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Ausgleich für Fluss-VertiefungDie Elbe bleibt noch lange flach

Ökologische Ausgleichsfläche für den Schierlings-Wasserfenchel verzögert sich. Ohne sie aber kein Baggern in der Elbe. In diesem Jahrzehnt geht wohl nichts mehr

Neue Heimat für den Schierlings-Wasserfechel: die Billwerder Insel Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Mit der Elbvertiefung wird es in diesem Jahrzehnt nichts mehr werden. Nur mit sehr viel Planungsglück wird es Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gelingen können, wenige Tage vor der turnusmäßigen Bürgerschaftswahl im Februar 2020 mit dem ersten Spatenstich eine Schaufel Schlick aus der Elbe zu holen. Doch daran glaubt selbst die federführende Wirtschaftsbehörde nicht mehr.

Denn in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Michael Kruse und Kurt Duwe drückt sie sich vor belastbaren Äußerungen zur Fertigstellung der ökologischen Ausgleichsfläche Billwerder Insel, die als neue Heimat für den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel vorgesehen ist. „Eine verlässliche Angabe zu bestimmten Zeitplänen ist aufgrund des durchzuführenden Beteiligungsverfahrens nicht möglich und zur Vermeidung von Verfahrensfehlern nicht angezeigt“, lautet die ebenso ausführliche wie nichtssagende Antwort.

„Täglich grüßt das Murmeltier“, kommentiert FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Kruse diese Auskunft. Kaum mache der rot-grüne Senat einen Plan, folge auf dem Fuße die erste Zeitverzögerung. Deshalb gehe der Senat selbst nicht mehr davon aus, die Planverfahren für die Elbvertiefung noch in diesem Jahr abschließen zu können. Das aber, erinnert Kruse, habe Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) in einer Befragung vor dem Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft verkündet. Daraus aber werde nun nichts.

Frühestens im ersten, wahrscheinlich aber erst im zweiten Quartal 2018 könnten die Plan­unterlagen inklusive der notwendigen umweltfachlichen Bewertungen erstellt werden, geht zwischen den Zeilen aus der Senatsantwort hervor. Daran schließe sich ein Beteiligungsverfahren an, in dem die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF ihrerseits die Pläne prüfen und bewerten. Sie hatten mit ihrer erfolgreichen Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht den Beginn der Elbvertiefung verhindert.

Die Elbvertiefung

Am 9. Februar entschied das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz, dass der Planfeststellungsbeschluss zur Elbvertiefung in seiner jetzigen Form rechtswidrig und nicht vollziehbar sei. Allerdings könnten die Mängel nachträglich behoben werden und das Projekt damit grundsätzlich zulässig sein.

Dazu müssten mit Gutachten und ökologischen Ausgleichsmaßnahmen befürchtete Schäden an Fauna und Flora des Ökosystems Unterelbe ausgeschlossen oder ausgeglichen werde. Dabei geht es vor allem um Lebensraum für den Schierlings-Wasserfenchel – eine nur an der Tideelbe existierende Pflanze.

Die Unterelbe soll zwischen der Nordsee und dem Hamburger Hafen auf rund 120 Kilometern Länge vertieft und stellenweise verbreitert werden. Dafür müssen etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick vom Grund geholt und zum größten Teil in der Nordsee verklappt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen Lkw-Ladungen.

Die Kosten tragen der Bund zu zwei Dritteln und Hamburg zu einem Drittel. Sie belaufen sich nach früheren Schätzungen auf mindestens 600 Millionen Euro. Die Kosten für ökologische Ausgleichsmaßnahmen kommen noch oben drauf.

„Zu welcher Bewertung wir bei diesem Planergänzungsverfahren kommen werden, können wir jetzt logischerweise noch nicht wissen“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. Da die Planer von Bund und Hamburg ökologische Bedenken und Erfordernisse bislang nur höchst unzureichend berücksichtigt hätten, sei es nicht ausgeschlossen, dass gegen die Planergänzung ebenfalls geklagt werde.

Mit dieser sei frühestens im Herbst 2018 zu rechnen, das daran anschließende Verfahren vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht in Leipzig müsse mit mindestens einem Jahr veranschlagt werden. „In diesem Jahrzehnt“, sagt Braasch, „wird mit der Elbvertiefung nicht mehr begonnen werden – wenn überhaupt.“

Denn die Ausbaggerung der Fahrrinne für die Containerriesen der Zukunft kann nur zeitgleich mit der Herstellung der ökologischen Ausgleichsfläche auf der Billwerder Insel geschehen. Dort soll das Gelände einer 1990 stillgelegten Trinkwassergewinnungsanlage für den Schierlings-Wasserfenchel hergerichtet werden.

Die alten Betonbecken aus dem 19. Jahrhundert sollen aufgebrochen und das gesamte Gelände umgestaltet werden: Priele, Wattflächen und Gehölz­inseln sollen dem Tideeinfluss der Norderelbe geöffnet werden. Mit dieser Erweiterung könne „dem Schierlings-Wasserfenchel eine stabile und weitgehend ungestörte Entwicklung“ ermöglicht werden, hofft die Wirtschaftsbehörde.

Und wenn Umweltverbände und Bundesverwaltungsgericht diesen Plan akzeptieren, könne endlich der Hamburger Hafen auch die ganz großen Pötte willkommen heißen. Ziemlich viel Prinzip Hoffnung, findet Kruse: „Man bekommt den Eindruck das der Senat sich um ehrliche Antworten drückt.“

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2 Kommentare

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  • Durch die neunte Elbvertiefung soll die mittlere Tiefe der Unterelbe von 16,8 m auf etwa 19,2 m unter NN erhöht werden. Nach der ersten Elbvertiefung vor rund 200 Jahren hatte der Strom am Unterlauf noch eine mittlere Tiefe von 5,4 m unter NN. Im 20. Jahrhundert wuchs diese von 6,7 m auf 16,8 m unter NN an.

     

    "Flach" ist die Unterelbe also schon lange nicht mehr. Mit allen negativen Folgen für Mensch und Umwelt.

    • @cursed with a brain:

      Ja, die Handelsmetropole Hamburg ist ja so unfassbar arm.