand geraten“ heißt es in der Antwort – die Rewe-Pressestelle bestätigte dies der taz.

Nach Zeugenaussagen haben zudem die mit der Verkehrsregelung beauftragten Polizeikräfte Löschfahrzeuge der Feuerwehr nicht zum Brandort durchgelassen. Das aber bestreitet die Behörde in der Senatsantwort vehement: Es sei „unzutreffend, dass Feuerwehrkräfte durch die Polizei nicht zum Einsatzort durchgelassen wurden“. Vielmehr hätten die Löschfahrzeuge den Einsatzort „wegen brennender Barrikaden nicht erreichen“ können. Doch Anwohner berichten, dass während des fraglichen Zeitraums alle Zufahrtswege zu dem Lebensmittelgeschäft von der Polizei abgesichert und frei befahrbar waren.

Auch innerhalb der Antwort auf die Linken-Anfrage gibt es einen nicht auflösbaren Widerspruch: Danach war die Feuerwehr um 0.19 Uhr „am Einsatzort“, fünf Minuten später aber meldete der Einsatzleiter der Feuerwehr, „dass der Einsatzort nicht erreicht werden kann“.

„Die Kernfrage ist, warum es so lange gedauert hat, bis Feuerwehr und Polizei vor Ort waren“, sagt die Fragestellerin Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion. „Das ist eine der vielen Merkwürdigkeiten, die wir im G20-Sonderausschuss der Bürgerschaft aufklären müssen.“

Der wird am 31. August das erste Mal tagen und soll sich voraussichtlich bis zur Sommerpause des kommenden Jahres mit den Ereignissen rund um den Gipfel befassen. Drei Themenblöcke werden die Abgeordneten beschäftigen: die Vorbereitung des Gipfels, seine Durchführung und die Ereignisse während der Gipfeltage sowie die Nachbereitung und die aus den Geschehnissen zu ziehenden Konsequenzen. „Klar ist, dass wir über die strittig diskutieren werden“, gibt die grüne Innenexpertin Antje Möller einen Ausblick.

Die SPD-Abgeordnete Martina Friedrich verspricht: Alle Fragen sollen auf den Tisch, alle Akteure gehört werden. So sollen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), die verantwortlichen G20-Planer und Behördenvertreter, aber auch Experten, Betroffene und Zeugen angehört werden.

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