heute in hamburg: „Wie eine Massenpsychose“
Handysucht Thorsten Kirsch kritisiert in seinen Illustrationen den Umgang mit Smartphones
54, studierte Freie Kunst und Kunstgeschichte und lebt in Hamburg als freiberuflicher Künstler und Illustrator.
taz: Herr Kirsch, haben Sie heute schon zu Ihrem Smartphone gegriffen, um im Internet zu surfen, zu chatten oder e-Mails abzurufen?
Thorsten Kirsch: Zugegeben, ja. Ich bin genauso empfänglich für das Suchtpotenzial des Smartphones wie jeder andere auch. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen bin ich mir aber dessen bewusst und deshalb in gewisser Weise mein eigener Therapeut.
War es dieses Sich-selbst-ertappen, das sie dazu bewogen hat, ihr Kunstprojekt „Smartphonezombies Diary“ ins Leben zu rufen?
Da ist eher ein Schlüsselerlebnis für verantwortlich, das ich vor einiger Zeit gemacht habe. Da schrie eine Frau lautstark in ihr Smartphone und nahm ihre gesamte Umwelt nicht mehr wahr. Ich konnte sie aus nächster Nähe fotografieren, ohne dass sie es merkte. Das hat mich schockiert. Drastisch gesagt können die Menschen durch das Smartphone die Kontrolle über ihr Leben verlieren.
Was sagt diese Entwicklung über unsere Gesellschaft aus?
Ich würde es mit einer Massenpsychose vergleichen. Immer mehr Menschen sind betroffen, unabhängig ihres sozialen Milieus. Das beginnt beim Jogger, der im wahrsten Sinne des Wortes laufend aufs Handy schaut. Aber ich habe aber auch schon Senioren am Rollator gesehen, die mit ihrem Selfie-Stick beschäftigt waren, während sie die Straße überquerten. Die Gefahren lauern dann auch im Straßenverkehr. Täglich sehe ich Menschen, die am Steuer ihr Handy nutzen. Meiner zehnjährigen Tochter bringe ich mittlerweile bei, nicht nur auf die Fußgängerampel zu schauen, sondern auch darauf zu achten, ob die Autofahrer auf die Straße oder aufs Handy schauen.
Richtet sich ihre Ausstellung an genau jene Menschen, damit diese ihr Smartphone bewusster nutzen?
Ja, sie soll natürlich auf diese Entwicklung aufmerksam machen, damit die Leute ihr Handeln hinterfragen. Damit sich jeder daran beteiligen kann, habe ich die Ausstellung auch mit einem Blog verknüpft, auf dem jeder andere und ich Erlebnisse austauschen können. Teilweise sind schon junge Leute auf mich zugekommen und haben gesagt, dass die Karikaturen sie stutzig machen. Dabei ist es manchmal schwierig, überhaupt noch wahre Karikaturen zu zeichnen, da die Abbildungen so nah an der Wirklichkeit sind.
Interview: Leon Kirschgens
„Smartphonezombies Diarys“: bis 19.8., 9.30 bis 20 Uhr, Phoenix-Center Harburg
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