Forschung über NS-Beamte in der BRD: Globkes Netzwerk unter der Lupe
Die Bundesregierung will die NS-Belastung zentraler Behörden untersuchen lassen. Das Bundeskanzleramt ist endlich auch mit dabei.
So werden sich das Institut für Zeitgeschichte und das Zentrum für Zeithistorische Forschung mit der „Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte des Bundeskanzleramts“ befassen können. Das zweite Forschungsprojekt ist bei der Universität Siegen angesiedelt und untersucht die Kommunikationspraktiken und Netzwerke des Kanzleramts in den 1950er Jahren.
Die anderen Projekte befassen sich unter anderem mit dem inzwischen nicht mehr existierenden Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, der Geschichte der Landesämter für Denkmalschutz in Bayern, Thüringen und Württemberg oder der „Formierungsphase der Justizbehörden in den Ländern nach 1945 im deutsch-deutschen Vergleich“. Auch die „Ideen und Praktiken der Demokratisierung nach 1945“ sollen untersucht werden.
Insgesamt stellt die Bundesregierung bis 2020 Fördermittel in Höhe von 4 Millionen Euro zur Verfügung. Die Auswahl der Projekte erfolgte auf der Grundlage des Votums einer siebenköpfigen Expertenkommission aus unabhängigen WissenschaftlerInnen, die Grütters berufen hatte. „Das Thema NS-Vergangenheit der Bundeseinrichtungen hat hohe politische Relevanz“, teilte die Ministerin mit. „Mit dem neuen Programm fördern wir erstmals institutionsübergreifende Forschungsarbeiten, die sich nicht am Raster von Behörden, Zuständigkeiten und Geschäftsbereichen orientieren.“
Überfällige Aufarbeitung
Genau das hält der Linkspartei-Abgeordnete Jan Korte jedoch für problematisch. Zwar begrüßte er das Forschungsprogramm grundsätzlich. „Ob die Summe von 4 Millionen Euro für insgesamt 10 Projekte allerdings ausreichend ist, scheint mir zweifelhaft“, sagte Korte der taz. „Deshalb werden wir uns die Finanzierung genauer ansehen.“ Seine Befürchtung: „Hinter dem erst einmal gut klingenden ‚ressortübergreifenden Ansatz‘ steckt der Versuch einer gewollten geschichtspolitischen Verwässerung.“
Unterstützt von zahlreichen GeschichtswissenschaftlerInnen fordert die Linkspartei seit Jahren schon eine eigene unabhängige HistorikerInnenkommission zur Geschichte des Bundeskanzleramtes. „Nicht nur der Fall Globke, sondern auch der Umgang mit NS-belastetem Personal in Ministerien und Behörden wurden vom Bundeskanzleramt aus gesteuert“, so Korte. Insofern sei die wissenschaftliche Aufarbeitung seiner Rolle überfällig.
In einer Anhörung des Bundestagskulturausschusses im Juni 2016 hatte sich die eingeladenen Sachverständigen – und zwar unabhängig davon, von welcher Fraktion sie benannt wurden – einhellig dafür ausgesprochen, die Geschichte des Bundeskanzleramts aufgrund seiner zentralen Bedeutung gerade in der Adenauer-Ära eigenständig erforschen zu lassen. Darüber setzte sich Kulturstaatsministerin Grütters indes hinweg und schrieb stattdessen im November 2016 ihr ressortübergreifendes „innovatives“ Forschungsprogramm aus. „Dadurch eröffnen sich der Forschung völlig neue Zugänge und Perspektiven“, so ihre Begründung.
Es hat lange gedauert, bis sich die bundesdeutschen Institutionen bereit gefunden haben, die braunen Flecken der eigenen Geschichte erforschen zu lassen. Erst nach der Jahrtausendwende, als die meisten Belasteten längst verstorben waren, begann in der Bundesregierung ein Prozess der Aufarbeitung. Inzwischen haben siebzehn Ministerien und oberste Bundesbehörden HistorikerInnenkommissionen eingesetzt, um ihre Geschichte aufarbeiten zu lassen. Nicht darunter befindet sich aber bisher ausgerechnet das Bundeskanzleramt, das zwischen 1953 und 1963 von dem NS-belasteten Hans Globke geleitet wurde.
Adenauers mächtiger Staatssekretär ist eine der schillerndsten Personalien in den Anfängen der Bundesrepublik. Der Name des Kommentators der Nürnberger Rassegesetze, der bis 1945 in Hitlers Reichsinnenministerium gearbeitet hatte, steht wie kein anderer für die Kontinuität nationalsozialistischer Funktionseliten, die in der Bundesrepublik ihre Karrieren fortsetzen konnten. „Das Bundeskanzleramt war die Schaltzentrale für den politischen Umgang mit der NS-Vergangenheit in der frühen Bundesrepublik“, konstatiert der Abgeordnete Korte.
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