Ulrike Herrmann über das Kartell der deutschen Autobauer: Von Wettbewerb keine Spur
Die Dieselaffäre ist keine „Affäre“ mehr. Sie ist jetzt ein Lehrstück, wie der Kapitalismus funktioniert. Der ist eben keine „Marktwirtschaft“, in der ein angeblich perfekter „Wettbewerb“ herrscht. Stattdessen wird Konkurrenz systematisch ausgeschaltet – durch Kartelle.
Die Automobilindustrie ist dafür typisch. Wie der Spiegel jetzt berichtet, haben VW, Daimler, BMW, Porsche und Audi seit Jahrzehnten engstens zusammengearbeitet und in über 60 Arbeitsgruppen jedes Detail geklärt. Von den Bremsen bis zum Autodach. Die Abgasreinigung beim Diesel war da nur ein Detail: Gemeinsam sparte man an den nötigen Tanks, damit im Kofferraum mehr Platz für eventuelle Golfschläger ist. Kein Witz.
Dieses Auto-Kartell wird jetzt mit großem Ernst und viel Energie durchleuchtet. Sowohl die EU-Kommission als auch das Bundeskartellamt sind involviert, und den kungelnden Konzernen drohen Milliardenstrafen. Trotzdem wäre es naiv zu glauben, dass hinterher der Wettbewerb „wieder hergestellt“ sei. Es lässt sich nicht herstellen, was es nie gab.
Der Normalfall im Kapitalismus ist nicht der Wettbewerb, sondern das Kartell. Denn für die Unternehmen sind Absprachen billiger als die Alternative: die Industriespionage. Man stelle sich einmal vor, Daimler und VW hätten sich nicht über ihre Bremsen oder Dieseltanks austauschen können: Dann hätten sie die Autos der Konkurrenz ja kaufen und mühsam auseinanderschrauben müssen, um die technischen Geheimnisse zu ermitteln. Da geht Reden schneller.
Kartelle sind daher keineswegs neu, sondern prägen den deutschen Kapitalismus seit etwa 1880. Nur die Politik träumt weiter vom „Wettbewerb“ und von „Selbstverpflichtungen“. Das ist fatal, denn die nötigen Konsequenzen wurden nie gezogen: Man kann Kartelle nicht verhindern, aber man kann sie politisch steuern – indem der Staat knallharte Vorgaben macht, etwa bei den Diesel-Abgasen, die dann genauso knallhart überprüft werden.
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