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Überforderte Rekruten der BundeswehrDopen muss man können

Beim kollabierten Offiziersanwärter sollen Aufputschmittel im Spiel gewesen sein. Das hat beim deutschen Militär schon eine Tradition.

Nicht sonderlich sexy Foto: dpa

Laut einem Bericht der FAZ sollen im Fall der bei einem Übungsmarsch im niedersächsischen Munster kollabierten Offiziersanwärter Aufputschmittel im Spiel gewesen sein. Am 19. Juli waren vier Soldaten zusammengebrochen, von denen einer sogar im Krankenhaus verstarb. Ausbilder gaben an, sie wollten „gar nicht so genau wissen, was sich ihre Untergebenen einwerfen“ (FAZ). Gesicherte Erkenntnisse gibt es jedoch nicht, und natürlich dementiert das Bundesverteidigungsministerium.

Dabei haben aufputschende Drogen große Tradition im deutschen Militär. Das als „Panzerschokolade“ oder „Fliegermarzipan“ bekannte Methamphetamin Pervitin steigerte die Konzentration, senkte die Angst und drängte die Müdigkeit zurück.

Natürlich muss man das Doping auch abkönnen. Wären an synthetische Drogen gewöhnte Berliner Feierhansel und zukünftige Zeitsoldaten dieselbe Klientel, gäbe es keine Ausdauerprobleme, zumindest nicht im Wachdienst beziehungsweise Wachbleibdienst. Eine große Toleranz gegenüber Aufputschmitteln trüge solche durchtanz­erprobten Anwärter quasi mit „geliehener Kondition“ zweimal um den Block. Und mehr wird gar nicht mehr verlangt, sonst gäbe es ja nur noch Tote.

Doch außer einer gewissen Grundverstrahltheit weisen die genannten Gruppen wenige Schnittmengen auf. Aus einem einfachen Grund: Töten ist nicht sexy. Es hat keinen guten Ruf, sondern gilt als Low-Life-Beschäftigung für Irre und Fanatiker mit notorischer Kiefersperre.

Erschreckend niedriges Niveau der Bewerber

Hinter der spektakulären Drogenlegende verbirgt sich übrigens eine unscheinbarere, doch im Endeffekt entscheidendere Problematik. Der verstorbene Anwärter brach nämlich bereits nach drei Kilometern (!) Wegstrecke und bei einer Außentemperatur von siebenundzwanzig Grad zusammen. Obwohl oder weil die Wehrpflicht abgeschafft wurde, sprach ein Fernmeldestabsunteroffizier im persönlichen Gespräch kürzlich von einem erschreckend niedrigen Niveau der Ausbildung, angepasst an das der Bewerber. Das betreffe die Bildung, die ­kognitiven Fähigkeiten sowie die körperliche Leistungsfähigkeit der Anwärter und Rekruten. Wer trotz leistungssteigernder Drogen nach dreihunderttausend Zentimetern zusammenbricht, ist ein Symptom für den Zustand des Heers. Und zwar egal, ob er diese Drogen nun genommen hat oder nicht.

So, jetzt kommt Opa und erzählt von seiner Zeit bei der Bundeswehrmacht. Peinlich, gewiss. Aber irgendwann wäre die Schande eh rausgekommen und außerdem war das ja alles eine ganz andere Zeit, Kinderchen, wir wussten doch von nichts. Kaserne Traunstein. Gebirgsflugabwehr. Die ersten drei Tage hatten wir noch Angst. Die haben immer so geschrien. Doch bald haben wir, ein reiner Abiturientenjahrgang, nur noch gelacht. Die Unteroffiziere waren so unglaublich dumm. Wir persiflierten ihr Gehabe, ihr ­Geschrei, den ganzen lächerlichen Militärkram; wir spielten wie im Volkstheater komplette Szenen auf der Stube nach. Wir lachten uns schier zu Tode, ein unendlicher Spaß, ganz ohne Drogen.

Wären an ­synthetische Drogen gewöhnte Berliner Feierhansel und zukünftige Zeit­soldaten dieselbe Klientel – es gäbe keine Ausdauer­probleme

Im Normalfall wäre es moralisch mehr als fragwürdig von uns Bürgerkindern gewesen, sich in ableistischer Manier über Leute hart dies- und jenseits der Debilitätsgrenze lustig zu machen. Aber wir waren nun mal Gefangene eines Zwangsdienstes, und sie waren die Wärter. Die Vorstellung, dass derartige Vorgesetzte heute über eine noch weit schlimmere Verfassung ihrer Untergebenen klagen können, lässt Abgründe erahnen, die Frau von der Leyen gar nicht kennt und sicher auch nie kennenlernen möchte.

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14 Kommentare

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  • Krieg ist nun mal ungesund.

    Just say no!

  • @NGUYEN "ultraleichter Kevlar-Helm" also bitte: Der M92 wiegt etwa 250g mehr als ein M1A1 in der entsprechenden Kopfgröße. Meine alte Murmel blieb selbst mit Tarnung noch unter 1,5kg.

  • (…) “Erschreckend niedriges Niveau der Bewerber“ (…) “...Fernmeldestabsoffizier im persönlichen Gespräch kürzlich von einem erschreckend niedrigen Niveau der Ausbildung, angepasst an das der Bewerber...“ (…)

     

    Wenn diese Aussage uneingeschränkt zutrifft, dann muss auch die Frage erlaubt sein: Wer hat diese offensichtlich ungeeigneten Bewerber eingestellt und was sagt das über die Qualität der “Bundeswehr-Castings“ aus? Hier wird komplett ausgeblendet, dass die Anforderungen von uniformierten Sicherheitsbehörden an seine Bewerber und Auszubilden im Laufe der Jahrzehnte permanent gestiegen sind; die Anforderungen an das heutige Personal sind komplexer und/oder spezieller den je. Die Leistung der Auszubildenen wird heute zu Tage unter Zeitdruck abgerufen – die Benotung findet mit der Stoppuhr im Hintergrund statt. Dies ist Teil eines Selektionsprozesses und dieser wiederum Teil eines (systematischen) Rankings, welches sich in der Beurteilung widerspiegeln soll. Die Beurteilung bildet den Schlüssel für die “Karriere“ in der Truppe; nicht nur in kauf genommen, sondern ausdrücklich erwünscht ist hierbei das “Konkurrenzdenken“ unter den Rekruten.

    Ein offenes Geheimnis ist, dass beim heutigen “Bundeswehr-Casting“ dem Einstellungsgremium Quotenvorgaben gemacht werden – unabhängig vom Niveau der Bewerber. So mancher Hauptmann, als Teil dieses Einstellungsgremiums, wird sich in Bezug auf diese “Niveauproblematig“ der Bewerber vermutlich denken: Die wollen es so, dann bekommen sie es auch (gemeint ist die BW-Führung). Und schließlich geht es hierbei ja auch um die Erfüllung von Soll- bzw. Iststärke in der Truppe!

    Ob die Durchfallzahlen (Lehrgänge/Prüfungen) später hoch sein werden oder viele Rekruten frühzeitig ihren Dienst quittieren (müssen) interessiert viele Verantwortliche nicht.

    In sofern muss hierbei die Frage erlaubt sein: Was läuft schief im “System Bundeswehr“? Die Schuld alleine bei den Rekruten zu suchen ist ungerecht und dumm!

    • @Thomas Brunst:

      Es war im Artikel die Rede von einem Fernmelde-Stabsunteroffizier. Die sind "an vorderster Front" mit der Rekrutenausbildung betraut. Stabsoffiziere haben in der Regel nichts mit Rekrutenausbildung zu tun.

  • Es wäre ausgesprochen interessant zu erfahren, was die Betroffenen nun wirklich genommen haben. Ein Energydrink erscheint wenig plausibel. Was bei der Bw mit ziemlicher Unbedenklichkeit im Umlauf ist, ist Paracytamol. Aber selbst das wäre schon ziemlich ungewöhnlich bei Leuten, die kaum zwei Wochen dabei waren.

  • "Dopen"

     

    Es ging um Energy-Drinks. Ist das Doping? Auch als normal-Gebildeter wüsste ich nicht, dass frei verkäufliche Limonade gefährlich ist und das Leistungsvermögen beeinträchtigt.

     

    Ein bedauerlicher Unglücksfall der durch entsprechende Aufklärung zukünftig leicht vermieden werden kann.

  • Frisch aus der Mailtüte -

     

    "Gruß vom Donaustrand

    Jetzt hätte der Chefredakteur mal einen Grund, sich für die taz zu entschuldigen.

    Satire darf alles, aber Zynismus ist keine Satire."

  • Doping macht nur dann gesundheitlich Sinn, wenn es für einen geschwächten Körper überwiegend gesundheitlich positiv ist. Und wiederholt hat sich gezeigt, dass engagiertes Dopen ohne Arzt sogar lebensgefährlich ist. Und doch wird aus Streben Ruhm und Ehrgeiz auch jenseits des Spitzensports heimlich gedopt?

     

    Braucht die Bundeswehr und auch die Polizei dann nicht Doping-Kontrollen?

  • Da schau her.

     

    "…Hannemann selbst sieht seine Geschichten geprägt von „einem distanzierten Blick von außen, beinahe wie ein Ethnologe.

    In Verbindung mit mutwilliger Überspitzung ergibt sich die Komik dabei von selbst.“[3…" https://de.m.wikipedia.org/wiki/Uli_Hannemann -

    Naja. Naja.

     

    Da der nicht gerade als schüchtern bekannte Uropa angesichts mehrerer Zusammenbrüchen & vor allem eines Toten unter bisher weitgehend ungeklärten Umständen - keinen

    Anlaß sieht, seinerseits aus der

    Y-Kiste (wg Ende von Germany = Bindeswehr!) zu erzählen!

    Fragt er beim - genau genau -

    Opa Uli von der Bundeswehr -

    Nu. Nur wieder mal vorsichtig nach -

    "Geht's noch, Großvater?! -

     

    kurz - Die unsäglich-widerlichen

    Dämlacks - "Alles Abschaum heute! -

    Wir damals vor Stalingrad!" -

    Haben mir bis heute -

    Mehr als gereicht - kerr!

     

    -------

    ps Von dem von Leere&Erschöpfung Gezeichneten Gesicht meines Arztes Ganz zu schweigen - Der vergeblich -

    Des nachts versucht hatte - operativ Den Volontär zu retten - Dem ein

    LN-Redakteur - "Ham wir immer -

    Ei vom Stahlhelm" - Statt der Bierflasche auf dem Kopf - Mit seiner 08 - In die Stirn geschossen hatte!)

  • Sie ziehen vorschnelle Schlußfolgerungen, lieber Autor. Drei Kilometer hin oder her - wir wissen nicht, was vorher passiert ist, wir wissen nicht, welche Art von "Marsch" das war, wir kennen die Umstände nicht. 27 Grad ist unter einem Stahlhelm möglicherweise schon genug. Auch mag man in der Sonne marschiert sein, nicht im Schatten, wo die Temperatur gemessen wurde.

     

    Schon mal bei Knallesonne mit einem Stahlhelm und Gepäck marschiert?

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @kditd:

      "Schon mal bei Knallesonne mit einem Stahlhelm und Gepäck marschiert?"

       

      Ja, aber sehr ungern und eben ohne Dope...

    • @kditd:

      "Schon mal bei Knallesonne mit einem Stahlhelm und Gepäck marschiert?"

      Stahlhelme gibts schon lange nicht mehr. Das war ein ultraleichter Kevlar-Helm. Hat eher Hutcharakter, ist aber stabiler...

      Und viel Gepäck hatten die auch nicht gehabt.

      Insofern paßt die Artikelüberschrift: "Dopen muss man können." Dem ist nichts hinzuzufügen.

    • @kditd:

      "Schon mal bei Knallesonne mit einem Stahlhelm und Gepäck marschiert?"

       

      Ja. Steht im Text. Und ein Zusammenbruch nach 3km ist tatsächlich ungewöhnlich. Liegt wohl (auch) an den Aufputschmitteln. Erschreckend ist, dass die Einnahme dieser "Helferchen" die Vorgesetzten nicht zu interessieren scheint.

    • @kditd:

      Schon mal bei Knallesonne mit einem Stahlhelm und Gepäck marschiert? Ja, recht häufig sogar und nicht nur bei einem Ü-Marsch in der Grundausbildung...