Geburtshilfe in Bremen: Konsens, aber keine Lösungen
Die Bürgerschaft debattiert über die Geburtshilfe – und fordert für Hebammen Hilfen vom Bund. Nur die Linke sucht nach kommunalen Lösungen
Große Einigkeit in der Bürgerschaft: Ja, es sei schade, dass die letzten drei Beleghebammen in Bremen ab Juli ihre Tätigkeit einstellen, und ja, der schon lange geforderte bundesweite Haftungsfonds für Heilberufe müsse angesichts der dramatisch gestiegenen Versicherungsbeiträge für freiberufliche Hebammen dringend her. Zur Forderung der Linksfraktion, auch auf kommunaler Ebene nach Lösungen zu Verbesserung des Hebammen-Berufs zu suchen, äußerte sich am Mittwoch freilich kaum jemand.
Die Linke hatte eine aktuelle Stunde initiiert: „Die Wahlfreiheit der Frauen“, so deren Abgeordnete Sofia Leonidakis, „wird faktisch immer weiter eingeschränkt.“ Dabei sei eine wichtige Voraussetzung für eine reibungslose Geburt, dass sich die Frau währenddessen so sicher wie möglich fühle: „Dafür muss sie die Geburtsform wählen können, die sie bevorzugt: zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik.“ Diese Wahlfreiheit ist freilich nicht bloß aufgrund des Endes der drei Beleghebammen (siehe Infokasten) gefährdet: Insgesamt geben immer mehr freiberufliche Hebammen auf, weil sie mit ihren geringen Honoraren die immens gestiegenen Haftpflichtbeiträge nicht mehr leisten können.
Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) betonte, dass die Versorgung für Schwangere in Bremen insgesamt gut sei: „Es tritt kein Vakuum oder eine große Krise ein, weil die Beleghebammen aufhören.“ Ohnehin sei der Tätigkeitsschwerpunkt von Beleghebammen eher im ländlichen Raum zu finden. Gleichwohl sei die Vergütung für Hebammen zu niedrig und ein bundesweiter Haftungsfonds müsse dringend geschaffen werden. Dafür werde sie sich auf der Gesundheitsministerkonferenz, die nächste Woche in Bremen stattfindet, einsetzen.
Ganz so positiv wie die Gesundheitssenatorin ordnete die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, die Versorgung nicht ein: „In Bremerhaven gibt es keine Möglichkeit mehr für Hausgeburten oder Geburtshäuser“, sagte sie. Sie forderte eine Stärkung der Kompetenzen der Hebammen in den Kliniken nach dem Vorbild des Klinikums Reinkenheide. Dort kümmern sich die Hebammen nicht nur um die eigentliche Geburt im Krankenhaus, sondern auch um die Vor- und Nachsorge der Schwangeren beziehungsweise der Mütter. Das Diako plane ab 2018 ein ähnliches Modell. Für die freiberuflichen Hebammen fordert auch sie: „Ein Haftungsfonds muss dringend her.“
Eine Beleghebamme ist eine freiberufliche Hebamme, die mit einer oder mehreren Geburtskliniken einen Belegvertrag abgeschlossen hat.
Sie begleitet die Geburt und kümmert sich um die Vor- und Nachsorge der Mutter.
Ohne Beleghebamme werden Frauen üblicherweise während der Geburt von angestellten Hebammen betreut, die gerade im Krankenhaus Dienst haben.
Viele Beleg- und andere freiberufliche Hebammen arbeiten nicht mehr in der Geburtsthilfe, sondern nur noch in der Vor- und Nachsorge, weil sie hohen die Prämien für die Haftpflichtversicherung nicht mehr bezahlen können.
Ja, in der Tat sei die Haftpflicht das größte Problem, sagte die SPD-Abgeordnete Stephanie Dehne. Denn das Verfahren des bundesweiten „Sicherstellungszuschlag“, eines teilweisen Haftpflichtausgleichs, den die Hebammen bei der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV-Spitzenverband) beantragen könnten, stocke und die Gelder flössen nur zum Teil.
Heike Schiffler, Erste Vorsitzende des bremischen Hebammenlandesverbandes, konkretisiert: „Von September 2015 bis April 2017 wurden durchschnittlich 3.732 Euro Zuschlag pro Hebamme ausgezahlt. Pro Jahr hätte die Kollegin aber formal einen Anspruch auf 4.888 Euro gehabt.“ Die Teilrückerstattung – insgesamt liegt die Haftpflichtprämie bei momentan 7.640 Euro – erfolge frühestens nach sechs bis sieben Monaten. Schiffler fordert eine Evaluierung der Wirksamkeit des Sicherstellungszuschlags – und ebenfalls „mittelfristig eine zukunftsichere Lösung des Haftungsproblems, zum Beispiel durch einen Haftungsfonds.“
„Mir fehlen Antworten auf die Frage danach, was man in Bremen machen kann“, sagte Leonidakis mit Blick auf den Konsens unter den ParlamentarierInnen. „Warum sind Leih-ÄrztInnen über die Krankenhäuser versichert, Beleghebammen aber nicht?“ Sie wünsche sich auch lokale Lösungen wie zum Beispiel einen Haftungsfonds durch den kommunalnen Klinikverbund Geno.
Dort heißt es: „Seit 2011 sichern wir die Beleghebammen mit einer Summe von 3.600 Euro pro Jahr ab.“ Dass die Geno sie nicht komplett versichert, begründet eine Kliniksprecherin damit, „dass die ja als Freiberuflerinnen theoretisch auch außerhalb unserer Klinik Geburten begleiten können.“ Bei über Leiharbeitsfirmen angestellten Ärzten sei das anders: „Die sind ausschließlich bei uns tätig.“Das seien die Beleghebammen auch, sagt Heike Schiffler: „Keine Beleghebamme macht zusätzlich Hausgeburten oder arbeitet in Geburtshäusern.“
Aber momentan steht für sie die Versorgung mit Hebammen insgesamt im Vordergrund. „Gröpelingen zum Beispiel ist schlecht versorgt. Die Kommune könnte sich überlegen, wie sie zum Beispiel die Ansiedlung einer Hebammenpraxis dort unterstützen könnte.“
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