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Pläne von Peter HartzKommt jetzt etwa Hartz V?

Sein Ruf könnte kaum ruinierter sein. Trotzdem sucht der Vater von Hartz IV jetzt mit neuen Plänen die Aufmerksamkeit der Medien.

Peter Hartz hat wieder neue Pläne Foto: dpa

Berlin taz | Braungebrannt, mit weißem Haar sitzt Peter Hartz vor der Bundespressekonferenz. Sein Name spaltet seit Jahren die Gesellschaft. Für die einen bedeutet Hartz IV Armut per Gesetz. Für die anderen ist die Agenda 2010 der Grundstein für die heute geringe Arbeitslosenquote. „Wenn auch mit zeitlicher Verzögerung ist die Zahl der Arbeitslosen halbiert, die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit verkürzt worden“, sagt er.

Ein wenig sieht sich der 75-jährige verkannt, wird er nach den Fehlern der vier Reformpakete gefragt. „Bei der Ausgestaltung wurde die Kommission von der Politik übersteuert“, sagt er. Langzeitarbeitslose sollten 511 Euro bekommen. Die Politik gewährte nur rund 340 Euro. Heute, zwölf Jahre später, ist der Regelsatz mit 409 Euro immer noch weit entfernt vom ursprünglichen Vorschlag.

Aus den Augen der Öffentlichkeit ist Hartz damals schnell verschwunden und nur kurz wieder aufgetaucht, aus höchst unrühmlichen Anlass. 2007 verurteilte ihn ein Gericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Hartz hatte im VW-Korrup­tionsskandal mit Millionenzahlungen an einen Betriebsrat und der Bezahlung von Prostituierten seine Finger im Spiel. Ruinierter kann ein Ruf kaum sein.

Nun sucht Hartz wieder die Aufmerksamkeit der Medien. Denn der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat er sich auch als Rentner verschrieben und nun ein neues Konzept, finanziert von der Stiftung „Saarländer helfen Saarländern“, vorgestellt – eine Art Hartz V.

Politiker scheuen einen gemeinsamen Auftritt

Begriffe spielen wie damals eine wichtige Rolle. Früher war das die „Ich-AG“. Heute ist es das Konzept der „Minipreneure“, die mihilfe der „Talentdiagnostik“ oder dem „Beschäftigungsradar“ Erfolg bringen sollen. Langzeitarbeitslosen sollen Jobs in Unternehmen, bei gemeinnützigen Organisationen oder den Kommunen vermittelt werden. Dafür erhalten sie einen Lohn, der auch unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen darf.

In sogenannten Minipreneuren sollen sich Arbeitslose in kleinen Gruppen selbst helfen, unterstützt von Ex-Arbeitslosen. Wer in ein solches Netzwerk eintritt, erhält ohne weitere Prüfung den Mindestlohn. Auch den europaweit 4 Millionen arbeitslosen Jugendlichen will Hartz mit dem neuen Konzept zu einer Lehrstelle oder einem Job verhelfen. 30.000 bis 40.000 Euro würde sein Programm pro Kopf kosten – ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt.

„Es ist jetzt ein schönes Zeitfenster offen“, wirbt Hartz mit Blick auf den neuen Präsidenten im Nachbarland. Dem Vorgänger François Hollande durfte er seine Ideen bereits vorstellen. Nur in Deutschland scheuen Politiker offenkundig den gemeinsamen Auftritt mit Hartz. Dazu sagt er aber lieber nichts.

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15 Kommentare

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  • Zitat: "...braucht es ja auch unbedingt ein "Jobcenter" der diese unzähligen Jobs verteilt."

     

    Das "Jobcenter" verteilt nur die Zwangsteilnahme an nutzlosen "Maßnahmen" (würg, dieses Wort) und behauptet dann, die Hatz4-Abhängigen echter Arbeit näher gebracht zu haben. - Die sind wirklich so realitätsfremd, daß sie eine "Maßnahme" als Arbeit ansehen!!!

    Echte Arbeit so etwas, wo man einen Vertrag unterschreibt und wofür man Geld bekommt, so etwas haben die nicht.

    Klingt komisch, ist aber so!

  • „...Dafür erhalten sie einen Lohn, der auch unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen darf...“

     

    Der Vorschlag von Herrn HARTZ würde dazu führen, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze abgebaut würden, der Niedriglohnsektor zur weiteren Ausweitung käme, es gebe noch viel mehr Aufstocker und überhaupt die Arbeitslosigkeit langfristig eher ansteigen könnte. Auch die Verarmung der Gesellschaft und letztendlich die Spaltung (wegen HARTZ IV und dann V) würden sicherlich noch intensiver voranschreiten.

     

    Viel besser wäre es, Herr Hartz,

     

    Unternehmen, die in Skandalen verwickelt werden oder bei Gesetzesverstößen (wie Zahlungen an Betriebsrat oder Steuernhinterziehung) ertappt werden, dazu verpflichten, eine bestimmte Quote von Arbeitslosen Menschen langfristig (also fest bzw. unbefristet) bei sich zu üblichen (berufs-, orts-, positions- und unternehmensüblichen) Lohnen und Gehältern zu beschäftigen.

  • Alles veraltet! Wie wärs mal, dat

    "Bedingungslose Grundeinkommen" (BGE) , auf die Tagesordnung zu setzen?

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Tut echt weh, sich die Typen aus der Genosse-der-Bosse-Ära angucken zu müssen.

  • Aha -

     

    "Dafür erhalten sie einen Lohn, der auch unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen darf."

    Und genau das ist der Sinn der Sache.

     

    Übrigens dürfen schon jetzt Langzeitarbeitslose für noch weniger als 8,50 Euro brutto die Stunde (Mindestlohn) beschäftigt werden. Schon jetzt kassieren die Träger jedes Jahr Milliarden an Steuerzahlergeld. Und die Kurse bringen erfahrungsgemäß meist nichts. Da wird oft einfach die Zeit irgendwie totgeschlagen.

  • Realsatire live!

    Man draf Hartz ein kabarettistisches Grundtalent bescheinigen. Das aber offenbar unfreiwillig daherkommt.

    "Beschäftigungsradar" - harhar. Natürlich ohne Lohn...

    Fehlt nur noch die Aktion "Ein Herz für Hartz" der deutschen Großindustrie... So kurz vor Weihnachten. Unter freundlicher Mitwirkung der Hartz-Parteien.

  • Puff-Peter -

     

    Halt endlich den Rand!

    Dank im Voraus!

    • @Lowandorder:

      un wo de schon mal bei bis -

       

      An denn annern Labberinkontinenten -

      Dein Lumpenspezi - Weitersagen! - wa!

      Adresse haste ja noch.

      Normal.

  • Hat Peter Hartz nicht schon genug Schaden für Arbeitslose angerichtet? Wie haben ca. 5 Millionen arbeitslose Deutsche (ALG 1 und ALG 2) und unzählige Niedriglohnsklaven die von ihrem kargen Lohn nicht leben können, da müssten wir schon in die 1960er Jahre zurück um alleine für unsere deutschen Arbeitslosen wieder Jobs zu haben. Die Welt von 2017 sieht so aus: Regelungstechnisch gesteuerte Fabrikstraßen, Fahrkartenautomaten in jedem Bahnhof, Computergesteuerte Lager mit digitalisiertes Bestandsmanagement, Landmaschinen die durch GPS gesteuert selbständig auf den Feldern die Ernten einfahren, und so weiter. Nicht zu vergessen, dass wir laut VDI zwanzigtausend arbeitslose studierte Ingenieure in Deutschland haben, die auch schon überflüssig geworden sind.

     

    Es wird auch gerne erzählt, dass es genügend gute Jobs gibt. Na klar, weil der Arbeitsmarkt so massiv und unübersehbar vorhanden ist, braucht es ja auch unbedingt ein "Jobcenter" der diese unzähligen Jobs verteilt. Das Grundproblem ist aber, dass der Bürger nicht mehr nachdenkt, sonst würde er doch diese Lüge schnell durchschauen. Wenn tatsächlich unzählige gut bezahlte Jobs vorhanden wären, von dem ein Mensch auch leben kann, dann könnte der Staat sich doch die Bundesagentur für Arbeit mit 100.000 Mitarbeitern ersparen und das Gehalt der Jobcentermitarbeiter anderweitig für nützlichere Dinge verwenden, anstatt in den Jobcentern die Arbeitslosigkeit zu verwalten. Bei diesen "unzähligen Jobs" die es angeblich in Deutschland gibt, sind dann sicherlich auch Jobs für die 100.000 BA-Mitarbeiter vorhanden.

     

    "Die an die drei Vorstände der BA ausgezahlten Bezüge „beliefen sich 2015 insgesamt auf rund 900.000 Euro", heißt es im Geschäftsbericht der Bundesagentur. Wie das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung errechnete, stiegen die Bezüge der BA-Chefs seit 2005 um 413.000 Euro (90,2 Prozent). Man sieht, für die Vorstände der BA hat sich die hohe Arbeitslosigkeit, die Deutschland seit Jahren hat, sehr gelohnt.

    • @Ricky-13:

      "Im März 2017 waren nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) rund 43,8 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig. Gegenüber März 2016 nahm die Zahl der Erwerbstätigen um 641 000 Personen oder 1,5 % zu. Sowohl im Januar 2017 (+ 640 000 Personen) als auch im Februar 2017 (+ 646 000 Personen) war der Anstieg gegenüber dem Vorjahr etwa gleich hoch. Erwerbslos waren im März 2017 rund 1,7 Millionen Personen, 218 000 weniger als ein Jahr zuvor. "

       

      zitiert aus: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/05/PD17_145_132.html

       

      Seit gut 10 Jahren beobachten wir eine stetige Steigerung der Vollarbeitsplätze und einen Rückgang der Arbeitslosenzahl. Nur die Zahl der Langzeitarbeitslosen bleibt konstant - ein Problem für das bislang überhaupt noch niemand eine Lösung gefunden hat. Man könnte natürlich fragen ob er der richtige ist aber immerhin macht er sich um das Schicksal der Langzeitarbeitslosen Gedanken. Und wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre gerade dieser Personenkreis finanziell besser ausgestattet worden.

  • Ich bin nach wie vor erstaunt, dass die versammelte Publizistik dieses Landes es immer noch korrekt findet, ein Sozialgesetz, wenn auch "nur" umgangssprachlich, mit dem Namen eines wegen Untreue verurteilten Straftäters zu benennen.

    • @reblek:

      Danke. Ich teile diese Ansicht. Aus meinem Mund und meiner (arbeitsuchenden) Feder wird auch künftig nur ALG II kommen/fließen.

      Aktuell treibt mich der Wunsch um, diesem Peter Hartz ganz old school einen Brief zu schreiben. Per Post. Denn angesichts seines 80. Geburtstags im August 2021 feierte sich dieser profilierungsaffine (um ein blumiges Wort mit "n" und "sch" am Ende zu vermeiden) Mensch aktuell wieder einmal für seine Reform(en): als "erfolgreich". Für mich als Betroffene ein Schlag ins Gesicht.

      Was er vor allem geschaffen hat, ist ein System der verstaatlichten Willkür, in dem Menschen in so genannten "Jobcentern" - oh, welch Euphemismus - wirklich und nachweislich schlecht und/oder nicht behandelt/"beraten" werden. Auch und gerade solche, die mitarbeiten (wollen). Würde Herr Hartz es wohl in Ordnung finden, morgens um 7:24 Uhr von einem Jobcenter-Mitarbeiter angerufen zu werden? Es kommuniziert nonverbal eine Haltung gegenüber Menschen. Oder bei seiner Rückmeldung aus der Ortsabwesenheit, die auch telefonisch möglich wäre (Ermessen des Sachbearbeiters), bei einem Mitarbeiter zu sitzen, der an seinem Arbeitsplatz die Postkarte aufgehängt hat: "Kann ich nicht beurteilen, muss ich nackt sehen". Wie muss das auf Frauen mit moslemischem Glauben wirken, wenn es mir schon die Luft abschnürt.... Würde Herr Hartz darüber lachen oder schmunzeln... In einer Runde mit Freunden und Altherrenwitzen wahrscheinlich schon. Dass Herr H. keinerlei Scham zu kennen scheint, zeigt ja sein erneutes Auftauchen aus der Versenkung.

      Ich wünsche keinem etwas Schlechtes. Auch nicht das, was mir blüht: zur aktuellen Armut nach Aufbrauchen meiner privaten Altersvorsorge die Altersarmut. Am Ende meines Lebens werde ich immerhin noch in den Spiegel schauen können und wissen, dass ich aufrichtig gelebt habe: in guten wie in schlechten Zeiten. Auch wenn mich die (Fremd)Beschämung im ALGII-Bezug immer wieder zu Boden drückt und/oder bisweilen umhaut. Das wünsche ich keinem!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @reblek:

      War damals schwer in Mode, siehe auch

       

      Riester(-Rente), Gauck(-Behörde), ...

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Wenn der Arbeitsmarkt Teile der Erwerbsbevölkerung nicht mehr verwerten kann, dann sollte man das gesamtgesellschaftlich entweder akzeptieren oder den Betroffenen eine zwischen den Bedürfnissen von Kraft und Markt austarierte Umschulung anbieten. Alles, was da unbedarf drumherumlaboriert verschwendet gleichermaßen Geld wie die Leben der Betroffenen. Dass wir bis heute keinen Minister für Arbeit & Soziales erlebt haben, der das nicht nur ausspricht, sondern auch Ernst meint, entlarvt dieses pervers kafkaeske System der Disziplinierung und alle diejenigen, die es verkörpern und vollstrecken.