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Ein Königreich für eine Koalition

Niederlande Zwei Monate nach den Wahlen sind die Bemühungen um eine Regierungsbildung gescheitert. Jetzt möchte Geert Wilders wieder ran

An der Basis von Grün-Links gab es Widerwillen gegen eine Koalition mit Rechts und Liberalen

Aus Amsterdam Tobias Müller

Nach einer Parlamentsdebatte zum Stand der Koalitionsbildung ist man in den Niederlanden so schlau wie zuvor. Am Mittwoch diskutierten die Abgeordneten der neugewählten Zweiten Kammer mit Premier Mark Rutte und Edith Schippers. Die ehemalige Ministerin hatte in den letzten Wochen versucht, zwischen vier potenziellen Koalitionspartnern zu vermitteln. Am Montag, genau zwei Monate nach den Parlamentswahlen, hatte sie diese Bemühungen für gescheitert erklärt. Klarheit über die Gründe erhoffte man sich am Mittwoch vergeblich.

Die Unterhändler der beteiligten Parteien – Ruttes liberal–rechte VVD, die Christdemokraten (CDA), die liberalen D66 sowie GroenLinks (GL) – wollten keine Details über die Bruchlinien ihrer Koalitionsgespräche offenbaren. Zuvor hatte Vermittlerin Schippers erklärt, vor allem beim Thema Migration seien die Unterschiede unüberbrückbar gewesen. Auch Klima und Einkommensverteilung hätten eine Rolle gespielt. Allgemeine Schlussfolgerung ist daher, dass die Beteiligung von GroenLinks die Verhandlungen platzen ließ. Fraktionsvorsitzender Jesse Klaver, der seine Partei bei den Verhandlungen vertrat, hatte zu deren Beginn diese Themen als wichtigste genannt.

In der Parlamentsdebatte betonte Klaver ebenso wie seine Gesprächspartner den Willen zum Kompromiss. Jedoch seien vor allem die Differenzen mit der seit 2010 regierenden VVD zu groß gewesen. „Der Abbruch der Gespräche“ sei „ein Punkt, kein Komma“. Auch sein christdemokratisches Gegenüber Sybrand Buma nannte eine Wiederaufnahme “nicht realistisch“.

Angekündigt hat sich diese Bruchstelle bereits im Wahlkampf, als VVD und CDA sich weit rechts positionierten, um den drohenden Erfolg der populistischen Partij voor de Vrij­heid (PVV) zu verhindern. Groen­Links dagegen präsentierte sich unter Klaver mit geschärftem linken Profil und bekannte sich zu einer „humanen Flüchtlingspolitik“. An der Basis gab es von Beginn an Widerwillen gegen die Teilnahme an einer Koalition mit rechten und liberalen Parteien.

Bei den Wahlen im März hatte GroenLinks mit einem Sprung von 4 auf 14 Sitze das beste Ergebnis der Parteigeschichte erzielt. Wahlsiegerin wurde die VVD von Premierminister Mark Rutte (33 Sitze), vor der PVV von Geert Wilders (20), CDA und D66 (je 19). Dramatische Verluste hatten die Sozialdemokraten erlitten: die Partij van de Arbeid, bislang an der Regierung, stürzte auf 9 Sitze ab. In dieser Position sieht sich die PvdA nicht als Teilnehmerin neuer Koali­tionsgespräche.

Lodewijk Asscher, PvdA–Fraktionschef und bislang Minister für Arbeit und Soziales, betonte bei der Debatte am Mittwoch, man wollte zuerst erfahren, was genau hinter dem Scheitern der wochenlangen Gespräche lag. Indirekt warf Asscher den Beteiligten vor, sie hätten ein „Theaterstück“ aufgeführt. Premier Rutte verteidigte das Stillschweigen, da sonst „die Chance, dass der nächste Versuch gelingt, deutlich abnimmt“.

Deutlich ist bislang, dass sich in Den Haag die meisten Augen nun auf die kleine Christen­Unie (CU) richten, die 5 Sitze im Parlament hat. Schon unmittelbar nach den Wahlen galt die sozial und humanistisch ausgerichtete protestantische Partei an Stelle von GroenLinks als mögliche Juniorpartner in einer Koalition von VVD, CDA und D66. Allerdings verfügte ein solches Bündnis nur über 76 der 150 Abgeordneten und hat damit keine stabile Mehrheit. Zudem steht auch die CU bei der Flüchtlingspolitik wesentlich weiter links als VVD und CDA.

Just aus diesem Grund geraten andere Optionen ins Blickfeld: Neben einer Minderheitsregierung aus VVD, CDA und D66 käme eine Zentrum–Links-Variante in Frage, die allerdings sechs Parteien umfassen würde (neben CDA, D66, GroenLinks und CU auch die PvdA sowie die Sozialisten). Letztere käme immerhin auf 80 Sitze, doch ist eine Teilnahme der Christdemokraten unwahrscheinlich.

Reine Spekulation ist bis dato eine Zentrum-rechts–Koalition aus VVD und CDA, der Seniorenpartei 50Plus, der calvinistischen SGP sowie den Rechts­populisten. Letztere waren vor den Wahlen von seiten der meisten Parteien als Koalitionspartner ausgeschlossen worden. PVV–Chef Geert Wilders brachte seine Partei dennoch ins Gespräch. Mit ihm seien die Gespräche „innerhalb einer Woche geregelt“, meinte er.

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