piwik no script img

Zukunft der Kleingärten in BerlinGartenzwerge müssen bangen

Neue Flächen für Kleingärten wird es nicht mehr geben, sagt der Senat. Es fehle der Platz. Der „Kleingartenentwicklungsplan“ wird überarbeitet.

Seine Zukunft sieht nicht gerade rosig aus Foto: dpa

Ähnlich hart umkämpft wie der Wohnungsmarkt könnte bald das Angebot von Kleingärten sein. Während aber weiterhin Häuser und Wohnungen gebaut werden, um die Nachfrage in der wachsenden Stadt – zumindest theoretisch – bedienen zu können, werden in Berlin kaum mehr neue Kleingartenanlagen „in nennenswerter Größe“ entstehen. Dies teilte Umweltstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne) in einer Antwort auf eine am Wochenende veröffentlichte kleine Anfrage der FDP mit.

Grund sei laut Kirchner das „knappe Flächenangebot, das zudem unter deutlicher Nachfragekonkurrenz steht“. Im Klartext bedeutet das: Der Bau von Wohnungen und Infrastruktur hat Vorrang vor Stadtgrün. Um dennoch einige zusätzliche Parzellen zu schaffen, sollten Kleingartenanlagen saniert und frei werdende Gärten geteilt werden.

Die aktuellsten Zahlen sind laut der Antwort der Umweltverwaltung auf dem Stand von Dezember 2015. Damals existierten in ganz Berlin 915 Kleingartenanlagen mit genau 73.030 Parzellen. Deren Gesamtfläche von knapp 3.000 Hektar war in den zehn Jahren davor um rund 10 Prozent geschrumpft. Ein Teil davon wurde geräumt, unter anderem für die umstrittene Verlängerung der Stadtautobahn A 100. Lediglich zwei Kleingartenanlagen mit zusammen nicht einmal drei Hektar Gesamtfläche sind zwischen 2004 und 2014 neu entstanden.

Dass für die Erholung der Berliner wichtige Grünflächen weichen müssen, ist Umweltverbänden schon länger ein Graus. Im vergangenen Sommer kritisierte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dass dem damaligen rot-schwarzen Senat ein Konzept fehle für den Erhalt kleinteiliger Flächen wie Brachen und eben Laubengärten.

Berlins Lauben

Laut Umweltverwaltung sind Kleingärten „wesentlicher Bestandteil des Stadtgrüns“. Und weiter: „Keine vergleichbare Metropole verfügt über eine solch große Zahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadt.“

Insgesamt gibt es laut Zahlen der Senatsverwaltung gut 73.000 Parzellen in Berlin, vor allem in den großen grünen Bezirken wie Pankow (10.300 Parzellen), Neukölln (9.400) und Treptow-Köpenick (9.200). (taz)

Diesem Vorwurf entgegnen will die rot-rot-grüne Koalition durch die „grundlegende Überarbeitung“ des sogenannten Kleingartenentwicklungsplans. Wesentliche Aspekte dabei sind laut Kirchner die Bevölkerungsentwicklung, eine nachhaltige Stadtentwicklung, der wahrscheinliche Wohnungsbedarf sowie die Nachfrage nach Lauben.

„Oberste Priorität hat dabei entsprechend der Koalitionsvereinbarung, Kleingärten in ausreichendem Maße zu sichern“, betont der Staatssekretär. Derzeit würden noch Daten für den Kleingartenentwicklungsplan erhoben, Ende kommenden Jahres sollen Senat und Parlament die Neuauflage des Plans beschließen.

In den vergangenen Jahren hatte es um räumungsbedrohte Gartenanlagen immer wieder Konflikte gegeben. Besondere Schlagzeilen machte ein Konflikt in Schmargendorf, wo sich Pächter der Kolonie Oeynhausen gegen Wohnungsbaupläne der Groth-Gruppe auf ihrem Gelände wehrten. Sie gewannen im Mai 2014 sogar einen Bürgerentscheid für die Erhaltung ihrer Kolonie mit großer Mehrheit. Dennoch mussten 150 Pächter ihre Gärten räumen.

Im Jahr 2020 läuft für zahlreiche Kleingartenanlagen die Schutzfrist aus. Betroffen sind laut Senatsverwaltung für Umwelt ganz oder teilweise mehr als 150 Anlagen im gesamten Stadtgebiet. Das entspreche rund 8 Prozent der Gesamtfläche aller Kleingartenanlagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!