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Wiederholte VerstößeBewaffneter Nazi war polizeibekannt

Zahlreiche Waffen hat die Hamburger Polizei bei dem verstorbenen Lutz H. sichergestellt. Wegen des Waffengesetzes wurde der Neonazi bereits einmal verurteilt.

Wie viele Waffen einsatzfähig sind, wird jetzt geprüft: Teil des Arsenals von Lutz H Foto: mac

Hamburg taz | Der verstorbene Neonazi Lutz H. war Polizei und Staatsanwaltschaft schon vor den Waffen­funden am letzten Donnerstag bekannt. Bereits im vergangenen Jahr strengte die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz gegen Lutz H. an, nachdem Beamte in seiner Privatwohnung in Hamburg-Hohenfelde einen einsatzfähigen Kleinkaliberrevolver der Marke Arminius samt Munition sichergestellt hatten.

Lutz H. wurde per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt, die er akzeptierte. Beglichen hat er jedoch nur 10 Euro, bevor er Anfang April dieses Jahres im Krankenhaus verstarb. Die Frage, ob in seiner Drei-Zimmer-Wohnung noch andere Schusswaffen entdeckt wurden und ob Polizei und Staatsanwaltschaft im Zuge ihrer Ermittlungen vor Ort die zahlreichen verbotenen NS-Schriften und Devotionalien auffielen, konnte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Carsten Rinio, am Mittwoch nicht beantworten. Die Ermittlungsakte lag ihm nicht vor.

Linke kritisiert Polizei

Unterdessen erhebt die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Christiane Schneider, scharfe Vorwürfe gegen die Polizei, die weder private Akten, noch das Nazi-Propagandamaterial und die Computer des rechtsradikalen Waffennarrs sicherte, sondern die Nachlassverwalterin aufforderte, alles umgehend zu vernichten. Auch wurde der Verfassungsschutz vor der Entrümplung der Wohnung von Lutz H. von der Polizei nicht darüber informiert, dass man den kompletten schriftlichen Nachlass eines bewaffneten Neonazis sichergestellt habe. Gegenüber der taz hatte Verfassungsschutzsprecher Marco Haase betont, man hätte gerne Einblick in das inzwischen beseitigte Material erhalten.

„Unglaubliches Desinteresse“

„Im allerbesten Fall liegt hier ein Fall von totalem Desinteresse vor, das nach den Vorgängen um die NSU völlig unglaublich ist“, bewertet die Abgeordnete Schneider die polizeiliche Vernichtungsverfügung. „Das Material hätte Aufschluss darüber geben können, ob der Verstorbene eine aktive Rolle in der Neonazi-Szene spielte und wenn ja, welche.“ Auch über die Frage, ob der 70-Jährige nur ein Waffennarr war, oder ob er die einsatzfähigen Waffen samt Munition für irgendwas vorhielt, hätte die Auswertung des persönlichen Nachlasses eventuell ein Schlaglicht geworfen.

Schneider will in der kommenden Woche eine Kleine Schriftliche Anfrage an den Senat stellen, um mehr Informationen darüber zu erhalten, ob Lutz H. dem Verfassungsschutz bekannt war, und warum sein Nachlass sofort vernichtet wurde.

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19 Kommentare

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  • Der hier kommentierende Polizist bestätigt in meinen Augen genau das worum es Redakteur Carini geht:

    Islamist: Aufschrei, BAW zieht Ermittlungen an sich, bei einem solchen Waffen- und Materialfund.

    Linker: das gleiche.

    Nazi: egal, keine weiteren Nachforschungen, Material verschrottet. keine Prüfung von Verbindungen zu anderen bekannten Nazis.

    Es bleibt: Die Nazis sind der politischen Polizei bekannt.

  • Wer verkauft Waffen? Und an wen wurden Waffen in Hamburg bereits verkauft? Das ist vielleicht viel wichtiger als die Gewalt beim G 20 Gipfel.

    • @Stefan Mustermann:

      "Das ist vielleicht viel wichtiger als die Gewalt beim G 20 Gipfel"

      Hm, vielleicht schwierig zu vergleichen, aber wenn so ein Nazi durchdreht mit seinem Waffenarsenal gibt es reichlich Tote. Dann sagen Herr Grote + Co sicherlich, wir haben das falsch eingeschätzt

    • @Stefan Mustermann:

      Neben München ist Hamburg doch das zweitgrößte Zentrum in Deutschland für den internationalen Waffenhandel.

      • @Rainer B.:

        Es scheint so zu sein, dass es im Falle von Herrn Lutz H., eine illegale Waffenhandelskette durch Ermittlungen festgestellt werden könnte.

        • @Stefan Mustermann:

          Durchaus möglich, aber ohne Ermittlungen eben gar nicht zu klären.

  • Alles nur Einzelfälle und „Peanuts“ im Norden. Die Polizei wird erst dann aktiv, wenn Panzer im Keller gefunden werden.

    https://www.welt.de/regionales/hamburg/article143408616/Weltkriegs-Panzer-in-Wohnhauskeller-gefunden.html

  • Ach, lieber Herr Carini, wieder einmal ist der Gesinnungsgaul mit Ihnen durchgegangen,

    wenn Sie von " ... verbotenen NS- Schriften " fabulieren.

    Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund in §§ 86, 86 StGb nur das Verwenden von verfassungsfeindlichen Propagandamitteln und Kennzeichen unter Strafe gestellt,

    aber eben nicht den blossen Besitz, dessen Inhalt nicht nach aussen verbreitet wird.

    Hitler und Konsorten waren Massenmörder, andere wie Stalin, Mao und Pol Pot aber auch.

    Wie wollen wir uns mit diesen Kreaturen auseinandersetzen können, ohne deren

    Ergüsse gelesen zu haben ?

    Den ordentlichen Journalisten mit akademischer Vorbildung sollte sachliche Genauigkeit auszeichnen.

    So schwer kann das doch nicht sein.

    Oder ?

    • @Wahrheitundklarheit:

      https://dejure.org...etze/StGB/86a.html

      Dann lesen Sie mal den § 86a StGB ganz bis zum Ende, insbesondere auch Abs. 1 Satz 2.



      https://dejure.org...etze/StGB/86a.html

      • @Rainer B.:

        Um es platt zu formulieren:

        Lesen Sie einmal § 86a StGB ganz bis zum Ende, aber bitte richtig.

        Nach Absatz 1 Nr. 2 steht nur die Verbreitung oder Verwendung bestimmter Dinge unter Strafe, wobei die Verwendung Aussenwirkung zeitigen muss.

        Es bleibt dabei:

        Blosser Besitz mag unappetitlich sein, ändert aber nichts an dessen Straflosigkeit.

        • @Wahrheitundklarheit:

          Von „Aussenwirkung“ steht da so nichts, wohl aber von „herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt.“

          Was Lutz H. mit dem ganzen Krempel gemacht hat, wurde doch gar nicht aufgeklärt und ob man „blossen Besitz“ von „Vorratshaltung“ abgrenzen muss und kann, ist zweifelhaft.

          • @Rainer B.:

            Ohne unhöflich zu sein, aber Sie verstehen oder wollen nicht verstehen,

            dass Herstellung, Vorrätighaltung, Ein- und Ausfuhr dann, aber auch nur dann,

            strafbar ist, wenn sie der Verbreitung oder Verwendung dient oder dienen soll.

            Natürlich kann und muss man reinen Besitz sprachlich und strafrechtlich von Vorrätighaltung trennen, denn eine Gleichsetzung würde §§ 89, 89a SfGB zu einem Gesinnungsstraftatbestand machen.

            • @Wahrheitundklarheit:

              Nun, ich verstehe Sie in der Tat nicht. Wer sagt Ihnen denn, dass Lutz H. den Krempel n i c h t zur Verbreitung und Verwendung vorrätig gehalten hat?

               

              § 89 StGB (Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane) und

              § 89a StGB ( Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) werden keineswegs dadurch zu einem Gesinnungsstraftatbestand, dass man „blossen Besitz“ mit „Vorratshaltung“ gleichsetzt.

              Bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz etwa wird ab einer kleinen Menge X doch regelmäßig auch nicht mehr von „Eigenbedarf“ gesprochen.

              • @Rainer B.:

                Pardon, aber Sie scheinen mit Ihrer Frage ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat und zur Unschuldsvermutung zu offenbaren,

                denn Sie unterstellen a priori eine Schuld, die es vom Betroffenen zu entkräften gelte.

                Genau das Gegenteil ist rechtsstaatlich.

                Und - nun werde ich leider etwas ungehalten - Ihre Verweise auf §§ 89, 89a StGB und das BtMG liegen völlig neben der Sache und zeigen - Pardon -

                juristische Ignoranz :

                1.§§ 89, 89a StGB bedingen aktives Tun und haben begriffsnotwendig nichts mit einer Gesinnung zu tun, die nicht nach aussen dringt,

                2. Besitz von Sachen ist strafrechtlich nur relevant, soweit die entsprechende Norm den Besitz ausdrücklich unter Strafe stellt, wie etwa bei Kinderpornographie, Betäubungsmitteln und Waffenbesitz ohne Erlaubnis.

                Noch darf man denken und träumen,

                was und wovon man will. denn bekanntermassen sind die Gedanken frei.

                • @Wahrheitundklarheit:

                  Sorry, aber um den „Rechtsstaat“ und die „Unschuldsvermutung“ für tote Nazis ging es bei meiner Frage doch gar nicht.

                  Ich stelle Sie deshalb noch einmal so, dass Sie sie einfach mit Ja, oder Nein beantworten können.

                   

                  Frage I: Können Sie ausschließen, dass Lutz H.den ganzen Nazi-Krempel garantiert nicht zur Verbreitung und Verwendung vorrätig gehalten hat?

                   

                  Frage II: Welche Erkenntnisse und Fakten liegen Ihnen vor, mit denen Sie Ihre Antwort auf Frage I begründen können?

                  • @Rainer B.:

                    Entschuldigen Sie bitte, aber Ihre inquisitorische Rechtsblindheit wird immer offensichtlicher.

                    Weder ich, noch ein Staatsanwalt, noch ein Richter muss und wird einen strafrechtlich in Betracht kommenden

                    Umstand ausschliessen müssen, sondern er muss ihn beweisen.

                    Wehe dem Angeklagten, der Ihnen als Laienrichter begegnete.

                    • @Wahrheitundklarheit:

                      Das sind gleich mehrere Unterstellungen drin, aber leider keine Antwort auf meiner Frage.

        • @Wahrheitundklarheit:

          Woraus lesen Sie überhaupt, dass Herr Carini die Bezeichnung "verbotene NS-Schriften" auf den Besitz bezieht? Könnte er damit nicht auch einfach das Verbreitungsverbot meinen?

          • @Peacewood:

            Das kann ich Ihnen einfach beantworten:

            Aus Herrn Carinis generalisierender Formulierung von

            angeblich verbotenen NS- Schriften und Devotionalien.

            Hat er es so gemeint, irrt er in vermeidbarer Weise..

            Das wäre ihm vorzuhalten.

            Hat er es nicht so gemeint, aber wie geschehen formuliert, wäre ihm das gleichfalls vorzuhalten.

            Der gute Journalist schreibt das, was er meint und meint das, was er schreibt.