: Kasse machen an der Kasse
Streik bei Wal-Mart: Seit fast einem halben Jahr wird im Einzelhandel ergebnislos über einen Tarifvertrag verhandelt. Arbeitgeber stellen Arbeitszeiten, Urlaub, Weihnachts- und Urlaubsgeld, Sonderzahlungen und Zuschläge zur Disposition
Von Kai von Appen
Streiktag bei Wal-Mart in Hamburg: Statt des Auftritts einer betriebsinternen Cheerleader-Truppe versuchte gestern die Gewerkschaft ver.di die Stimmung in den Filialen des US-Handelskonzerns an der Feldstraße und am Berliner Tor anzuheizen. Das Ziel: endlich einen Tarifabschluss für den Hamburger Einzelhandel durchzusetzen.
„Über 60 Prozent der Beschäftigten, die heute Tagesdienst hätten, beteiligen sich“, berichtet Betriebsrätin Katharina Sehne von der Niederlassung am Berliner Tor. „Die Käse- und Frischfleischtheken sind komplett dicht.“ Dennoch stehen Schilder „Trotz Streik geöffnet“ vor der Tür: „Die haben ausgeklügelte Telefonketten“, erläutert Sehne, „so dass sie im Nu eine Hand voll Leiharbeiter zusammenbekommen.“
In der Tat: Die Hamburger Einzelhändler haben sich auf die diesjährige Tarifrunde offenkundig bestens vorbereitet – so, als wollten sie alle Errungenschaften, die die ArbeitnehmerInnen in der Branche in den vergangenen zehn Jahren erreicht hatten, wieder zur Disposition stellen. „Sie wollen es wissen, sie haben sich von Anfang an auf eine harte Linie verständigt“, berichtet Ulrich Meinecke, ver.di-Vize-Landeschef und Verhandlungsführer für den Einzelhandel. „So etwas habe ich in den letzten 20 Jahren noch nie erlebt, dass wir im September noch ohne Tarifabschluss dastehen.“
Auf die eher zurückhaltende ver.di-Forderung nach Preissteigerungsausgleich, einem Anteil für Umlagekosten der Krankenversicherung sowie eine Berücksichtigung von Leistungs- und Produktivitätssteigerungen im Gesamtvolumen von 3,5 Prozent mehr Gehalt für die 60.000 Verkäufer- und Kassiererinnen reagierten die Arbeitgeber barsch. Sie verlangen Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld auf 50 Prozent eines Monatsgehaltes und wollen die Samstagszuschläge nicht mehr ab 14.30 Uhr, sondern erst ab 18.30 Uhr zahlen.
Das auf diese Weise einbehaltene Geld soll bestenfalls als „Goodwill“-Leistung ausgezahlt werden – wenn das Unternehmen meint, die wirtschaftliche Lage lasse dies zu. Die Einzelhändler wollen „sichere Leistungen ins Risiko stellen und vom Erfolg abhängig machen“, kritisiert Meinecke, ohne dass die Belegschaftsvertretungen bei der Unternehmenspolitik ein Mitspracherecht hätten. Überdies wollten die Betriebe im Zuge des „allgemeinen Mainstream“ und der längeren Ladenöffnungszeiten weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten durchsetzen.
Seit Mai pokern die Tarifparteien nun schon ergebnislos, auch die Gespräche in dieser Woche waren nach wenigen Stunden vorbei, das nächste Treffen findet erst im November statt. Im Juni hatte der Einzelhandelsverband den Konflikt noch verschärft, indem er den Manteltarifvertrag einseitig zum Jahresende kündigte. „Es steht jetzt alles zur Debatte – Arbeitszeiten, Urlaub, Sonderzahlungen Zuschläge“, sagt Meinecke. „Nachdem Schwarz-Gelb nun nicht zum Zuge kommt, verlangen die Unternehmen Öffnungsklauseln, um auf einfache Weise vom Tarif nach unten abweichen zu können.“ Mit „Achtung der Leistung“ der MitarbeiterInnen hätte dies nichts zu tun.
Die Gewerkschaft ist nun ihrerseits entschlossen, den Konflikt zu verschärfen und schwerere Geschütze aufzufahren als in den vergangenen Wochen. Meinecke verspricht den Einzelhändlern: „Wir haben noch einigen Druck in der Pipeline.“
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