: Undichte Abhörung
Entlastung für Wüppesahl? Für geplanten Raubmord verurteilter Polizist wurde vor Telefonüberwachung gewarnt. Ermittler aber suchen „Verräter“
Von Kai von Appen
Es klingt paradox: Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach der Verurteilung des Kritischen Polizisten Thomas Wüppesahl wegen eines angeblich geplanten Raubmordes gegen einen Polizisten wegen „Verrat von Dienstgeheimnissen“. Dieser Beamte hatte nach taz-Informationen Wüppesahl vor seiner Verhaftung vor der polizeilichen Telefonüberwachung (TÜ) gewarnt. Um an den Namen des Polizisten zu kommen, schreckt die Anklagebehörde selbst vor Zwangsgeld gegen einen Zeugen nicht zurück.
Wüppesahl ist im Juli dieses Jahres vom Landgericht zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Richter Gerhard Schaberg folgte der Version von Ankläger Peter Stechmann, nach der Wüppesahl mit seinem Ex-Kollegen und Ex-Freund Andreas Sch. einen Überfall auf einen Geldtransporter geplant habe. Dabei sollte ein Sicherheitsmann erschossen und ihm mit einem Beil der Arm abgehackt werden, an den der Geldkoffer gekettet sein würde. Der Angeklagte beteuerte vor Gericht, diesen „bizarren, irren und unrealistischen Plan“ nur konstruiert zu haben, um Andreas Sch. als einen auf ihn angesetzten „V-Mann“ der Polizei zu enttarnen (taz berichtete).
Die dreiwöchige TÜ blieb im Polizeiapparat nicht geheim. So bekam auch ein Kollege davon Wind und informierte Wüppesahl telefonisch darüber. Dieser ging ohnehin davon aus, dass auch dieses Gespräch abgehört werde und soll deshalb abgewiegelt haben: „Quatsch, du spinnst, ich werde nicht abgehört.“
Staatsanwalt Boris Bochnik versucht nun, die Identität des Beamten vom Wüppesahl-Vertrauten und Mobbing-Experten Alfred Fleissner zu erfahren. „Ich habe den Namen natürlich nicht preisgegeben“, versichert Fleissner. Daraufhin wurde jetzt gegen ihn ein Zwangsgeld von 350 Euro festgesetzt. „Das werde ich natürlich nicht zahlen“, zeigt sich Fleissner hartnäckig. Ihm droht nun sogar Beugehaft.
Falls es den Fahndern gelingen sollte, die Identität des Beamten doch festzustellen, werde dieser Strafantrag wegen „Strafvereitelung im Amt“ stellen, berichtet Fleissner: „Das Gespräch ist ja damals auf Tonband mitgeschnitten worden.“
„Wir werden die gesamte TÜ schwerpunktmäßig noch mal auswerten“, sichert Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger zu, beteuert aber: „Die Ermittlungen hat Fleissner doch durch Äußerungen gegenüber Dritten selbst ausgelöst.“ Bei der TÜ sei damals nichts aufgefallen.
Sollte dieses Gespräch abgehört und somit Wüppesahl nachweislich gewarnt worden sein, würde ihn dies entlasten. „So taktisch denken die bei der Staatsanwaltschaft nicht“, glaubt Wüppesahls Verteidiger Uwe Maeffert. Schließlich seien sie per Gesetz verpflichtet, Entlastendes zu ermitteln. Maeffert befürchtet indes, dass es vielmehr darum gehe, „Wüppesahls Umfeld zu säubern“.
So sieht es auch Co-Verteidiger Peter Wulf. Es werde einerseits versucht, seine Unterstützer „wegzugrasen“, um „Wüppesahl letztlich mundtot zu machen“, andererseits gehe es darum, so Wulf, „die undichte Stelle im Apparat zu finden“.
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