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Wer die EU-Grundwerte nicht teilt, bekommt nichts mehr

Budget Der neue EU-Haushaltskommissar will Finanzhilfen künftig an Bedingungen binden

BRÜSSEL taz | Die EU will ihre Finanzhilfen künftig stärker an Bedingungen wie Wettbewerbsfähigkeit und Rechtsstaatlichkeit knüpfen. Das kündigte der neue EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) bei der Vorstellung seines ersten Budgetentwurfs an. Für 2018 sieht dieser Ausgaben von 145 Milliarden Euro vor. Das sind 8,1 Prozent mehr als im Vorjahr – eine Steigerung, die sich im Rahmen der längerfristigen Planungen bewegt. Mehr Geld soll es für Investitionen, Migration und Sicherheit geben.

„Wir denken über verstärkte oder veränderte Konditionalität nach“, sagte Oettinger am Dienstag in Brüssel. Als Beispiel nannte er die Kohäsionsfonds, ein Schwergewicht unter den EU-Finanztöpfen. Die Auszahlung von EU-Hilfen könne an die Umsetzung der „länderspezifischen Empfehlungen“ zur Wirtschaftspolitik gebunden werden, so der Kommissar.

Wenn ein Land beim Internet-Ausbau hinterherhinke, solle konkret dieser verstärkt gefördert werden, andere Projekte müssten dann zurückstehen. Auch bei Verstößen gegen EU-Grundwerte wie Rechtsstaat und Demokratie könnten die EU-Hilfen gekappt werden. Dies würde Länder wie Ungarn oder Polen treffen, gegen die bereits EU-Verfahren laufen.

Allerdings wehren sich die betroffenen Länder bereits gegen die geplante Neuerung. Beschlüsse seien noch nicht gefallen, sagte Oettinger. Für Finanzsanktionen macht sich vor allem die Bundesregierung stark. Sie fordert, zu prüfen, „ob der Erhalt von EU-Kohäsionsmitteln auch an die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundprinzipien geknüpft werden kann“.

Erste Überlegungen dazu will Oettinger im Juni in einem Strategiepapier vorlegen, die eigentlichen Budgetverhandlungen beginnen vermutlich im Herbst. Doch schon jetzt ist klar, dass er sich von den Vorgaben aus Berlin leiten lassen wird. Allerdings ist die Kopplung von EU-Finanzhilfen an die Aufnahme von Flüchtlingen, wie sie etwa SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert, in Brüssel noch kein Thema.

Sorgen macht sich Oettinger wegen des britischen EU-Austritts. Zwar gehe er davon aus, dass London sein Veto gegen die EU-Finanzplanung nach der Unterhauswahl im Juni aufheben werde. Es gebe aber ein „Restrisiko“.

Sollte London an seinem Veto festhalten, so müssten etliche EU-Projekte infrage gestellt werden. Als Beispiele nannte Oettinger die Freigabe von weiteren 700 Millionen Euro für die EU-Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit sowie den Aufbau von kostenlosen Internethotspots.

Auch der Türkei in Aussicht gestellte Milliardenhilfen für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen seien womöglich nicht zu finanzieren.

Eric Bonse

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