piwik no script img

Nach dem Attentat im finnischen TurkuDer Täter war auch in Deutschland

Der Asylantrag des 18-jährigen Marokkaners war abgelehnt worden. Das Innenministerium kündigt die Vorlage eines „Sicherheitspakets“ an.

Eine Schweigeminute in Turku zur Erinnerung an die Opfer Foto: reuters

Stockholm taz | Die finnische Polizei hat am Montag den 18-jährigen Abderrahman Mechkahden als den Täter einer Messerattacke identifiziert, bei der am Freitag im südfinnischen Turku zwei Finninnen erstochen und acht weitere Menschen verletzt worden waren. Gleichzeitig teilte sie mit, dass man von einem terroristischen Hintergrund ausgehe und gegen mögliche Mittäter ermittle. Für den am Dienstag stattfindenden Haftprüfungstermin kündigte sie den Antrag an, Mechkahden und vier weitere marokkanische Staatsbürger wegen Täter- bzw. Mittäterschaft hinsichtlich zweifachen Mordes und achtfachen Mordversuchs mit terroristischem Vorsatz in Haft zu nehmen.

Nähere Einzelheiten, welche Verbindungen es zwischen den Männern und von diesen möglicherweise zu Terrororganisationen gegeben haben könnte, wurden nicht mitgeteilt. Jyri Rantala, Kommunikationschef der Polizei, bestätigte aber eine Meldung des finnischen Fernsehens YLE vom Montag, wonach die Polizei bereits vor einem halben Jahr einen Tipp bekommen haben, Mechkahden, der Anfang 2016 als Asylsuchender nach Finnland gekommen war, habe sich radikalisiert und sei möglicherweise gefährlich. Dieser Tipp sei nicht weiter verfolgt worden, weil nichts auf eine konkret geplante Tat hingedeutet habe. Zu den rund 350 Personen, die in Finnland im Rahmen der Terrorprävention unter ständiger besonderer Überwachung stehen, habe Abderrahman Mechkahden nicht gehört.

Päivi Nerg, Staatssekretärin im Innenministerium, kündigte an, diese Praxis solle nun überprüft werden und forderte in einem Interview mit der Zeitungsgruppe „Uutissuomalainen“ die Bevölkerung auf, „auch den geringsten Hinweis, jemand könne terroristische Verbindungen haben oder Schaden anrichten wollen“, der Polizei zu melden. Sie kündigte gleichzeitig für den Herbst die Vorlage eines „Sicherheitspakets“ im Parlament an. Zu den geplanten Maßnahmen soll auch eine Beschleunigung des Abschiebeverfahrens gehören. Die bisherige Prozedur sei laut Nerg nicht effektiv genug.

Mechkahden gehörte laut offiziell nicht bestätigten Medienmeldungen zur Gruppe der derzeit rund 700 rechtskräftig abgelehnten AsylbewerberInnen, die Aufforderungen zur freiwilligen Ausreise nicht nachgekommen sind und deshalb auf der behördenintern als „Abschiebewarteschlange“ genannten Liste stehen. Deren einzige Auflage ist, sich in festgelegten Zeiträumen bei der Polizei zu melden. Der Asylantrag des Messerstechers, der wegen einer Beinverletzung infolge eines Polizeischusses im Krankenhaus liegt, soll laut nicht bestätigten Medienberichten aufgrund von Falschangaben abgelehnt worden sein.

Der Terror ist nach Finnland gekommen

Sauli Niinistö, finnischer Staatschef

Wohl wissend, dass er als marokkanischer Asylsuchender in Finnland kaum eine Chance auf Anerkennung gehabt hätte, soll Mechkahden angegeben haben, Palästinenser zu sein. Zu seinem Hintergrund wurde aus dem Bundesinnenministerium in Berlin bekannt, er habe sich zwischen Ende 2015 und Anfang 2016 in Deutschland aufgehalten, sei erkennungsdienstlich behandelt worden, habe aber keinen Asylantrag gestellt.

Mit der Aussage, „der Terror ist nach Finnland gekommen“, hatte der finnische Staatschef Sauli Niinistö am Sonntag auf die Gewalttat reagiert. Er lobte nicht nur die Arbeit von Polizei und Rettungskräften, sondern auch den Einsatz von Passanten, die sich dem Täter in den Weg gestellt hätten. Gleich­zeitig warnte er vor einer pauschal gegen Asylsuchende gerichteten Debatte, die es in Finnland bereits gebe und „die eher missverstehen als verstehen will“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Wie ist es denn möglich, dass immer die Falschen gehen müssen, für deren Bleiberecht sogar Unterschriften gesammelt wurden? Whrenddessen werden Gefährder von V-Leuten bis zu den Tatorten gefahren, die mögliche Abschiebung von Straftätern wird versäumt, ... Das Verhalten der Innenministerien und der ihnen nachgeordneten Behörden kommt mir schon mal vor wie ein Rassismus-Förderungsprogramm.

  • "pauschal gegen Asylsuchende gerichteten Debatte"

     

    Merkwürdige Erwartungshaltung. Man holt sich junge Asylbewerber ins Land und wundert sich, dass diese nach mehrjähriger Prüfung des Asylantrags nach erfolgter Ablehnung nicht einfach wieder ausreisen.

     

    Das Prinzip der Asylprüfung ist das Problem. Der Asylantrag muss vor der Einreise gestellt und geprüft werden. Die Probleme mit abgelehnten und deswegen verständlicherweise frustrierten Asylbewerbern stellen sich dann nicht mehr.