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Debatte Rechte und linke DiskurseÜberall erwartbare Reflexe

Kommentar von Armin Nassehi

Die Diskussionen bei Linken und Rechten folgen einem festen Muster. Sie stecken in fixen Rollen. Muss das so sein?

„Auch der linke Kulturkampf setzt auf die Fantasie der Herstellbarkeit einer Welt nach eigenem Bilde“ Foto: dpa

R eflexe, überall Reflexe. Die frühe Psychologie dachte, dass Reflexe eine Reaktion auf ein Außen sind: Die pragmatistische Kritik des Reflexbogens konnte jedoch zeigen, dass Reflexe nicht von außen, sondern von innen ausgelöst werden.

Man kann von einem Selbstauslöser sprechen: Nicht der äußere Reiz macht die Reaktion. Es ist vielmehr der innere Zustand des Reagierenden, der die Reaktion zur Aktion macht – und je erfolgreicher diese sich bewährt, desto deutlicher stabilisiert sie sich und neigt zu Wiederholungen. Man nennt das Pfadabhängigkeit.

Die Idee des Selbstauslösers kann womöglich den Eindruck besser verstehbar machen, dass in öffentlichen Diskursen kaum Überraschungen stattfinden, sondern alle Beteiligten Rollen spielen, als gäbe es ein Drehbuch, das Antipoden so aufeinander bezieht, dass das Stück genügend Variation und Differenz aufweist, um erzählbar zu bleiben. Natürlich gibt es kein Skript, einen Regisseur schon gar nicht – aber eine stupende Erwartbarkeit.

Die sogenannte Flüchtlingskrise war der vielleicht eklatanteste Reiz der letzten Jahre, der für allerlei Selbstauslöser gesorgt hat. Die vielen Menschen, die besonders zahlreich seit dem Sommer 2015 in Deutschland ankamen, sind tatsächlich so etwas wie ein äußerer Reiz. Ich hoffe, es ist nicht zu despektierlich, die starke, unerwartbare, international einzigartige Form der Willkommenskultur als einen merkwürdigen Selbstauslöser zu interpretieren. Es war großartig, wie sich hier eine Form der Hilfsbereitschaft etabliert hat, die so ganz anders war als die Reaktion auf die Flüchtlinge während des Jugoslawienkrieges vor 25 Jahren.

Benno Ohnesorg liegt blutend auf dem Boden, Friederike Hausmann beugt sich über ihn
50 Jahre gegen den Strom

2. Juni 1967: Ein Schuss tötet den Demonstranten Benno Ohnesorg. Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über Gegenöffentlichkeit, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, bürgerliche Zeitungen und alternative (auch rechte) Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit gesellschaftlicher Entwicklungen. Nachdenken über 50 Jahre Gegenöffentlichkeit: taz.gegen den stromDie Sonderausgabe taz.gegen den strom – jetzt im taz Shop und auf www.taz.de/gegenoeffentlichkeit

Am Ende war die Selbsterfahrung mit der Willkommens­euphorie so stark, dass es in weiten Teilen zu einer fast reflexhaften Abwehr gegen Fragen kam, die auch Aufmerksamkeit verdient hätten: dass es zu Kulturkonflikten kommt, dass die meisten für den ersten Arbeitsmarkt kaum je zur Verfügung stehen werden, dass es mit manchen Gruppen durchaus erhebliche Kriminalitätsprobleme geben würde, dass für manche Milieus Fremdheit anders als im kulturwissenschaftlichen Proseminar nicht so einfach kontingent zu setzen ist.

Es kam zu einer starken Dethematisierung solcher Fragen – und man reagierte mit einer ziemlich merkwürdigen Form, den sprechenden Flüchtling als Partner zu präferieren, denjenigen, den man auf Theaterbühnen zu seinem Schicksal befragen kann und der dann auch in einer Form Auskunft gibt, die der Willkommenskultur eine selbstbestätigende Form verleiht.

Hinweise auf die Mühen der Ebenen wurden mit dem Hinweis auf Menschenrechte, auf Humanität und moralisch hohe Hürden unsichtbar gemacht. Die engagierten Milieus sind darin geübt, starke Sätze zu sprechen und andere zum Sprechen zu bringen – und diese Sätze haben sich allzusehr stabilisiert.

Verarbeitet wurden letztlich die Informationen, die das Milieu bestätigt haben: auf der richtigen Seite zu stehen.

Reflex rechts: Den anderen als „Anderen“ darstellen

Mindestens so sehr wurden die Flüchtlinge von der ganz anderen Seite willkommen geheißen. Was wären Pegida, AfD und begleitende Publizistik ohne die Flüchtlingskrise?

Mancher der zentralen Akteure hat inzwischen eingeräumt, was für ein Gottesgeschenk die Flüchtlinge waren, weil sie das Unbehagen mancher an einer unübersichtlichen, sich wandelnden, pluralistischen Welt so sichtbar und ostentativ bestätigt haben.

Der Hinweis auf ein Außen hat ein starkes Wir ermöglicht. Der Hinweis auf das Eigene wird erst möglich, wenn es sich am Fremden scharfstellen kann.

Dieser Selbstauslöser hat jede andere Information zunichte gemacht.

Was wären Pegida, AfD und begleitende Publizistik ohne die Flüchtlingskrise

Die Reflexe ähneln sich

Beide Seiten bestätigen sich selektiv selbst, sie werden resistent für Informationen, also für Abweichungen, für etwas, das einen Unterschied macht. Die Konzentration auf die Bewährungsbedingungen des eigenen Milieus stabilisiert die Verhältnisse – machen die Antipoden zu Komplizen. Denn für die bedingungslosen Verfechter des Willkommens dient all das auch dazu, die eigene Perspektive zu stabilisieren und sich in der Kritik der Verhältnisse einzurichten, die man nie wirklich begrüßen würde.

Wie dieser „äußere“ Reiz dem AfD- und Pegida-Milieu dazu dient, sich in der Ablehnung einer pluralistischer werdenden Welt einzurichten, ist es für manches linke und mit allen Differenzwassern gewaschene Milieu willkommener Anlass, die Distinktion zu den weniger aufgeklärten Milieus zu pflegen.

Ich gebe zu, dies so zugespitzt zu schreiben ist ebenso schwierig wie riskant. Es hört sich so an, als würde ich das neutral beschreiben, als handle es sich um beliebige Seiten auf Augenhöhe. Ich mache keinen Hehl daraus, wo meine normativen Präferenzen liegen – selbstverständlich kann unsere Gesellschaft die Flüchtlingskrise bewältigen.

Dennoch: Man kann kaum daran vorbeisehen, dass beide Reaktionsformen sich ähnlicher sind, als sie es sich gegenseitig zugestehen wollen. Beide Seiten arbeiten mit Unbedingtheiten, also mit selektiven stabilen Blicken, deren Hauptfunktion darin besteht, sich nicht verunsichern zu lassen.

Moral und Natur

Diese Unbedingtheiten hören auf die Namen Natur und Moral. Die rechten Kritiker der „Überfremdung“ und des „großen Austauschs“ referieren letztlich auf eine unveränderliche Natur, selbst wenn sie als kulturelle Form der Zugehörigkeit nur zweite Natur ist. Für manches völkische Denken ist es freilich durchaus in der ersten Natur fundiert.

Eine ähnliche Funktion hat die Unbedingtheit moralischer Forderungen. Eine der Unbedingtheiten etwa des Rekurses auf Menschenrechte und die radikale Symmetrisierung aller Menschen ist die Absehung von der konkreten Person im Interesse eines abstrakten Humanums.

Diese Denkungsart ist eine zivilisatorische Errungenschaft sondergleichen – aber eben auch eher eine abstrakte Figur. Als hätte es die langen Debatten um die universalistische Geltungsbedingung der Menschenrechte in partikularen Bürgerrechten nie gegeben, als gäbe es nicht so etwas wie empirische Bedingungen der Herstellung von Solidarität, als wären selbst eingebildete Sorgen nicht wirksam und real.

Man kann darüber hinwegsehen und sich moralisch immunisieren – bleibt dann aber im Konfliktsystem der Antipoden gefangen. Meinen Vorwurf kann man leicht kontern: Er nehme all die kulturwissenschaftlichen, universalistisch-moralischen und unbedingten (sic!) Geltungsbedingungen des Guten nicht ernst und betreibe das Spiel der kleinbürgerlichen Mahner und „besorgten Bürger“. Dieser Vorwurf bestätigt, was ich hier sagen will: Man sieht nur, was man sehen will.

Die Intelligenten sind gar nicht so schlau

Übrigens kann auch hier die Sozialpsychologie weiterhelfen: Im letzten Jahr haben der Niederländer Karl Brandt und der Amerikaner Jarret Crawford im Hinblick auf Stereotype zwei Gruppen beschrieben: Geringe Intelligenz korreliert ziemlich eindeutig mit der Unfähigkeit, sich auf Ungewohntes einzustellen. „Intelligenz“ ist sicher ein nicht ganz unproblematisches Konzept, aber es verweist auch auf erworbene Fähigkeiten und Erfahrungen in bestimmten Milieus.

Interessanter ist die von den Wissenschaftlern identifizierte andere Gruppe, nämlich die kognitiven „high capables“. Diese projizieren insbesondere Konservativen gegenüber ihre eigene kognitiv gestützte Fähigkeit, Alternativen zu denken, auf jene Gruppen, von denen sie annehmen, dass sie auch anders könnten, wollten sie nur.

Die Intelligenten, so ließe sich schließen, sind gar nicht so schlau, weil sie ihre Milieu-Eigenschaft der Abweichungstoleranz für etwas Quasi-Natürliches, allgemein Menschliches halten und nicht auch für einen Effekt der eigenen Lebenslage. Abweichungstoleranz schützt also einerseits offensichtlich davor, selbst Ressentiments zu pflegen, macht daraus aber ein Ressentiment gegen jene, von denen man annimmt, sie müssten all das auch können.

Man sieht nur, was man sehen will

Es bildet schön ab, wie weit gerade die Mittelschichtsintelligenz auf ihrem Feldherrenhügel des besseren Wissens und des größeren Überblicks von den eher konservativen und kleinbürgerlichen Gruppen entfernt ist, denen man ihre Unmündigkeit als selbstverschuldet zurechnet, um sich dann im ressentimentgeladenen Distinktionskampf nach unten auf dem Hügel noch besser einrichten zu können. Dabei wird kaum mitgesehen, wie beweglich auch die konservativen Milieus der sogenannten Mitte sind.

Überraschung: Auch die Rechten sind nicht dumm

Übrigens sollte man nicht so tun, als seien die Protagonisten des Kulturkampfs von rechts weniger intelligent – im Gegenteil. Sie wissen genau, wie sie von der Verachtung der Gebildeten profitieren können und instrumentalisieren das linksliberale Ressentiment gegen die sogenannten kleinen Leute by design.

Vor einiger Zeit hat es eine krokodilstränenreiche Debatte darüber gegeben, das linksliberale Milieu sei schuldig daran, dass die Kleinbürger ins falsche Denken abdriften – man habe sie nicht ernst genommen. Als müsse man es den Dummen einmal richtig erklären, damit sie endlich wollen, was sie sollen! Das ist Unsinn.

Dieser paternalistische Diskursstil bestätigt nur meine Diagnose, das Konfliktsystem gar nicht erst verstanden zu haben, in dem wir uns befinden. Letztlich bewegen sich die Antipoden in einem Old-School-Kontrollspiel, das ebenfalls aussieht, als entstamme es einem Drehbuch.

Armin Nassehi

Jahrgang 1960, Soziologieprofessor in München, schrieb mit Peter Felixberger jüngst „Deutschland. Ein Drehbuch“.

Der kleinbürgerliche rechte Kulturkampf setzt auf das Kontrollmedium der Übersichtlichkeit und Kalkulierbarkeit des Bekannten – und imaginiert damit jene vertrauten Räume, die das Zeitalter des stabilen Nationalstaats begründet hat und unwiederbringlich vorbei ist. Und der linke Kulturkampf setzt immer noch auf die Fantasie der Herstellbarkeit einer Welt nach eigenem Bilde, nicht mit der Widerständigkeit einer komplexen Welt rechnend.

Die einen blenden die Komplexität der Welt aus, weil sie sich übersichtliche Gärten imaginieren wollen, in denen alles seinen Platz hat, Männer richtige Männer sind, Frauen möglichst nicht, und die kulturelle Differenz parallel zu räumlicher Differenz gestaltet sein soll.

Als müsse man es den Dummen einmal richtig erklären, damit sie endlich wollen, was sie sollen! Das ist Unsinn.

Die anderen können sich nicht vorstellen, dass ihre normativen Vorstellungen nicht von allen geteilt werden und sich nicht einfach wie ein Text auf einem weißen Blatt Papier platzieren lassen.

Beide verfehlen die Komplexität dieser Welt, die alles kennt, nur keine Gesamtvernunft – weder eine ethnisch-kulturelle noch eine moralisch-pluralistische. Bei Letzteren geht es sogar so weit, dass viele Linke im Wahlkampf vor der Stichwahl in Frankreich lieber Le Pen ertragen wollten, als sich die Implosion der eigenen Kontrollfantasien einzugestehen. Und es geht so weit, dass die Rechten sich als Anwälte der kleinen Leute gerieren, die sie damit erst recht klein machen.

Ein Wort an die taz: Sich als Gegenöffentlichkeit zu stilisieren, ist heute nicht mehr so einfach. Manche rechte Gazetten haben diese Funktionsstelle übernommen – und sind damit doch mittendrin im Spiel. Gegenöffentlichkeit – das kann nur noch heißen, ausgeschlossener Dritter allzu stabiler Unterscheidungen zu sein, also auf die Bedingungen hinzuweisen, unter denen all die Sätze funktionieren, die aussehen, als stammten sie aus einem Drehbuch.

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28 Kommentare

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  • Ein großartiger Artikel! Er spricht mir aus der Seele!!! In unserer ach so vielfältigen Gesellschaft wirken so viele Reaktionen vorhersehbar und vor allem so unerträglich selbstgefällig. Selbst für Punks gibt's heute ziemlich klar definierte Normen. Vieles ist nur pseudo-Vielfalt, nur Dekoration mit ausgeprägtem Sinn für's Design...

     

    Und mich erinnert der Artikel an das Paradoxon von anno-dazumal: dass es das Grünen-Klientel ist, welches ob der Freiheits-Sehnsucht-begründeten Liebe zur Mobilität den größten Spritverbrauch zu verantworten hat(te). Wurde auch nur randläufig thematisiert, da dies die Kreiierung der eigenen Identität substanziell in Frage stellen würde...

     

    "Demut" ist ein Begriff, der mir sehr gut gefällt als Teil einer Idee von verständnisvollen, wohlwollenden, herzlichen Umgang. Franziskus, Lee Perry, Schlingensief, Schneider, Fellini --- mehr davon bitte heutzutage! Viel, viel mehr!!!

  • „2. Juni 1967: Ein Schuss tötet den Demonstranten Benno Ohnesorg. Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über Gegenöffentlichkeit, über die Medien, über Wahrheit und Lüge …“

     

    Denn dieser Schuss wurde von einem Westberliner Polizisten abgegeben. Dieser Schuss löste einen „reflexhaften“ Protest in der linken Szene Westberlins gegen die „Handlanger der reaktionären Staatsmacht“ aus und mündete in die 68-er Studentenunruhen in der BRD und Westeuropas, auch dank bürgerlicher Zeitungen und alternativer Blätter.

     

    „…Nachdem 2009 bekannt wurde, dass Kurras (=der Todesschütze) 1967 inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit gewesen war, wurden neue Ermittlungen durchgeführt. Sie ergaben 2011, dass er auf Ohnesorg ohne Auftrag, unbedrängt und wahrscheinlich gezielt geschossen hatte. Er wurde dennoch nicht erneut angeklagt …“ (Wikipedia)

    Das heißt im Klartext, die 68-er Studentenunruhenwurden im damaligen Ost-Berlin losgetreten und ferngesteuert!

     

    Und so leistet die TAZ selbst einen (negativen) Beitrag in der Diskussion, indem sie dieses äußerst wichtige Detail verschweigt!

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Sie zitieren selbst, dass Kurras "ohne Auftrag und, unbedrängt" geschossen hat. Wie kommen Sie darauf, dass die Studentenunruhen deswegen von Ost-Berlin ferngesteuert wurden ?

  • Schön gesagt. Danke sehr. Und zur Gegenöffentlichkeit, darf ich das als Ruf nach "kritischer Theorie" verstehen? ;)

  • Die „pragmatistische Kritik des Reflexbogens“ (what te hell...?) in allen Ehren, aber Reflexe werden nach wie vor als „eine unwillkürliche, rasche und gleichartige Reaktion eines Organismus auf einen bestimmten Reiz“ verstanden. Sie werden zwar neuronal (also im Körperinneren) vermittelt, brauchen aber immer einen Auslöser, der außerhalb des Körpers liegt. Von den meisten Wissenschaftlern werden sie deswegen als „evolutionäre Anpassung“ gedeutet.

     

    „Durch ein auf [Anm.: bestimmte] Lebensbedingungen eingestelltes automatisches, schematisches oder stereotypes Reagieren, das unter gleich bleibenden Umständen dazu ausreicht, bis zur Geschlechtsreife zu leben und Nachkommen zu zeugen“, ermöglichen Reflexe den Lebewesen „ein Leben in einer langfristig konstanten Umwelt“, weiß das Lexikon. Und das genau ist das Problem damit: Ändern sich die Rahmenbedingungen, wird der einstige evolutionäre Vorteil zu einem echten Nachteil.

     

    Im Augenblick ist die Welt der Menschen sehr stark in Veränderung. Noch nie in der Geschichte gab es mehr Menschen als derzeit. Nie waren größere Mengen von Menschen dermaßen mobil wie heute. Und nie zuvor waren mehr Informationen als heute derart frei verfügbar für das Gros der Menschen. Im Ergebnis waren wir Menschen noch nie in der Geschichte derart vielen Reizen ausgesetzt wie grade jetzt. Dass unser Organismus darauf reagiert, ist ganz natürlich. Er reagiert unwillkürlich, rasch, gleichartig – und häufig ziemlich falsch. Weil: Die Welt hat sich geändert. Die Reaktionen leider bisher nicht. Evolution arbeitet eben lahmarschig.

     

    Nein, das muss nicht unbedingt so bleiben. Menschen sind ja schließlich keine Hunde. Sie sind ihren Reflexen nicht hilflos ausgeliefert. Sie können sie beherrschen lernen. Sogar die Linken, vor allem aber die Intelligenten. Die sollten es ja schließlich wollen.

  • Das ist alles gut und richtig, allerdings möchte ich dazu eine Frage stellen:

     

    Wenn man „die Welt“ nicht anders denken kann als sie ist, wovon sollte dann eigentlich jemals irgendein Einfluss auf „die Welt“ ausgehen können?

    • @Rainer B.:

      Ich finde die Grundlage für die Frage nicht, der letzte Absatz scheint mir aber als Antwort zu passen.

       

      Die Welt ist nur nicht anders zu denken für die, die es nicht schaffen sich vom Spiel zu lösen. Erst wer seine Rolle verlässt und damit quasi zum Dramaturg wird, kann die genannte Gegenöffentlichkeit bilden. Das heisst anders denken, als es innerhalb des Spiels möglich ist.

       

      Einfluß heisst in diesem Sinne dann, den Menschen aufzuzeigen welches Spiel sie spielen, welche Rolle darin und welche Vorteile es hätte, zumindest zum Zuschauer zu werden.

      • @TV:

        Grundlage für meine Frage war der Absatz:

        „Die einen blenden die Komplexität der Welt aus, weil sie sich übersichtliche Gärten imaginieren wollen, in denen alles seinen Platz hat ....“

        Das kommt sehr eingängig daher, ist aber leider nur gehobener Blödsinn, denn um die Komplexität der Welt ausblenden zu können, muss man sie ja vorher erstmal voll erfasst haben. Dahinter steckt nur die reflexhaft nachgeplapperte Formel von den utopistischen Linken, die angeblich gar nicht mehr so recht von dieser Welt sind.

        Nein - als Linker schaue ich mir „die Welt“ an, habe dabei meine Zweifel an der herrschenden Sicht und finde alsbald vieles dringend grundsätzlich änderungsbedürftig.

        Der Rechte schaut sich „die Welt“ an und sagt sich: „Es ist, wie es ist. War schon immer so. Hoffentlich ändert sich bloß nichts und ich schwimme immer möglichst schön weit oben, wie das Fettauge auf der Ursuppe.“

        „Das Spiel“ ist nichts anderes als „die Welt“ - aber immer todernst.

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Den Menschen, die diesen Diskurs nicht verstehen, geht es in erster Linie um einen gutbezahlten festen Arbeitsplatz. Da aber der "aufgeklärte und fortschrittliche" Neoliberalismus 1/4 der deutschen Bevölkerung in das Subproletariat entlassen hat, benehmen sich diese Leute auch entsprechend: Agressiv und feindselig denen gegenüber, die ihnen das sauer verdiente verschimmelte Brot klauen könnten. Solange die "Linke" rechte Wirtschafts-und Finanzpolitik trägt, werden die "dumpfen " Massen aus der Unterschicht alles Fremde als bedrohlich empfinden. Marine Le Pen hat im Gegensatz zur AFD das soziale Problem erkannt und lockt mit Forderungen wie Rente mit 60, und natürlich mit der nationalen Präferenz., was die "petits blancs" beruhigt und ihnen ein Gefûhl von Sicherheit gibt. Der Diskurs der Linken muss einfach wieder sozialkritischer werden und die festeingefahrennen Dogmen liberaler Wirtschaftspolitik grundsätzlich in Frage stellen und glaubhafte für alle nachvollziehbare Alternativen entwerfen.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Es gibt keine "dumpfen Massen", die aufgrund schlimmer Verhältnisse, leider, leider zum Schwein werden müssen.

      Wohl aber gibt es viele Menschen, die den kleinen Gartenzwergnazi in sich ab und zu mal raus- und Luft schnappen lassen wollen. Herkunft, Geschlecht, Bildungsstand oder Gehaltshöhe spielen da überhaupt keine Rolle.

      Die AfD-Mitglieder/Wähler sind in erster Linie arrivierte Leute, gleiches gilt für die der Schweizerischen Volkspartei von Blocher. Auch der FN ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es sind neidische, herzlose, engstirnige Menschen, die stets Angst davor haben, zu kurz zu kommen, weswegen sie meist deutlich mehr als Andere haben.

      (Man möchte als Flüchtling niemandem dieser Sorte in die Hände fallen).

      Bei gewissen "Linken" gibt es mehr oder weniger dieselbe Fremdenfeindlichkeit (Gastrecht) oder Europaverachtung (igitt, supranational !) wie bei den Rechten. Beide beuten die angeblich vorhandenen Interessen, angebllich Deprivierter aus, um ihr eigenes mehr oder weniger braunes Süppchen zu kochen. Geschichgtsvergessen, fremdenfeindlich und völlig verantwortungslos.

      Paradebeispiele für diese üble Sorte: Wagenknecht, Corbyn und Melenchon.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Prozentual haben die meisten Arbeiter Marine Le Pen gewählt. Wo hat Marine Le Pen den stärksten Beifall erhalten? Bei den von Produktionsauslagerungen bedrohten Arbeitern von Whirlpool. Es geht hier nicht darum zum Schwein zu werden, sondern um die von den neoliberalen Reformen à la Schröder geschaffene Hackordnung gerade bei den unteren Schichten. Man verdrängt die konkurrrierenden Hungerleider Und der letzte hält die Tür zu. Es gibt Länder, wo Le Pens Ideologie längst an der Macht ist und die sich durch Zäune abschotten, Ungarn und Spanien sind die besten Beispiele. Oder Länder, wo Flüchtlinge schamlos für 80Cents pro Stunde ausgebeutet werden, oft von der fortschrittlichen neoliberalen Mittelschicht, wie Deutschland zum Beispiel. Die Ideologie von Marine Le Pen ist in Europa schon lange salonfähig geworden, sie hält in Frankreich nur dazu hin, dass es keine linke antikapitalistische Alternative gibt. Macron kann sich in Frankreich den Luxus erlauben flüchtlingsfreundliche Reden zu schwingen, solange er keine aufnehmen braucht. In der Zwischenzeit ertrinken wöchentlich, täglich Menschen im Mittelmeer und das ist die Schuld von Juncker, Merckel und Macron und dem Flüchtlingsdeal mit Erdogan, den Mauern in Mellila, Ceuta und Ungarn. Wagenknecht, Corbyn und Mélenchon haben nichts damit zu tun. Deshalb ist der ganze pro Flüchtlingsdiskurs der neoliberalen Linken so verlogen.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Bei den Arbeitslosen punktete am meisten Melenchon, wenn ich das richtig verstanden habe. So viel zu Ihrer Verelendungsthese.

          Frankreich ist in vielerlei Hinsicht gespalten in Land und Stadt, Ost und West. Junge Leute wählten auch stark Le Pen oder blieben der Wahl fern.

          Ihre Erklärungsmuster überzeugen nicht.

          Und wenn Sie von einem "Subproletariat", dessen Angehörige sich entsprechend benehmen würden, nämlich "agressiv und feindselig denen gegenüber, die ihnen das sauer verdiente verschimmelte Brot klauen könnten", so ist das elitäre Denke. Diesen Partenalismus sollte man sich sparen.

          Und natürlich geht es dabei darum, ob man zum Schwein wird oder nicht. Sie beschreiben genau den grassierenden Rassismus. Der aber betrifft halt alle. Denn Geld bestimt nicht die Moral, schlechte Lebensbedingungen führen nicht zwangsweise zu Rassismus und Ausgrenzung.

          Es braucht mindestens noch welche, die auf der braunen Klaviatur spielen, die Elenden gegeneinander ausspielen. Und das sind zB. die von mir Genannten.

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @60440 (Profil gelöscht):

            Die die den Rasissmus fördern, sind die die die wirtschaftlichen, sozialen und schliesslich politischen Grundvoaraussetzungen schaffen. Und die befinden sich derzeit an der Regierung in Frankreich und in Deutschland, das ist die santé Diktatur der Mitte, der es nicht um Demokratie geht, sondern um Macht, nicht um soziale Gerechtigkeit sondern um persönliche Bereicherung siehe Macrons Leutnant Ferrand und noch eine andre Kandidatin von LREP, die eine sanierungsbedürftige Wohnung überteuert an eine fünfköpfige Migratenfamille vermietet hat. LREP ist keine Erneuerung sondern eine kriminelle Vereinigung zur Bereicherung ihrer Mitglieder und Freunde aus den höheren Managementetagen multinationaler Konzerne für die Immigraten ein moralisches Feigenblatt darstellen und ansonsten moderne Arbeitssklaven sind. Auf dem braunen Klavier spielt Marine Le Pen ganz alleine, aber das Instrument wurde ihr von der an der Macht befindlichen Elite geliefert und diese kümmert sich auch um die Wartung bis nach Ablaufen des Leasingvertrags in fünf Jahren es gänzlich in den Besitz der Spielerin kommt.

            • 6G
              60440 (Profil gelöscht)
              @82236 (Profil gelöscht):

              Wir brauchen keine angeblich Linken, die von Obergrenzen faseln, vom missbrauchten Gastrecht, vom vollen Boot oder von Flüchtlingen, die den Einheimischen das Brot wegnehmen. Niemand - dem Solidarität am Herzen liegt, braucht Politiker wie Sahra Wagenknecht oder Ihren geliebten Melenchón, der nicht einmal zu den schlimmen Verbrechen der französischen Kolonialpolitik etwas gesagt hat (das soll links sein ?). Von seiner teilnahmslosen Hinnahme des aufkeimenden Faschismus in Frankreich mal ganz abgesehen.

              Für diese verbalen Entgleisungen auf dem Rücken der Ärmsten (und die damit verbundene unterschwellige Botschaft an Freunde des gepflegten Rassismus) sind die Genannten voll verantwortlich. Man spielt nicht mit dem Feuer.

              Das Feld sollten Linke getrost allein der AfD oder dem FN überlassen.

              Solange Linke sich zudem genuin europafeindlich gerieren, sind sie für mich unverantwortliche und unwählbare Hasardeure und auch Nationalisten. Jede Hinwendung zum Nationalstaat birgt den Chauvinismus und die Fremdenfeindlichkeit in sich. Was das bedeutet, sehen wir in Klein-Britannien, wo sich die Zahl der fremdenfeindlichen Übergriffe seit dem Brexit extrem verfielfältigt hat.

               

              Danke, Frankreich, dass Ihr Euch für Europa und gegen die kleingeistige Kleinstaaterei entschieden habt.

               

              Und wenn jemand aus Macrons Partei sich daneben benommen hat, ist das wie der berühmte Fliegenschiss. Und das es Macron zumindest nach dem was er sagt nicht allein nur um die Macht geht, zeigtr bereits, dass er sich nicht so verbogen hat wie gewisse andere Leute, sondern zu seinen Überzeugungen stand und steht. Auch wenn sie höchst unpopulär erscheinen (siehe Kolonialverbrechen).

              • 8G
                82236 (Profil gelöscht)
                @60440 (Profil gelöscht):

                Korruption, Vetternwirtschaft, Steuerflucht sind Hauptgründe für den Aufschwung der Faschisten und leere Kassen und Sozialabbau. Wenn Sie das als Fliegenschiss bezeichnen, dass sich die wichtigste Persönlichkeit von Macrons Partei sich daneben benommen hat, in dem Augenblick, wo François Bayrou sein Gesetz zur Moralisierung der Politik vorlegt, dann haben Sie entweder nichts von der poltischen Lage in Frankreich verstanden oder Sie billigen ganz einfach solche Praktiken. Nach dem Motto, wie korrupt er/sie auch sein mag, wenn er/sie laut genug gegen die extreme Rechte schreit, dann wähle ich ihn/sie. Damit hatte François Mitterand, Macrons Vorbild, 1988 die Präsidentschaftswahlen gewonnen, nachdem er 1986 durch eine gezielte Veränderung des Wahlgesetzes die FN ins Parlament geholt hat, weil er die demokratische Rechte schwächen wollte. Flugs wurde SOS Racisme ins Leben gerufen, dessen Gründer Julien Dray später In einem Finanzskandal verwickelt war. Und ach, einer von Mitterands besten Freunden war ja René Bousquet, der Hauptverantwortliche für die Verhaftung der ausländischen Juden In Paris, die im Vélodrome d'hiver eingesperrt wurden. Unser demokratischer Jupiterpräsident will ja weiter mit Notstand und Verordnungen regieren und diese später in ein Gesetz giessen, Vorbild Maulkorbgesetz Spanien, sprich Notstandsgeseztgebung. Da hat es Marine dann leicht als Verteidigerin von Bürgerrechten aufzutreten. Und das ganze offizielle antifaschistische Geschwätz verkommt dann zur Worthülse wie in Weiland DDR.

                • 6G
                  60440 (Profil gelöscht)
                  @82236 (Profil gelöscht):

                  Sie haben also ein Haar in der Suppe gefunden und vor Ihnen steht ein stets halbleeres Glas Wein.

                  Macron ist an allem Schuld, er muss für Mitterand (sei Vorbild, ah ja) herhalten und wird in Haftung genommen weil sich jemand "daneben benommen" hat. Aus der überteuerten Vermietung einer sanierungsbedürftigen Wohnung an Flüchtlinge stilisieren Sie flugs Korruption, Vetternwirtschaft, Steuerflucht als Hauptgründe des Faschismus.

                  Wie albern ist das denn ?

                  Wer hat es denn nicht fertig gebracht, zur aktiven Nichtwahl der Faschistin aufzurufen ?

                  Ach ja, das war ja der, der es auch nicht fertig bringt, Unrechtsregime wie in Venezuela anzuprangern, die er früher (und heute?) pries.

                  Nicht albern ist, dass jemand Präsident werden will, indem er das Land spaltet, Europa kleinredet und Flüchtlinge gegen (andere) Sozialschwache ausspielt. Wo wären wir eigentlich ohne Willy Brandt, der sich zur Vergangenheit Deutschlands bekannt hat und die Aussöhnung mit den Nachbarn suchte. Der musste sich dann "Brandt an die Wand" anhören. So ähnlich wie Macron ...

                  • 8G
                    82236 (Profil gelöscht)
                    @60440 (Profil gelöscht):

                    Das sind Beispiele für gängige Praktiken man kann ja auch noch Marielle de Sarnez zurechnen. Jüngste Umfragen zeigen, dass 70% der Franzosen ihre Poltitiker für bestechlich halten. Was Sie als Fliegenschiss bezeichnen, ist ganz einfach, Betrug, Veruntreuung, Vorteilsnahme, Diebstahl,aber ein geläuterter Antifaschist ist wie Sie, der sieht das nicht so eng, da kann man schon mal in die öffentliche Kasse greifen, Fillon hat es den Kopf gekostet. Ich bleibe dabei, dass die soziale Ungerechtigkeit, Abstiegsängste, Korruption, Steuerhinterziehung, 80Millarden Euros pro Jahr in Frankreich, die jedes Haushaltsloch stopfen können, Produktionsauslagerungen, unlauterer Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, denn die Kapitalisten spielen die Armen gegeneinander aus, die Hauptursachen für Fremdenfeindlichkeit und Faschismus sind. Desweiteren, was die Kolonialpolitik anbetrifft, setzt Macron die FranceAfrique Politik fort, seines Erachtens müssen die französischen Streitkräfte noch mindestens 20 Jahre im Sahel bleiben, warum? Um die Uranvorkommen zu schützen, für die französische Force de Frappe. Der Franc CFA wird auch weiter in Frankreich gedruckt und damit wird auch die Finanzpolitik dieser Länder in Frankreich gemacht. Danach kann man sich hinstellen und dem grossen Demokraten Bourgiba seine Aufwartung machen mit einem Discours d'Alger à la Che. Wie gesagt alles Heuchlerei und wahltaktische Manöver, wenn Macron glaubwürdig hätte sein wollen, hätte er diese Rede nach seiner Wahl gehalten, er wollte aber unbedingt die Stimmen der Banlieue. Willy Brandt war da mit seinem Kniefall in Warschau wesentlich aufrichtiger, das war keine Com und das macht auch seine Grösse aus.

                    • 6G
                      60440 (Profil gelöscht)
                      @82236 (Profil gelöscht):

                      Was wird bleiben: Der Brandt und sein Kniefall oder ein korrupter Genosse in seinem Umfeld (mir fällt gerade sein Name nicht ein) ?

                       

                      Macron hat mit der Benennung französischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit bereits jetzt mehr für die Unterdrückten und ihre Würde getan (selbstredend war es mutiger und ehrlicher, dies VOR der Wahl zu tun), als Ihr zaudernder Zausel, der selbst im Maghreb geboren wurde und schweigt. Selbst jetzt noch.

                      Ihnen muss ich nicht sagen, wie sehr muslimische Franzosen nach wie vor unter Rassismus zu leiden haben ?

                       

                      Fragen Sie doch mal deren Vertreter, ob sie Macron für einen Heuchler halten ...

                       

                      Mehr Mut hat Macron zudem besessen. Und linker, im Sinne internationaler Solidarität mit den Entrechteten, war er auch.

                       

                      Und das ist belohnt worden.

                       

                      Das ärgert den Zausel und Sie, aber Politik besteht nicht darin, anderen nach dem Mund zu reden, sondern Visionen zu haben, Risiken einzugehen und auch mal unbequem zu sein.

                       

                      An diesen Fakten kommen Sie nicht vorbei. Auch wenns wehtut.

                       

                      Macron könnte die allgemeine Politikverdrossenheit wirksam bekämpfen. Mit einer neuen Partei, die Sie in Ihrem kläglichen Defätismus für chancenlos hielten und Frankreich daher für unregierbar.

                       

                      Sie werden ja schneller von der Realität eingeholt als weiland das Politbüro im Sommer 1989 ...

                       

                      Macron hat die Unterstützung von Valls abgelehnt.

                      Auf der Kandidatenliste für die Parlamentswahl im Juni von En Marche! finden sich 428 Kandidaten. Die Hälfte von ihnen sind Frauen.

                      52 % sind vorher nicht politisch aktiv gewesen. Das Durchschnittsalter liegt mit 46 Jahren deutlich unter dem des bisherigen Unterhauses.

                      Die ernannten Minister kommen ebenfalls zur Hälfte nicht aus der Politik.

                       

                      Alles egal, natürlich.

                       

                      Bevor Sie wieder abdriften in die Untiefen französischen Klein-Kleins, bevor Sie wieder vorschnelle Urteile über den frisch gewählten Präsidenten abgegeben: Lassen Sie ihm wenigstens die Hundert Tage, die ihm gebühren.

                      • 8G
                        82236 (Profil gelöscht)
                        @60440 (Profil gelöscht):

                        Lesen Sie mal den Amnestybericht zum Notstand in Frankreich in der taz, da können wir dann weiter diskutieren. Lesen Sie auch genau die Liste der Mitglieder der Regierung aus der sogenannten Zvilgesellschaft, nicht nur die der Minister sondern auch die der chefs de cabinet. Da wimmelt es nur so von Lobbyisten der grossen Versicherungen, Banken, Nuklearindustrie und industriell-chemischer Landwirtschaft, alles Leute, die schon seit Jahren mit der Verfilzung von Wirtschaft und Politik vertraut sind. Was Günter Guillaume anbetrifft, war er nur ein Vorwand für Brandts Rücktritt, der mit seinem Koalitionspartner nicht klar kam wegen der paritätischen Mitbestimmung und gleichzeitig einen Streik des öffentlichen Dienstes am Hals hatte, was er als Vertrauensverlust empfand. Übrigens in den Toulouser Wahlkreisen der quartiers populaires, also auch in meinem der 9. mit Manuel Bompard, der Sprecher der FI, denn die France Insoumise besteht nicht nur aus JLM, hat letzterer 45% im 1. Wahlgang bekommen sowie die Mehrheit in sozialen Brennpunktgebieten mit einer mehrheitlichen Bevölkerung mit Migrationshintergrund, die hauptsächlich maghrebinischen Wähler haben sich nicht von Macron täuschen lassen. Der Front National ist nur auf 9% gekommen.

                        • 6G
                          60440 (Profil gelöscht)
                          @82236 (Profil gelöscht):

                          Sehnse, Sie kommen auch nicht auf den korrupten Mitarbeiter, der für mich nur eine Chiffre war.







                          Guillaume meinte ich natürlich nicht, seit wann war dieser Mann korrupt ?







                          Macron, kaum im Amt muss nun für alles herhalten, was schiefläuft in Frankreich, [...]. Auch wenn er zu Beginn der Amtszeit Mitterands ein kleiner Junge war.







                          Nun also ist er verantwortlich für den Notstand in Frankreich (der nichts mit Chirac, Sarkozy oder Hollande zu tun hat Wohl aber alles mit dem Präsidenten, der seit ein paar Tagen im Amt ist und von dem Sie selber sagten, er könne gar nichts reißen, da er keine Mehrheit im Parlament hat, weswegen Frankreich ja unregierbar sein würde.







                          Eine Schonfrist gibt es für ihn, der für Sie keine Alternative zur Faschisten war und ist (?) nicht. [...]







                          El viva el comandante Maduro !







                          Nun denn.







                          Foucault. Und wer ihn ernst nimmt.







                          Macron war es, der die unhaltbare Situation in den Gefängnissen Frankreichs anprangerte (völlig zu Recht, da ist Frankreich unterste Schublade, schaun Sie nur auf die Suizidraten !) und die daraus resultierenden Radikalisierungen nicht nur muslimischer Häftlinge.







                          Instruktiv für thematische Einsteiger:



                          http://www.zeit.de/2010/18/DOS-Frankreich-Gefaengnis



                          http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/gefaengnisse-in-frankreich-brutstaetten-des-islamismus-13365757.html







                          Iregndwie scheint sich Macron doch sehr für die völlig Ausgregrenzten zu interessieren. Wer kämpft sonst schon für bessere Haftbedingungen ?







                          Nun besteht das Kabinett Macron zur Hälfte aus Nichtpolitikern. Sie, die das verfilzte politische Frankreich geisseln, finden das nun auch nicht richtig.







                          Sie haben nun mit "Lobbyisten" ein neues abqualifizierendes Label. Wie bei Ihrem alten: "Ex-Banker" oder wie es im Andenken an Dreyfus gebührt: "Ex-Rothschild-Banker."











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                          Die Moderation

                          • 8G
                            82236 (Profil gelöscht)
                            @60440 (Profil gelöscht):

                            Viva el comandante Michel Temer y Maurico Macri...das ist wohl Ihre Losung. Ich verweise Sie auf zwei gestern und heute erschienene taz.artikel einen über den Ausnahmezustand, den Macron bis November verlängert hat, weil er bis dahin seine Arbeitsmarktreform ungehindert durchziehen will, der andere über die Immobilienaffäre von Ferrand, die Macron immer grössere politische Schwierigkeiten bereitet. Viel Spass bei der Lektüre.

  • (Sorry, ich glaube meine erste Sendung war nicht vollständig.)

     

    Verehrter Herr Nassehi,

     

    Sie haben einen sehr klugen und nachdenklichen Artikel geschrieben.

     

    Im Zusammenhang der Flüchtlingshilfe sagen Sie: „Es war großartig, wie sich hier eine Form der Hilfsbereitschaft etabliert hat.“

    Leider kann ich da nur bedingt zustimmen. Die einzige Hilfe, die großartig war, war die Hilfe, die in der Schweiz der SVP-Mann Gerhard Duregger machte. Er nahm einen Flüchtling bei sich zuhause auf, schauen Sie hier: https://www.stol.it/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Lokal/SVP-Spitzenmann-nimmt-Fluechtling-zu-Hause-auf

    Soweit ich weiß, wird die SVP im politischen Spektrum in der Schweiz dem rechten Rand zugeordnet.

     

    Oder Martin Patzelt und seine liebe Familie, die zwei Flüchtlinge bei sich zu Hause aufgenommen haben. Martin Patzelt ist Mitglied der CDU. Haben sie mitbekommen, ob etwa Hans Christian Ströbele, Claudia Roth, Katrin Göring-Eckard, Simone Peter etc. auf diesen offenen Brief von Martin Patzelt Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben? http://www.martin-patzelt.de/lokal_1_1_141_Offener-Brief-.html

     

    Ich habe nichts davon mitbekommen.

     

    In seinem Buch -Allein unter Flüchtlingen- hat Tuvia Tennenbom beschrieben, was aus den Menschen in den Containersiedlungen geworden ist. Die oben genannten, die nicht wie Martin Patzelt und Gerhard Duregger gehandelt haben, ziehen sich, nachdem sie die Sonne der Öffentlichkeit verlassen, davor zurück -tatsächlich- EIGENEN Wohlstand und EIGENEN, Komfort und Bequemlichkeit aufzugeben um mit Flüchtlingen zu teilen. Das erinnert mich an die Kirchenfürsten des Mittelalters, die Moral predigten und darüber hinaus in Hoffart prangeten.

  • "Beide verfehlen die Komplexität dieser Welt, die alles kennt, nur keine Gesamtvernunft – weder eine ethnisch-kulturelle noch eine moralisch-pluralistische. Bei Letzteren geht es sogar so weit, dass viele Linke im Wahlkampf vor der Stichwahl in Frankreich lieber Le Pen ertragen wollten, als sich die Implosion der eigenen Kontrollfantasien einzugestehen. Und es geht so weit, dass die Rechten sich als Anwälte der kleinen Leute gerieren, die sie damit erst recht klein machen."

     

    Ist das dann ein Plädoyer für die als "sozialliberal" falsch etikettierte Einstellung dieser beiden Herren?

    http://assets.vogue.com/photos/59284f0334f15b0d32da39af/master/pass/00-social-tout-trudeau-macron.jpg

    • @agerwiese:

      Nein. Ausser Sie wollen das so interpretieren.

      • @TV:

        Es war eine rhetorische Frage und Ihre Antwort darauf falsch.

        • @agerwiese:

          Verzeihung, ich wusste ja nicht, dass sie die These des Autors so eindrucksvoll bestätigen wollten.

  • Subtitel: "Die Diskussionen bei [vermeintlichen Antagonisten] folgen einem festen Muster. Sie stecken in fixen Rollen. Muss das so sein?"

     

    Nein.

     

    Aber in der jeweiligen Nische verkauft sich konformes Rollenverhalten besser.

    • @ajki:

      Das genau ist das Problem: Es muss nicht, aber es soll. Wegen des Mehrwertes, den es angeblich bringt. Wenn auch nur für Einzelne.