Ressourcenschonendes Umweltfestival: Die Utopie muss sich auflösen
Ein Festival, das Ressourcen spart – nicht vereinbar mit Gesundheitsstandards. Zumindest wenn auch beim Strom für Kühlschränke gespart wird.
140 Menschen wollten in Siehdichum, einem kleinen Dorf bei Frankfurt an der Oder in Brandenburg, eine Woche lang besonders umweltbewusst leben. Das Utopival, so der Titel der Veranstaltung, muss sich nun auf Befehl der Polizei vorzeitig auflösen. Eigentlich sollte es bis Samstag mit Workshops zu Umwelt-, Wirtschafts- und sozialen Themen weitergehen. Ausfallen muss auch der tägliche Schweigemorgen, die restlichen Aktivitäten sind ähnlich friedlich: Akrobatik, Yoga, gemeinsames Musizieren.
Das Festival ist komplett geldfrei. Die TeilnehmerInnen wollten sich vegan und von geretteten Lebensmitteln ernähren. Dafür sammelten sie bei Läden und umliegenden Bauernhöfen Essen ein, das nicht mehr verkauft werden konnte. Genug, um 140 Leute für eine Woche zu ernähren. Das ist laut Ordnungsamt mit den deutschen Gesundheitsstandards nicht vereinbar. So brauche jede solcher Veranstaltungen einen Kühlraum. Doch das Festival will Strom sparen.
Vegane Lebensmittel müssten für eine Woche nicht gekühlt werden, widerspricht Utopival-Sprecherin Dorothea Epperlein. „Die Regeln machen in anderen Kontexten Sinn, aber schränken uns hier ein.“ Am Ende müssten die AktivistInnen nach den Vorschriften verschwenderischer leben, als sie es wollen. Räumen mussten sie auch, weil die Veranstaltung nicht offiziell angemeldet wurde.
Umweltschutz trifft Vorschriften
Weil das Festival geldfrei ist und auf einem Privatgelände stattfindet, sei man davon ausgegangen, dass das überflüssig sei, sagt Epperlein. „Wenn wir hier nach einer Woche weggewesen wären, hätte niemand gemerkt, dass wir überhaupt da waren.“ Die Teilnehmer würden das Gelände wahrscheinlich sogar in einem besseren Zustand verlassen.
Das Ordnungsamt kritisierte zudem, dass es kein Abwassersystem und keine Müllversorgung gebe. Das Festival kam jedoch mit Komposttoiletten und dem „No Waste“-Prinzip aus, vermied Müll also vollständig. Kritisch sah das Amt auch ein offenes Feuer, Epperlein betont jedoch, dass es nur ein gut bewachtes Lagerfeuer gegeben habe. „Wir kümmern uns doch um Brandschutz, wir sind hier ja für die Umwelt“, sagt Epperlein.
Das Utopival fand bereits dreimal erfolgreich in Deutschland statt, stets unter den gleichen Standards und auf Privatgelände. „Dort gab es nie Probleme, vielleicht auch nur, weil nie jemand vom Ordnungsamt vorbeikam.“ Jetzt bleibt den Teilnehmern nichts anderes übrig, als das Gelände zu räumen und abzureisen.
Matthias Vogel, der Amtsdirektor des Schlaubetals, fand das Experiment der Teilnehmer „irgendwie beeindruckend“. Doch die Veranstaltung sei schlichtweg nicht genehmigungsfähig gewesen. Vogel bedauert, dass sich niemand im Vorfeld an ihn gewandt habe. „Wir sind keine Verhinderer, wir hätten gerne eine Lösung gefunden. Vielleicht ja für nächstes Jahr“, sagt er.
Epperlein sagt, das Utopival müsse sich in Zukunft besser mit den rechtlichen Vorgaben auseinandersetzen – doch das wird für sie zum Problem, wenn diese Vorgaben den umweltbewussten Lebensstils einschränken, wegen dem das Festival überhaupt stattfindet.
Update, 3. August:
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch räumte ein Großaufgebot an Polizisten das Festival. Zwölf Einsatzwägen kamen, um zwölf bis 14 TeilnehmerInnen des Festivals aus Bäumen auf dem Gelände zu holen. Einzelne hatten entschieden, so gegen die Räumung zu protestieren. „Die haben wohl etwas Krasseres erwartet als Menschen, die auf Bäumen sitzen und singen“, sagt Dorothea Epperlein, Sprecherin des Utopival.
Man bestimme das Kräfteaufgebot anhand der Personen, die man vor Ort erwarte, teilt die Polizeiinspektion Frankfurt a.d. Oder/Fürstenwalde der taz mit. Sie hätten mit stärkeren Protesten von 80 bis 90 Menschen gerechnet. Zuerst seien nur drei Mitarbeiter des Ordnungsamts vor Ort gewesen, sagt Steffen Mieck vom Ordnungsamt Schlaubetal. Sie hätten die Räumung nicht durchführen können, „deswegen haben wir um Hilfe gebeten“. Gegen 21 Uhr räumten die Protestierenden das Gelände freiwillig. Anzeigen könne das Ordnungsamt nicht ausschließen, die Lage werde geprüft, sagt Mieck.
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