Kommentar „Ende Gelände“-Protest: Rheinland ist das neue Wendland
Tausende strömen diese Woche zum Klimaprotest ins Rheinland. „Ende Gelände“ ist Deutschlands neue Protestwerkstatt.
H amburg? Na ja. Wer wissen will, was wirklich so los ist in der deutschen außerparlamentarischen Linken, hat jetzt die Chance, es zu erfahren. Anders als im Norden, wo bei der Großinszenierung rund um den G20-Gipfel kaum Zeit und Raum war, mal fundierter zu reden, sind die Klimaproteste im Rheinland inzwischen zu einer echten Protestwerkstatt geworden – und zwar zu Deutschlands erster Adresse in Sachen basisdemokratischer Demokratiedebatten und Blockadetraining.
Rund um den für kommendes Wochenende geplanten Sturm auf die Kohlegruben im Rheinland kommt dort inzwischen alles zusammen, was in Deutschlands außerparlamentarischer Linker Rang und Namen hat – wie früher nur bei den Castor-Protesten im Wendland. Wie kommt das – und was heißt das?
Im Rheinland ist über die Jahre – erst mit kleinen Zeltlagern, dann mit immer mehr Zulauf – etwas entstanden, das verbindet. Gruppen aus nahezu sämtlichen linksalternativen Lagern kommen hier inzwischen zusammen. Erst gibt es Redezirkel, Lesekreise und Protesttrainings, dann mit der Besetzung der Braunkohlebagger ein großes Gemeinschaftserlebnis. Wie einst im Wendland sind die Protestzonen fein aufgeteilt – nach Adrenalinbedarf: Hier diskutieren die Sanften, dort laufen die Besetzer.
Dass die Frage der Klimagerechtigkeit dabei im Mittelpunkt steht, ist Ergebnis eines jahrelangen außerparlamentarischen Arbeitsprozesses, dessen Erfolg anfangs wenige für möglich hielten. Was hat die Kohlegrube in Garzweiler mit irgendwelchen Pazifikinseln zu tun? Und was die Rahmenbetriebspläne von RWE mit der Arbeitslosenquote?
Die Energiefrage war schon immer eine geeignete Vorlage für die Erprobung systematischen und sozialen Denkens. Das ist einer der Gründe, weshalb sich diese Woche Tausende im Rheinland treffen. Der andere: Sie haben mit dem Kohleausstieg noch etwas zu gewinnen – und inhaltlich zu gestalten.
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