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Kind im Vollrausch

ALKOHOLMISSBRAUCH Siebenjähriger wird mit 2 Promille ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Familie ist dem Jugendamt bekannt. Drogenexperte: Dramatischer Einzelfall

„Die Familie hat schon genug Probleme. Sie muss nicht noch an die Öffentlichkeit gezerrt werden“

VON PLUTONIA PLARRE

Jedes Wochenende betrinken sich Jugendliche bis an die Grenze zur Bewusstlosigkeit. Nun wurde ein Siebenjähriger im Vollrausch aufgefunden. Laut Polizei wurde der Junge am Sonntagabend in Spandau mit mehr als 2 Promille Alkohol in eine Intensivstation eingeliefert. Es bestehe keine Lebensgefahr mehr, das Kind müsse aber weiter stationär behandelt werden, hieß es am Montag.

Nach Angaben der Polizei hatten Anwohner am Sonntag gegen 18 Uhr auf dem Gehweg der Schönwalder Straße einen zitternden Jungen gefunden, der sich in einem fort übergeben musste. Die Feuerwehr brachte das Kind ins Krankenhaus. Nach ersten Ermittlungen soll der Siebenjährige zusammen mit seinem neun Jahre alten Bruder auf einem Spielplatz getrunken haben. Zur Herkunft des Alkohols hat der Neunjährige offenbar gesagt, diesen von anderen Jugendlichen auf dem Spielplatz bekommen zu haben.

Nach diesen Jugendlichen wird nun gesucht. Es sei ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet worden, sagte ein Polizeisprecher. Gegen die Eltern der Jungen hingegen wird nicht ermittelt. Denkbar wäre zum Bespiel, dass sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben, was strafbar ist. Dass Kinder gegen 18 Uhr noch auf der Straße sind, sei aber gerade noch vertretbar, sagte der Polizeisprecher zur taz. Auch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern von dem Alkoholkonsum gewusst beziehungsweise den Kindern den Sprit gar zur Verfügung gestellt hätten.

Dem Spandauer Jugendamt war die Familie schon vor dem Vorfall bekannt. Man habe sofort reagiert und der Familie ein Hilfsangebot unterbreitet, sagte die zuständige Jugendstadträtin Ursula Meyes (SPD). Einzelheiten wollte sie aus Schutzgründen nicht nennen. Die Familie habe „schon genug Elend und Probleme, sie muss nicht noch von der Presse an die Öffentlichkeit gezerrt werden“. Dass ein Siebenjähriger bis zum Umfallen trinke, habe sie allerdings noch nie erlebt, sagt Meyes. „Ich war sprachlos, als ich das hörte.“

Seit dem Tod eines 16-Jährigen, der 2007 nach dem Wetttrinken mit einem Wirt ins Koma fiel, ist die Öffentlichkeit für Alkoholmissbrauch von Jugendlichen sensibilisiert. Der Wirt ist im Sommer zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden. Nach Angaben von Matthias Apel, Mitarbeiter der Landesdrogenbeauftragten, sind 2006 in Berlin 296 Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert worden; Mindestverweildauer in der Klinik bei dieser Erhebung ist eine Nacht. Von den Eingelieferten waren 69 zwischen 10 und 15 Jahre alt. 2007 waren es 335 Jugendliche, 84 waren zwischen 10 und 15 Jahre alt.

Unter Zehnjährige werden laut Apel nicht erfasst, weil sie in puncto Alkoholvergiftung keine statistische Größe darstellen. Dass ein Siebenjähriger betroffen ist, ist auch Apel noch nie untergekommen. „Das ist ein dramatischer Einzelfall. Dabei bleibt es hoffentlich.“

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