Rückkehr in die Ukraine: Angst in Kiew vor Michail Saakaschwili
Der ausgebürgerte Ex-Gouverneur aus Odessa hält sich in Polen auf – auf der Durchreise. Er will weiterreisen in die Ukraine.
KIEW taz | Michail Saakaschwili, der ehemalige Gouverneur von Odessa und langjähriger Präsident Georgiens, will bald wieder in die Ukraine einreisen. Dies kündigte der in Polen aus den USA eingetroffene Politiker in Warschau an.
Gleichzeitig erklärte er, dass er auf rechtlichem Weg für seine Einreise kämpfen werde und nicht vorhabe, im Kofferraum eines Wagens die polnisch-ukrainische Grenze zu passieren.
Saakaschwilis Polenbesuch kam unerwartet, hatte ihn doch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Ende Juli ausgebürgert. Sofort nach dem Entzug der Staatsangehörigkeit hatte die Ukraine den USA und der EU mitgeteilt, dass alle ukrainischen Pässe von Saakaschwili ungültig seien.
Er sei mit seinem ukrainischen Pass problemlos nach Polen eingereist, erklärte Saakaschwili polnischen Journalisten. Zivilisierte Länder wie die USA und Polen würden eben den Entzug der Staatsbürgerschaft durch einen „diktatorischen Staat“ nicht anerkennen. Er sei nach Warschau gekommen, um an den Feierlichkeiten zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto teilzunehmen und wegen der geografischen Nähe zu seiner Wahlheimat.
In der Administration von Präsident Poroschenko scheint man über das Auftauchen des ehemaligen Weggefährten im Nachbarland, der nun zu einem der schärfsten Herausforderer von Poroschenko geworden ist, nervös zu sein.
Grenzübergang vorübergehend geschlossen
Aus Angst vor einer Rückkehr von Saakaschwili in die Ukraine sei sogar der Grenzübergang Krakowez vorübergehend gesperrt worden, berichtet der Abgeordnete Juri Derewjanko, Mitglied der Partei von Michail Saakaschwilis „Bewegung neuer Kräfte“ auf seiner Facebookseite. Man habe an der Grenze bei der Suche nach Saakaschwili auch seinen Kofferraum durchsucht. Sogar die umliegenden Felder hätten Grenzer systematisch durchkämmt, so Derewjanko.
Unterdessen traf sich Michail Saakaschwili mit führenden Vertretern der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS. Dabei sparte er nicht mit Komplimenten. Polen, so sagte Saakaschwili, sei eine „Supermacht in Europa“, die eine Vorbildwirkung für Länder wie die Ukraine oder Belarus habe.
Polen, so die Ansicht der Politologin Irina Wewretschuk, komme der Zeitpunkt des Saakaschwilli-Besuchs gelegen. Das ukrainisch-polnische Verhältnis sei derzeit sehr angespannt. Mit dem Saakaschwili-Besuch könne man dem Nachbarn ein paar Nadelstiche versetzen.
Unterstützung für den geschassten Politiker kommt auch aus Litauen. Die ukrainischen Machthaber, so Litauens Außenminister Linas Antanas Linkevičius, sollten Saakaschwili ermöglichen, vor ukrainischen Gerichten für sein Recht auf die Staatsbürgerschaft zu kämpfen.
Leser*innenkommentare
Reinhardt Gutsche
Saakaschwili - this "beacon of democracy“
Schön, daß wenigstens die Taz - Bernard Clasen sei‘s gedankt - die Causa Saakaschwili verfolgt, die den übrigen Official-Mind-Medien wohl eher peinlich ist. Das ist insofern verwunderlich, als man eigentlich eine glühende Verteidigung dieses „golden boy“ der Rosen-Revolution ("The Washington Post") von 2004 zu erwarten hätte. Nachdem er 2003 den Vorgänger im Präsidentenamt Schewardnadse, als letzter sowjetischer Außenminister einer der Architekten des 4+2-Vertrages und damit der Zustimmung Moskaus zur Wiedervereinigung, mit sehr unkonventionellen Methoden zum Rücktritt gezwungen hatte, ließ sich der golden boy selbst zum Präsidenten wählen, und zwar mit einem Wahlergebnis (96%!), das sogar Honecker nicht besser hingekriegt hätte. Saakaschwili, zu Sowjetzeiten als Angehöriger der Grenztruppen de facto dem KGB unterstehend, verfolgte dann prompt eine vom IWF sehr gelobte radikale Liberalisierungs-Politik à la Washington consense, unbekümmert aller a-sozialen Konsequenzen für die breite Bevölkerungsmehrheit. Er ermutigte ausländische Investoren, holte amerikanische Militärausbilder samt 300 Mio $-Trainingsprogramm ins Land und drängte auf Biegen und Brechen in die NATO und die EU. Zu seinen monokratischen Herrschaftsmethoden gehörten rassistischische Sprüche ebenso wie Mordaufträge zur Beseitigung unliebsamer Gegner. Straßenproteste gegen seine korrupte Vetternwirtschaft ließ er schon mal umstandslos mit polizeilicher Brachialgewalt niederknüppeln.
Allerdings war dies alles für Bush d. J. kein Hindernis, in Saakaschwili nichts weniger als ein „Leuchtfeuer der Demokratie“ ("beacon of democracy“) zu erblicken. McCain und Hillary Clinton hatten ihn gar parteiübergreifend für den Friedensnobelpreis nominiert...