: „Keine Minister unter Merkel“
Die grüne Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn warnt vor schwarz-gelb-grüner Koalition
taz: Frau Höhn, sehen Sie die Möglichkeit einer schwarz-gelb-grünen Koalition?
Bärbel Höhn: Schon aus Gründen der Höflichkeit werden wir das Gespräch nicht verweigern, wenn die Union uns einlädt. Aber wir sind nicht die Steigbügelhalter für eine Politik, für die Union und FDP keine Mehrheit bekommen haben. Ich kann mir keine grünen Minister unter einer Kanzlerin Merkel vorstellen. Denn Merkel will den Atomausstieg rückgängig machen, die Gentechnik durchsetzen, den Sozialstaat auflösen und eine riskante Außenpolitik betreiben.
Es gibt inhaltliche Übereinstimmungen: Für Steuersenkungen plädieren die Grünen ebenso wie Union und FDP.
Wir plädieren momentan nicht für Steuersenkungen. Aber ein einfaches Steuersystem will ja jeder. Neoliberalismus hat in Deutschland keine Mehrheit. Wenn der Staat seine Aufgaben wahrnehmen soll, können wir uns weitere Steuersenkungen nicht leisten. Ich will keinen so schwachen Staat wie in den USA, der seinen Bürgern nach der Naturkatastrophe von New Orleans nicht mehr helfen konnte.
Sie warnen vor einer schwarz-gelb-grünen Koalition. Die FDP verweigert sich umgekehrt einer rot-gelb-grünen Ampel. Ist die Opposition also die einzige Lösung für die Grünen?
Wir müssen unsere grünen Inhalte in den Mittelpunkt stellen, darauf kommt es letztlich an.
Wie wollen Sie Ihre Wähler jahrelang zufrieden stellen, wenn Sie ihnen keine Gestaltungs- und Regierungsoption anbieten?
Wir reden jetzt über heute. Wo andere Parteien in einigen Jahren stehen, weiß ich nicht. Wir müssen uns mit den real existierenden Programmen und Personen beschäftigten – und das sind nun mal Merkel und Westerwelle.
Wo sehen Sie denn nach vier Jahren oder acht Jahren einen neuen Partner für die Grünen?
Was sicher ist: Das Kapitel Rot-Grün auf Bundesebene ist zunächst einmal zu Ende. Uns ist die Mehrheit abhanden gekommen. Jetzt sollten wir uns originär auf die Rolle als Opposition einstellen.
Welche Themen sollten die Grünen in den Vordergrund stellen, wenn sie keine Regierungsbeteiligung anstreben?
Zunächst natürlich die Umwelt- und Verbraucherpolitik, die Schaffung von Arbeitsplätzen und selbstbewusste Friedenspolitik. Ganz wichtig ist es aber, klare Antworten zu geben auf die Tendenz zur Individualisierung der Gesellschaft gerade in den Großstädten und das damit einhergehenden Bedürfnis der Menschen nach sozialem Zusammenhalt. Weil sie dieses Bedürfnis ignoriert hat, hat die Union verloren.
Können Sie das in konkrete Politik übersetzen?
Mit der Bürgerversicherung haben wir eine Form der Absicherung von Lebensrisiken angeboten, die auf solidarischer Grundlage beruht. So etwas wünschen sich die meisten Menschen.
Wenn Sie auf Bundesebene keine Möglichkeit sehen – muss der Neuaufbau einer grünen Machtoption dann über die Kommunen und Länder laufen?
In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind die neuen schwarzen Mehrheiten bei dieser Wahl wegen der Politik der Selektion und sozialen Kälte schon abgestraft worden. Deshalb haben wir für die kommenden Landtags- und Kommunalwahlkämpfe eine gute Ausgangsposition. INTERVIEW: HANNES KOCH
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